Als erstes merke ich den unangenehmen Luftzug in meiner Nase von der Sauerstoffbrille. Dann die brennende Flüssigkeit, die in meinen Handrücken läuft. Doch am stärksten ist die Übelkeit, die Magensäure meine Speiseröhre hochsteigen lässt. Aber ich bin zu schwach, um meinen Kopf zur Seite zu drehen. Mein Atmen wird zu einem Röcheln und irgendwas fängt höllisch laut an zu piepen. Wenig später stürmt eine Pflegekraft in das Zimmer, erkennt die Situation und dreht meinen Kopf zur Seite, sodass mein Erbrochenes zumindest aus dem Mund laufen kann.“Ist gut, lass alles raus. Die Übelkeit lässt nach, sobald du abgestöpselt werden kannst.” Ich verstehe sie aber die Worte kommen nicht bis in mein Gehirn. Als ich aufhöre zu würgen und die junge Frau das Gefühl hat, ich sei fertig mit meiner Kotzerei, wischt sie mir mit einem Papiertuch liebevoll über die Lippen und lässt eine Nierenschale neben meinem Kopfkissen stehen. Sie geht auf die andere Seite des Bettes. “Ich lege dir ein Kissen in den Rücken, damit du etwas schräg liegst und falls es nochmal hochkommt, kannst du deinen Kopf einfacher drehen.” Sie kommt wieder auf die andere Bettseite. Erstmals öffne ich langsam meine schweren Augenlider und sehe sie an. Eine junge schlanke Frau. Ihre hellen Haare umrahmen ihr blasses Gesicht. Ihre Augen sind stark geschminkt und funkeln. “Wie geht es dir?” Könnte ich mich bewegen, hätte ich laut losgelacht. Bis auf den müden Punkt, dass ich überhaupt nicht wieder aufwachen wollte, geht es mir absolut dreckig. “Ruh dich noch etwas aus. Der Arzt schaut gleich auch nochmal nach dir.” Ich schließe meine Augen und horche ihren Schritten, wie sie sich immer weiter von mir entfernen. Ich bin so ein verdammter Versager, denke ich und versuche mich wieder auf den Rücken zu drehen, um wenigstens die Chance des Erstickens zu haben, aber das Kissen hält mich davon ab. Das regelmäßige Piepen neben mir macht mich nervös. Ich öffne meine Augen wieder und schaue an mir runter. Mein Körper ist unter einer dicken Decke verborgen, der rechte Arm liegt nackt daneben. Ich entdecke die Kanüle in meiner Hand und verfolge die Schlauch mit meinen Augen, bis ich über mir eine Glas- und eine größere Plastikflasche entdecke. Nur mit Mühe kann ich lesen, was drauf steht. Flüssigkeit und Flumazenil. Fuck!
“Was bitte machst du für eine Scheiße??” Die laute Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Eine Gänsehaut läuft mir über den gesamten Körper. Auch ohne dass ich die Tür von meiner Position aus sehen kann, weiß ich genau, wer dort steht und mich anschreit. Schwere Schritte kommen auf mich zu. Und dann taucht er vor mir auf. Sein Gesicht, das zwar feuerrot angelaufen ist und seine Augen, die mich wütend anstarren, wecken in mir eine unbändige Sehnsucht. Nun bereue ich es noch mehr, den ganzen Mist überlebt zu haben. Er fummelt an der Infusion rum und dreht an dem kleinen Rädchen. “Ich hatte Todesangst um dich, verdammt! Wieso machst du sowas? Und wieso in meinem Dienst?” Ich will ihn auch anschreien, aber selbst dazu bin ich zu schwach. “Du warst echt kritisch dran und hast meinen Kopf komplett durcheinander gebracht. Ich konnte die ganze Zeit nur noch an dich denken. Verdammt, ich war noch nie so wütend auf einen Menschen!!” Ich schließe die Augen. Hör auf, mich anzuschreien. Mein Herz zerbricht, bei jedem weiteren Wort. Mit einem Mal beginne ich lautlos zu weinen. Ich konnte doch nicht wissen, dass er im Dienst ist. Ich wusste auch nicht, dass ich in das Krankenhaus kommen würde, wo er arbeitet. Verdammt, ich hatte nichtmal damit gerechnet überhaupt in ein Krankenhaus zu kommen. Und jetzt liege ich hier, unfähig, ein Wort über meine Lippen zu bekommen, geschweige denn, mich zu bewegen. Der junge Mann kommt näher und hockt sich vor mich. Langsam, wie in Zeitlupe, streckt er seine Hand aus und wischt mir eine Träne von der Wange.
“Ich hatte wirklich Angst um dich”, flüstert er mit zitternder Stimme und sieht mich innig an. Sein gebrochenes Herz spiegelt sich in seinen Augen wider. Ich fühle gar nichts. Ich will ihn nicht hier haben. Ich will überhaupt nicht hier sein. Denn egal, wie viel Scheiße ich baue, egal wie detailliert ich meine Gedanken aufschreibe, es wird nie zu der Befriedigung kommen, die ich unbedingt brauche, nach der ich mich so sehr sehne.