Vergangenheit

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Zurück im Hauptquartier machte ich mich auf den Weg zum Büro meines Chefs. Wie immer erwartete er einen Bericht. Inzwischen hatte ich mein Kleid gegen unsere schwarze Uniform getauscht, jedoch ohne der Schutzweste. Ich hielt mich nicht lange damit auf zu klopfen sondern ging einfach durch die hohe Eichenholztür. Mein Chef riss erbost den Kopf hoch und knallte den Hörer des Telefons auf die Anlage. Anscheinend war das Gespräch nicht wichtig.
„Wie immer keine Manieren", begrüßte mich Jackson.
„Ich fürchte das wird sich nicht mehr ändern", erwiderte ich nüchtern.
Seine Nasenflügel blähten sich doch er zwang die Wut hinunter und lehnte sich in dem Sessel aus rotem Leder zurück. „Was gibt es zu berichten?"
„Die Zielperson ist ausgeschaltet. Es gab keine Zeugen und keine Schwierigkeiten. Alles lief nach Plan", erklärte ich kurz die Mission.
Jackson nickte und erfasste mich dann mit einem kühlen Blick. Sein faltiges Gesicht war wie immer ernst und distanziert. Obwohl er erst Mitte fünfzig sein konnte hatte er schon graue Haare. „Die Arbeit scheint dir tatsächlich gut zu tun. Unter diesen Bedingungen kannst du weitermachen."
Er spielte auf die kürzliche Trennung von meinem Freund an. Normalerweise wurden wir in einer emotional unstabilen Lage freigestellt, zur Sicherheit und den Job nicht zu vermasseln. Doch das hatte ich abgelehnt. Die Arbeit lenkte mich ab, brachte mich auf andere Gedanken. „Wie ich sagte."
Mein Chef schnappte sich einen Kugelschreiber von seinem Schreibtisch aus Mahagoni und begann damit zu klicken. Ich musste mich zusammenreißen um nicht die Augen zu verdrehen.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt drehte ich mich um und ging auf die Tür zu.
„Der nächste Auftrag steht bereit. Hol ihn dir von deinem Einsatzleiter ab", rief mir Jackson noch hinterher, bevor ich die Tür zuknallte. Lautes Fluchen drang aus dem Raum, den ich gerade verlassen hatte.
Der Boden des Flurs war mit weißem Marmor gepflastert der das Licht der kristallenen Kronleuchter spiegelte. Die Schritte meiner schweren Stiefel hallten von den hohen mit Holz vertäfelten Wände wieder. Ich hasste diesen alten Einrichtungsstil. Unsere ganze Ausstattung war modern und auf dem neusten Stand, die Uniformen, die Technik. Warum konnte man dann das Hauptquartier nicht renovieren? Natürlich, es war in einem top Zustand aber nicht mehr zeitgemäß.
Dank Jackson drängten sich mir jetzt wieder die Erinnerungen an meinen Ex-Freund, Jesper, auf. Bis jetzt hatte ich sie gut verdrängen können. Doch es war erst eine Woche her. Unsere Beziehung war stets ausgeglichen und harmonisch gewesen. Doch eines Tages hatte Jesper gemeint ich hätte zu viele Geheimnisse vor ihm und er könnte nicht mit einem verschlossenem Buch zusammenleben. Ich hatte ihm natürlich nicht von meiner Arbeit erzählen können, das war mir verboten. Etwas in mir hatte gespürt, dass das nicht alles war. Also war ich den Ganzen auf den Grund gegangen und in seinem Handy tatsächlich den Beweis gefunden, dass er mich betrogen hatte. Ich war ausgerastet vor Wut und hatte sein Handy an der Wand zerschmettert. Doch auch das hatte er auf meine Verschlossenheit geschoben. Dieser Arsch. Ich hatte ihn kurzer Hand aus meiner Wohnung geworfen und da war es dann vorbei gewesen. Ich war in Tränen ausgebrochen, aber nicht aus Trauer oder Schmerz, sondern vor Wut, weil ich so blind gewesen war es nicht zu merken. Am liebsten hätte ich mein Messer aus meinem Gürtel gezogen und es Jesper in den Rücken gerammt. Wenn er von meinem Job gewusst hätte wäre er bestimmt nicht zurückgekommen, um seine restlichen Sachen zu holen, die ich ihm schon vor die Tür geworfen hatte.
Geblendet von den Erinnerungen bemerkte ich erst, dass mir jemand entgegenkam, als wir mit der Schulter aneinanderprallten. Meine Reflexe übernahmen die Kontrolle. Ich packte den Arm meines Gegenüber und drehte ihn schmerzhaft auf seinen Rücken. Erst als er ächzte und jammerte bemerkte ich, dass es Quentin war. Mein Technikfreak wie ich ihn immer nannte. Er war für meine Ausrüstung zuständig. Ja, nur für meine. Er war mir untergeordnet. Schnaubend ließ ich sein Handgelenk los.
Quin blickte mich verängstigt aus braunen Augen an. „Was soll das?"
„Du warst mir im Weg", schnauzte ich ihn an. Quin war nur ein Jahr jünger als ich, also zwanzig. Er war vor vier Jahren in mein Team gekommen. Um bei unserem Geheimdienst arbeiten zu dürfen brauchte man keine Ausbildung oder Studium oder sowas. Es zählte nur das Talent. Hier arbeiteten nur Hochbegabte, wie auch Quentin einer war.
Dieser zuckte bei meinem scharfen Ton zurück.
Ich ließ ihn stehen und setzte meinen Weg zum Einsatzleiter fort.

His SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt