Kapitel 1

50 2 0
                                    







Es war ein sehr kalter Sommer, indem mein Leben sich umdrehte und in viele Stücke zerbrach. In diesem Sommer vergaß ich, wie sich es anfühlte, Wärme zu spüren. Ich hatte es vergessen, wie schön die Welt und die Natur ist und hatte mich stattdessen ganz der Dunkelheit gewidmet.

In diesem Sommer, den man eigentlich nicht Sommer nennen konnte, schien die Sonne fast gar nicht. Ich kann mich noch daran erinnern, dass nichts blühte und ich öfters raus Fahrrad fahren wollte oder mir ein Eis kaufen wollte, es aber viel zu kalt war. Ich war 13 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern in einem kleinen Tal, umhüllt von riesigen Bergen, die das Tal immer sehr schattig machten. Wenn man aus dem Tal rausfahren wollte, musste man über eine Stunde fahren und das machte fast keiner dort. Mein Vater ist mit meiner Mutter, als er sie kennen lernte, in dieses Tal gefahren um ein wunderschönes Familienleben zu führen, ausgeschlossen von den Problemen außerhalb des Tals. Als ich geboren wurde, lag Schnee und ich weiß noch, dass meine Mutter mal sagte, dass sie nach der Geburt, aus dem Fenster schaute und alles weiß war, es war ein magischer Moment mit mir, Papa und ihr gewesen. Meine Eltern liebten das kleine Tal, mit ein paar Läden, einer kleinen Schule und wenig Bewohnern, doch ich habe es gehasst. Ich fand in meiner Grundschulzeit keine Freunde und auch als ich auf das Gymnasium ging, gab es immer nur dieselben Menschen, mit denen ich nicht klar kam. Meine Eltern munterten mich immer auf, dass die Familie doch das Wichtigste wäre und ich diese ja hätte, aber ich war damit nicht zufrieden und schätzte die Familiengemeinschaft einfach nicht. Als ich schließlich 14 Jahre alt wurde, schenkte mir meine Mutter zum Geburtstag ein Armband. Wir hatten zwar nicht viel Geld, aber sie sagte mir, dass sei ein Wunderarmband, mit dem alle Wünsche in Erfüllung gehen und an diesem Tag wünschte ich mir nichts sehnlicheres als den Sommer, doch ich bekam das Gegenteil.

Fünf Tage nach meinem Geburtstag war es besonders regnerisch. Es standen dichte, dunkle Wolken am Himmel und ich saß in meinem kleinen Zimmer, das gefüllt mit einem schmalen Bett, einer Kommode und einem Tisch war. Mein Blick versank in den Bergen und ich sah den Schnee auf den Bergen glänzen, jeden Tag sah ich diesen verdammten Schnee. Im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter. Er war immer da. An diesem Tag wurde mir bewusst, dass ich noch nie hinter diese Berge geschritten bin und wie als hätte mein Vater Gedanken lesen können, klopfte er an der morschen Tür an und fragte: „Schatz? Wir wollen heute ein Abenteuer machen." Ich sprang von der Fensterbank auf und guckte ihn fragend an, er merkte es und sagte: „Wir fahren an die Berge und ich bringe dir klettern bei mit deiner Mutter. Du bist jetzt alt genug. Was hältst du davon?" Ich grinste ihn mit meinem schmalen Mund an, wie ich davor noch nie gegrinst hatte. „Endlich!" schrie ich durch den ganzen Flur. Meine Eltern waren gerade dabei, die Kletterausrüstung einzupacken, als meine Mutter leise meinen Vater fragte: „Ist es denn wirklich eine gute Idee bei so einem Regen klettern zu gehen?" Ich ignorierte die Frage und machte mir nur Gedanken davon, dass ich vielleicht beim klettern hinter das Gebirge schauen konnte.

Nach einer halben Stunde Fahrt kamen wir an den riesigen Bergen an. Die Berge gingen so steil in die Höhe, dass man meinen könnte, sie wären wie eine Wand die unsere Welt mit dem Rest trennte. Mein Vater hielt den kleinen Wagen an und ich sprang aus dem Auto. Wir waren schon sehr dicht an den riesigen Bergen und als ich mich ganz nah an einen Felsen stellte schaute ich nach oben. Ich sah in ein endloses werdendes Nichts. Die grauen Regenwolken verschmolzen mit den eisigen Bergen. Ich fühlte mich eingeengt und klein. Klein wie eine Ameise. Meine Mutter merkte es und hielt mich fest an der Hand. Sie fragte noch, ob ich bereit dafür wäre und mein Vater erklärte wie man sich festschnallen sollte. Als sie alles vorbereitet hatten kletterte mein Vater zuerst, anschließend meine Mutter und ich als schüchterne hintendran. Ich merkte gar nicht, wie hoch wir schon waren, da ich mich nur auf das Klettern konzentriert hatte, als es plötzlich wieder anfing zu regnen. Ich spürte wie Milliarden von schweren dicken Tropfen sich auf meinen dünnen Körper schlugen und ich durch den dazukommenden Wind nach unten gedrückt wurde. Mein Vater schrie gegen den Wind an, dass wir so schnell wie möglich wieder runter klettern müssten! Doch meine Hände wurden eiskalt und ich spürte, dass mein Körper sich in eine feste Hülle schlang, die von außen niemand öffnen konnte. Ich hörte die Worte meines Vaters nicht mehr, meine Mutter wie sie schrie, alles verwandelte sich in ein regnerisches Geräusch, in einen dumpfen Ton. Ein Aufprall, noch einer und noch ein dritter. Ich spürte wie es nass und kalt an meinem Rücken, an meinen Beinen wurde. Wie mein Kopf plötzlich dröhnte, wie meine Augen probierten offen zu bleiben. Ich drehte mit letzter Kraft meinen Kopf in die Richtung vom Aufprall, sah meine Eltern reglos da liegen, Blut, kaminrotes Blut was sich mit dem Regen vermischte und wie Wasserfarbe über die Erde tanzte, ich wollte schreien, ich wollte sagen, dass ich sie liebe, doch das einzige was geschah war, dass ich bewusstlos wurde.

FreudenträneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt