Kapitel 4

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Ein Blick nach rechts, seine Mine begann augenblicklich zu versteinern. Als würden an seinem Gewissen einige Momente vorbeiziehen, als er im Büro des Chiefs beinahe erstarrte. Nicht nur habe sich im gesamten Gebäude die Stimmung gewandelt, auch dieser Ort, der einst mit solch Leben gefüllt war, habe sich seinem Willen und den Idealen seiner Arbeit einverleibt. Alles, jedes Bild an der Wand, jeder einfach-gehaltene Stuhl diente einem Zweck - dem der Einschüchterung. Die Menschen, die hier hinkommen, wären wohl am wahrscheinlichsten dazu angehalten, sich einer Tat oder einer Lüge zu stellen. Die zahlreichen abgearbeiteten Zettel auf dem Schreibtisch im Zentrum des Raumes bestätigten diese Annahme. Es endet dort die Menschlichkeit, wo das Kalkül beginnt. 

"Mr. Strange, kommen Sie doch bitte herein. Ich habe Sie bereits in Spannung erwartet." ertönte die Stimme des Chiefs. Er richtete seine Aufmerksamkeit dem Mann, der ihm mit einem sichtlich angetanem Blick entgegnete. Ihm saß ein ebenfalls in die Jahre gekommener Mann entgegen, erkennbar an seinem ergrauten Kurzhaarschnitt und seinem langen Schnurrbart, welcher durch die wohl-gepflegte Uniform mit den demonstrativen Abzeichen eher sogar in den Hintergrund gerückt wird. Seine grau-grünen Augen wirkten wie Messer, die jedem Menschen die Kehle unentbehrlich aufschlitzen, die gegen ihm arbeiten. Der Professor schaute entgegnete diesen Augen mit ähnlicher Mentalität, wollte überhaupt nicht mehr daran denken, jetzt noch zu gehen, trat in die Mitte des Raumes auf dem breit ausgelegten Teppich aus Kaschmirseide, der über die Hälfte des Bodens bedeckt. "Mr. Woodward, Sie sind nun angehalten, zu gehen. Ich möchte mich mit meinem Partner aus alten Tagen erstmal alleine unterhalten, bevor wir zum Tatverdächtigen gehen." Der Officer nickte unauffällig, ging lautlos aus der Tür, schloss sie mit einem leichten Schubs zu. Keiner musterte sich, es blieb die Stille, in jener sie für wenige Minuten nichts außer Regungslosigkeiten austauschten. Beide wussten, was sie dachten, und wussten, wie sie sich verkaufen können. Dass es ein Gespräch auf maximal platonischer Ebene werden würde, war dem Professor ebenso klar, wie sein Wunsch, es so kurz wie möglich zu führen, doch hatte er mit einer derartigen Anspannung nicht gerechnet. Sein Blick wendete sich auf den Zeiger der übergroßen, weißen Wanduhr, welche weit über den Schreibtisch befestigt war. 17:39Uhr. Die Zeit schien hier bedeutend schneller zu vergehen, dachte sich der Professor. "Manchmal", schallte eine Stimme, "wäre es besser, wenn sich meine Zeugen setzen würden, anstatt unverschämt die tickenden Zeiger meiner Uhr zu betrachten." Die Augen des Professors schossen sekündlich zurück zu denen des Chiefs. "Entschuldigung", entgegnete er, "jedoch habe ich Ihre Bitte mich zu setzen nicht vernommen." Sein Gesicht durchstreift ein verstecktes Grinsen, dass dem Chief spüren lassen sollte, dass er verloren hat. "Darf ich?" ergänzte er. 

Ein schwerer Atemzug des Chiefs klang auf, der mit einem stimmenden Räuspern fortgeführt wurde. Es wäre wohl ein Talent gewesen, seine tiefe Verbissenheit dem Professor gegenüber in diesen Momenten nicht wahrzunehmen, ebenso wie die fehlende Ruhe ihm gegenüber. Alles schien, als würde er daran scheitern, die Überhand über das Gespräch zu gewinnen. Abgeklärt streckte er seine rechte Hand aus, richtete sie auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. "Na schön, bitte setzen Sie sich." befahl er, während er sich sichtlich abregte und konzentriert blieb. "Mr. Strange. Ich habe Sie heute Abend hier hergeholt, um mit Ihnen über einen meiner Fälle zu reden. Ich bin mir sicher, dass Sie uns dort weiterhelfen können. Genauer gesagt geht es um Ethan Murkhoff, der vergangene Woche laut einiger Zeugenaussagen drei Morde verübt haben soll. Über unsere Akten haben wir herausgefunden, dass er bei Ihnen seit knapp einem Jahr in Therapie sein soll, stimmt dies?" fragte der Chief. "Tatsächlich. Ethan kam damals zu mir, nachdem er frisch aus der stationären Therapie entlassen wurde." antwortete er ihm. "Beschreiben Sie Mr. Murkhoff bitte etwas genauer, was hat er in den Gesprächen alles gesagt?" Der Professor horchte auf, seinen Blick nun für kurze Zeit nachdenklich an die Decke des Büros wendend. "Detective Strahm, ich denke nicht, dass ich Ihnen hier streng vertrauliche Daten und Erlebnisse einer meiner Patienten anvertraue." "Das dürfte kein Problem sein. Es gibt einen richterlichen Beschluss, sodass wir uns alle nötigen Informationen zur Fallbeschreibung mit einverleiben können." konterte er. "Das, Mr. Strahm, dürfte ethisch verwerflich sein, sobald Sie etwas von Ethik verstehen." Der trügerische Schein von Höflichkeit hinter aller Eitelkeit nervte dem Professor zunehmend. "Es dürfte wohl von großer Bedeutung sein, wenn Sie uns in diesem Fall unterstützen könnten. Ich weiß, dass Sie ebenso wie ich nur das beste für Ihren Patienten wollen." fügte der Chief an, um ihn zu besänftigen. "Verstehen Sie etwas von Ethik?" fragte er, währenddessen der Chief einen leisen Blick in Richtung der Unterlage seines Schreibtisches wagte. "Ich habe nicht die Zeit, mit Ihnen über Ethik zu philosophieren. Bitte fahren Sie fort mit Ihren Beschreibungen, andernfalls kann ich Ihnen genauso gut die Staatsanwaltschaft auf den Hals hängen lassen." Es war eine kahle Unterlage, die sich auf dem Schreibtisch befand. Wo sonst die Bilder einer bezaubernden Ehefrau oder eines vaterstolzen Sohnes zu sehen waren, war nichts - was hätte er sonst also darauf antworten sollen... 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 30, 2022 ⏰

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