Sechs

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Zu meinem größten Unglück hieß die Baroness an, ihren Sohn neben mich zu setzten, wie eine Puppe folgte er ihrer Aufforderung.

Hilfesuchend sah ich zu meinem Bruder, doch dieser zuckte nur mit den Schultern, um zu symbolisieren, dass er da nichts tun konnte.

"Wo sind denn Eure zwei anderen Kinder?" Ich sah wie die Frau sich verstohlen umsah. 

"Thea und Miljen werden kein Vergnügen an unserem heutigen formellen Treffen finden, sie sind noch jung."

Die hatten aber auch ein Glück, stand auf allen Gesichtern, der nun Anwesenden. Nur Matheos Gesicht war nicht zu lesen. 

Die Suppe wurde serviert. Angestrengt überlegte ich, ob ich meinen Sitznachbarn etwas fragen könnte, doch mir viel nicht wirklich was ein. 

"Ich hörte Ihr reitet viel." Übernahm seine Mutter das Wort.

"Ja, ich genieße die Freiheit, die sich mir dadurch bietet. Reitet Ihr auch?" Meine Frage war an den jungen Mann gerichtet.

"Nein, Matheo reitet nicht, aber Ihr sollt auch gut mit Pfeil und Bogen sein." 

Langsam störte es mich, dass sie immer das Wort übernahm.

"Ja, ich bin genauso ausgezeichnet damit, wie mit der Führung des Schwertes, ich habe die Herren schon einige male bei den Jagdveranstaltungen begleitet. Jagd Ihr denn?"

"Oh nein, er schießt nicht. Aber was ist mit den wichtigen Beschäftigungen wie, lesen, malen, sticken? Singt Ihr oder spielt Ihr ein bestimmtes Instrument?"

Ein weiteres Mal ließ ich den Löffel sinken. Von der Suppe hatte ich noch nicht einen Schluck genommen. 

"Für diese feinen Arbeiten fehlt mir einfach die Geduld und jegliches Talent. Bevor Ihr fragt, nein, ich vertiefe mich auch nicht in Bücher, dafür habe ich auch nicht genügend Fantasy."

Den letzten Teil fügte ich hinzu, weil ich schon an ihrem Gesicht erahnen konnte was sie als nächstes fragte. Ihr gefiel die Vorstellung einfach nicht, dass ich nun mal nicht wie die feinen edlen Damen war. Meine Kindheit hatte ich mit Soren und Amir verbracht, wir kletterten auf Bäume und suhlten uns im Dreck. Später war ich die meiste Zeit bei den Soldaten auf dem Trainingsfeld. 

Thea war mit ihren fünfzehn Jahren, mir bei weitem Voraus was die klassische Bildung der jungen Damen anging. Ich erschauderte, Großmutter nannte es immer so, mit neun entdeckte meine Schwester ihr Talent für das Singen und mit zwölf konnte sie alles andere. Ich war dankbar für Thea, denn so war Großmutter mit ihr beschäftigt.

Lady Manon schürzte ihre Lippen. 

"Ihr müsst wissen Matheo ließt sehr gerne, was blieb ihm denn groß übrig, der arme Junge hatte über die Jahre so viele Leiden. Er wäre gewiss ein großartiger Jäger geworden, doch leider hatte das Schicksal anders entschieden."

Alle am Tisch schienen diese Geschichte schon zu kennen.

Die Suppe wurde abgeräumt ohne, dass ich sie einmal probieren konnte. Die Baroness hingegen schien es perfektioniert zu haben, zu essen und zu sprechen, vielleicht sprach sie aber auch so viel um eben nicht zu viel Nahrung zu sich zunehmen.

Beim nächsten Gang spürte ich meinen Magen, ich hatte den ganzen Tag noch nicht gegessen. Doch wieder machte sie mir einen Strich durch die Rechnung.

"Nun denn, ich denke ihr beiden bekommt euch dennoch gut beschäftigt. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als Enkel und ich bin mir sicher Ihre verehrten Eltern werden mir beipflichten."

Ich hatte vorgehabt etwas zu trinken, doch bei dem Wort Enkel verschluckte ich mich so sehr, dass mir vom Husten die Tränen kamen. Zora neben mir klopfte behutsam auf meinen Rücken.

Während Mutter dabei war ausweichend zu erklären, dass dies nicht unbedingt ihr erster und sehnlichster Wunsch war, nutzte ich die Gelegenheit Zora zuzuflüstern.

