Drei

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Mein Kopf schnellte zu meiner Mutter, diese war aber unbekümmert auf die Gäste zu gegangen.

"Ich heiße euch willkommen, Baroness. Ich hoffe die Reise war nicht zu beschwerlich?"

"Nicht doch, ich habe zu danken Eurer Einladung nachkommen zu können und besonders, wenn wir so einen Anlass haben."

Wieder sah sie zu mir.

Ich krallte meine Finger in die vielen Schichten an Röcken.

Ich war wirklich versucht eine Szene vor allen Dienern zu machen.

Doch ich drehte mich wortlos um und rannte förmlich hinein. Hinter mir verebbten die Worte. Ich hatte ein Ziel und dort würde ich meine Antworten erhalten!

Ohne anzuklopfen stoß ich die schwere Tür zum Arbeitszimmer auf, natürlich besahen mich überraschte Augen.

Vater war nicht alleine, Soren und Onkel Ivars waren bei ihm.

"Solltest du nicht -"

"Was soll das da draußen werden?!" Unterbrach ich Vater.

"Wir haben Besuch und du solltest dabei sein."

"Ich bin nicht blöd! Eine schöne Braut? Ehrlich?"

Die Männer tauschten Blicke aus. Dann sprach mein Bruder.

"Das sind die Baroness und ihr Sohn. Du weißt, dass unsere Grenze am Meer Gefahr droht zu fallen. Uns fehlen einfach die Anzahl der Männer. Wir haben viele Möglichkeiten abgewogen und entschieden eine Übereinkunft mit der Baroness zu machen."

"Ihr habt mich verkauft?" Krächzte es aus mir.

Sofort wurden sie unruhig.

"Nein!" Entgegnete Vater energisch. "So etwas würden wir nie tun. Aber du wirst irgendwann heiraten und wieso nicht jemanden den-"

"Wie viele?" Unterbrach ich ihn wieder.

"Wie bitte?"

"Wie viele Männer bin ich wert?"

"Liebes nein, so ist das nicht."

Tränen der Wut brannten in meinen Augen. Wie hatte sich Mutter so freuen können? Ich sollte einen wildfremden heiraten und sie freuten sich alle?

"Ich werde es nicht tun."

"Acelya bitte, lern ihn doch erst einmal kennen, ihr habt vieles gemeinsam, wir haben diese Wahl nicht blind getroffen."

Meine Hoffnung war Ivars, doch auch er hatte einen viel zu klugen und berechnenden Kopf auf den Schultern, genau wie mein Bruder. Der mich aus einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis ansah.

"Dann heiratet ihr ihn doch!" Schrie ich und stürmte hinaus.

Mein Ziel waren die Stallungen, am liebsten hätte ich die Röcke gegen Hosen getauscht. Jedoch würde ich Gefahr laufen meiner Mutter über den Weg zu laufen oder schlimmer Großmutter.

Also warf ich den schweren Sattel auf den schwarzen Hengst und schwang mich mühsam rauf.

Ich trieb den Armen so lange an bis er außer Atem war. Dann gestattete ich ihm langsamer zu werden.

Ungeschickt stieg ich ab, der rote Saum verfing sich in einer Schnalle und fluchend riss ich dran. Das Kleid war ruiniert und dies freute mich.

Ich versuchte so gut es ging alle Spangen aus meinem Haar zu fischen, damit meine schweren Locken wieder ihre Freiheit hatten.

Wie weit war ich nur geritten?

Langsam schlenderte ich herum und versuchte festzustellen wo genau ich war. Dann roch ich es.

Salzige Luft. Ich war dicht am Meer. Bald würde sich der Wald lichten und ich würde die Weite des blauen Gewässers erblicken.

Also ging ich weiter.

Doch bevor ich ankam, stand ich mitten in einem recht überachaubaren Dorf. Jetzt wünschte ich mir wirklich das Kleid getauscht zu haben.

Ich stach heraus.

Es schien mir nicht wie ein einfaches Fischersdorf, das Gasthaus war zu groß und es gab zu viele Hütten für Händler. Das war ein Dorf für Reisende, Leute die Sachen gegen Geld tauschen um im Idealfall es direkt für Alkohol und Kartenspiele auszugeben.

Dann bemerkte ich die sehr leicht bekleidete Frauen, natürlich das durfte selbstverständlich auch nicht fehlen.

Mein Blick wurde von etwas glitzernden auf dem Boden vor mir abgelenkt.

Ich ging in die Hocke um es besser betrachten zu können. Es war eine goldene Brosche, mit einem roten, glasigen Stein.

Der war nicht echt.

"Hab ich dich beim stehlen erwischt."

Ein Schatten fiel über mich und zwei Paar dreckige Stiefel standen direkt vor mir.

Ich sah hoch.

"Wie bitte?"

"Du hast schon richtig gehört, Elster. Gib mir mein Eigentum zurück."

Jetzt begann es in mir zu brodeln.

Mit einem Ruck schoss ich in die Höhe, immer noch einen ganzen Kopf kleiner als er.

Doch mir war es egal, seine grauen Augen bohrten sich in meine.

"Für wen haltet Ihr euch eigentlich mich so zu nennen? Ich habe dies gefunden, es lag auf dem Boden, herrenlos!"

"Für wen ich mich halte?" Schnaubte er und ließ seinen Blick an mir herab wandern. Ich musste für ihn aussehen wie eines der käuflichen Mädchen.

Dabei hatte sein Hemd eine gräuliche Farbe angenommen und auch der Lerdermantel sah abgetragen aus.

Es wunderte mich nicht im geringsten, dass er versuchte mit falschen Steinen zu handeln.

"Ihr werdet sowieso kaum etwas hier für erhalten, der ist wertlos."

Damit legte ich ihm die Brosche in die fordernde Hand.

"Nichts ist wertlos."

Dann drehte er sich um.

Ich sah ihm nach. Sein rechtes Bein hinkte leicht, als würde er es meiden volles Gewicht darauf zu verlagern.

Generell hatte er etwas verwegenes gehabt. Das unrasierte Gesicht mit den Stopeln, das dunkelblonde Haar, welches er einfach nach hinten gekämmt hatte.

Dann bog er zielsicher in eines der Häuser. Nun war ich einfach neugierig und wollte sehen, dass ich recht behalten sollte.

Möglichst unbedacht schlenderte ich in Richtung des Hauses. Im Gegensatz zu den anderen konnte man dort durch das große Fenster nicht hinein sehen. Wegen des ganzen Drecks war es schier unmöglich.

Also öffnete ich vorsichtig die Tür.

"Ich bitte dich, habe ich dich je übers Ohr gehauen?" Das war die Stimme des jungen Mannes.

Unauffällig sah ich kurz rüber zum Tresen. Ein kräftiger Mann stand dahinter, mit einem Vollbart, der sein halbes Gesicht versteckte.

"Muss ich dich an deine letzte Ringsammlung erinnern? Und das ist erst der Anfang."

"Muss ich dich erinnern, dass du jedes Teil unter den Mann bringst?"

"Treib Es nicht zu weit! Du kannst von Glück sprechen, dass ich alles noch verkauft bekommen habe!"

Der Bulle hatte sich bedrohlich herüber gebeugt. Mein Blick wanderte über die Ware zwischen den beiden, zumindest auf das was aus dem Beutel gefallen war.

Unter den Dingen lag auch die Brosche.

"Schau dir nur diesen billigen Stein an, da war noch nicht mal ein geschickter Fälscher dran."

"Ich nehme ihn!"









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