Präsenz

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Ronja. Jeden Tag verliebe ich mich ein kleines Stück mehr in sie. Wie sie dort sitzt und ganz still auf ihrem Tisch zeichnet. Der Tisch, den sie schon zu oft in der Pause putzen musste, weil er schon so voll war. Ich liebe es, dass es sie nicht kümmert, was um sie herum geschieht. Sie sieht auf die anderen herab, aber im positiven Sinne, falls das möglich ist. Sie darf das. Ich weiß nicht einmal, ob sie wirklich ein Mensch ist. Jedes Mal, wenn ich ihre wunderschöne Präsenz erblicke, raubt sie mir den Atem. Und wenn ich nur an sie denke, verliebe ich mich noch ein wenig hoffnungsloser in dieses Mädchen.

Manchmal, da blickt sie auf, um dem Lehrer ihre milde Aufmerksamkeit zu zeigen. Dann schaue ich sie an und sehe wie tief doch ihre Seele geht. So tief wie die Wunden verteilt über ihrem Körper, den man nur im Sportunterricht wirklich sieht. So tief wie die Erde fällt, wenn ich in ihre Augen blicke. So tief wie meine Liebe zu ihr. So tief wie ihre dunkelsten Tage, denn genau das ist es, was sie so tief scheinen lässt. 

Immer in den langen Pausen, da lächele ich sie an, während sie ihren mit Chaosgedanken gefülltem Kopf zu der Musik wippt. Die Musik, die ich manchmal leicht vernehmen konnte, wenn ich nur nah genug stand. Denn sie hört ihre vertraut-traurigen Lieder auf voller Lautstärke, um ja keine Stimme aus der Umgebung von all den Idioten, die nichts von unserer speziellen Bindung verstehen, durchdringen zulassen. Wenn sie eben genau bei solchen Momenten leicht ihren Kopf nach hier und da neigt, dann fällt öfters eine Strähne, die sie fest hinter ihre Ohren gestrichen hatte, in ihr Gesicht. Kurz macht sie eine Grimasse, bevor sie die Strähne schnell wieder dorthin verstaut. Sie sieht so normal aus. So zufrieden. Jedes Mal, wenn ich diese Situation beobachten kann, wünschte ich sie wäre immer so. Wie wenig doch fehlte, um sie Glück spüren zu lassen.

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