"Das hat sie nicht wirklich gesagt, oder?"

"Keine Sorge, sieh dir das Gesicht von Jared an. Ich glaube er ist der erste, der ihn umbringt, dicht gefolgt von den Beiden anderen."

Ich sah zu meinem Vater. Dieser Besuch kostete ihn seine gesamte Beherrschung, dann wanderte mein Blick zu Ivars und Soren auch diese waren alles andere als begeistert.

"Die Beiden sind noch jung und außerdem sollten wir auch erst einmal die Verlobung und dann die Vermählung als Ziel haben." Ich wusste nicht wie Mutter es schaffte, sie blieb ruhig und schaffte es noch mit Engelsstimme zu sprechen.

"Oh ganz sicher, nach der Vermählung werde ich meine Truppen veranlassen Eure Grenzen zu verstärken."

Meine Augen suchten sofort die von Soren. Das war nicht der Plan, es hatte doch nie zu einer Vermählung kommen sollen.

"Verzeiht, aber die Vereinbarung sah anders aus." Warf mein Bruder ein.

Süffisant lächelte die Dame. "Wie soll ich meinen Männern erklären für ein anderes Land zu kämpfen ohne eine schon bestehende Verbindung?"

Meine Hände unter dem Tisch bebten. 

Diese verdammte Hexe! Was fiel ihr ein?! 

Ivars unterbrach meinen Bruder, der schon den Mund aufgemacht hatte.

"Dies ist ein Thema welches wir nicht am Tisch besprechen sollten. 

"Ich kann meinem Bruder nur beipflichten. Lasst uns zu ende speisen und dann lasse ich Euch auf Eure Zimmer bringen. Die Reise war lang und Ihr seid sicher erschöpft." Beendete Mutter das Thema.

Schweigend aßen wir weiter. Matheo neben mir sagte kein Wort, langsam vermutete ich, dass er stumm war und es vor uns verheimlicht wurde. Ich wurde nichts mehr gefragt, was womöglich besser war.

Nach dem Dessert verabschiedete sich die Baroness mit ihrem Sohn. Kaum war die Tür zu und ich es schaffte bis zehn zu zählen, platzte es aus mir heraus.

"Niemals! Im Leben nicht!"

"Verdammt! Für wen hält sie sich?!" Soren stimmte in meinen Protest ein.

"Sie hat nicht ganz unrecht. Derzeit steht es für sie in keinem Interesse uns zu helfen. Es wäre ja auch nur auf Zeit und danach können wir immer noch alles für nichtig erklären." Onkel Ivras trieb mich zu Weißglut.

"Nein! Ich heirate ihn nicht! Was denkst du kommt dann? Sie wird für ihre Hilfe einen Enkel verlangen! Wer weiß, vielleicht stellt sie uns nur den halben Trupp zur Verfügung bis ich gebäre." Bei dem Wort wurde mir ganz anders. Ich hatte mir nie Gedanken über Kinder gemacht, dafür fühlte ich mich aber auch zu jung, zudem wusste ich einfach nicht, ob ich die Geduld für ein Kind aufbringen könnte.

"So für heute reicht es, es wird nicht zu irgendwelchen Enkeln kommen. Wir gehen nun auch alle zu Bett und schlafen uns einmal ordentlich aus." Dabei sah Mutter zu den drei Männern.

Vaters Unterkiefer war angespannt, er tobte innerlich vor Wut. Mutter würde ihre Mühe haben ihn zu beruhigen sobald sie nur noch zu zweit waren.

Ich ging noch ein Stück mit Zora, bis sich unsere Wege bei einem Gang trennten.

In meinem Zimmer half mir Grete mit dem entkleiden und machte alles fertig zum Schlafen ehe sie sich verabschiedete. 

Prish kam herein geflogen, an einem seiner Füße hing ein kleiner Zettel. Er war in einer sehr hastigen, schnellen Schrift.

Unsere Trainingseinheiten entfallen. Ich werde bei den Neulingen gebraucht, morgenfrüh brechen wir auf. Noel

Immer wieder überflog ich die Worte. Nichts machte gerade Sinn, doch ein Gedanke drängte sich mehr und mehr in den Vordergrund. Alles nur nicht diesen Mann heiraten. 

Ich wollte meine Freiheit.











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