Kapitel 16

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(Überarbeitet)

Mr.Barnes fragt weiter, wer ein Instrument spielen kann und wer nicht. Ich schaue nach Adam, in der Erwartung, dass er sich auch meldet, was er jedoch nicht tut.

„Adam, warum meldest du dich nicht?", frage ich verwirrt, denn ich habe ja selbst gehört, wie toll er spielt. Es ist wirklich etwas, dass man nicht vor dem Rest der Welt verstecken darf.
„Ich spiel nicht", sagt Adam und sieht mich eindringlich an. Dann beugt er sich zu mir und flüstert mir leise und beinahe noch eindringlicher als sein Blick ins Ohr.
„Ich erzähle es dir auf dem Nachhauseweg. Aber offiziell spiele ich weder Gitarre, noch kann ich singen." Ich nicke nur,doch verstehen tu ich es trotzdem nicht.
Nach Musik bin ich zwar noch immer vollgepumpt mit Glückshormonen, aber langsam weichen diese wieder der Panik, die sich auch vorher schon in mir breitgemacht hat.

Ich mache mich auf den Weg zur Schwimmhalle. Fertig umgezogen warte ich dann am Beckenrand, bis das Training beginnt.
Als ich sehe, wer das Schwimmteam trainiert, trifft mich der Schlag. Coach Baker, den ich auch schon in Sport habe und der besser beim Militär oder in einem Boot Camp, als in einer Schule angestellt wäre.
„Also liebe Schüler. Die Geschichte dieses Schwimmteams ist von zahlreichen Erfolgen gekrönt, was auch so bleiben soll. Wer hier mit schwimmt, hat große Chancen es später noch was als Schwimmer zu bringen. Ich werde aus diesen Gründen nur wenige ins Team lassen und wer mich kennt weiß, dass ich mehr als nur kritisch bewerte. Ich werde eure Zeiten auf verschiedenen Strecken testen und mir dann noch ansehen, wie gut eure Technik ist. Gebt alles, wobei ich bei den meisten Zweifel habe, ob selbst das genug ist." Mit einem weiteren abschätzenden Blick, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er besonders lange bei mir hängen blieb, drehte er sich um.
Na super. So lange wie ich nicht mehr trainiert habe, kann ich auch gleich wieder gehen. Aber dann fällt mir ein, wie stolz meine Eltern immer waren, wenn ich Medaillen gewonnen habe. Ich sehe ihre stolzen Gesichter vor mir, als ich auf dem Startblock stehe.  100 Meter Freistil, meine Lieblingsdisziplin. Ich schwöre mir, mehr als alles zu geben, um meine Eltern weiterhin stolz machen zu können. Wenn sie es denn sehen sollten, von wo auch immer sie sich gerade befinden.Dann werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als der Coach mich aufruft.
Entschlossen, alles zu geben, steige ich auf den Startblock und warte auf mein Signal.
Ich springe ins Becken und merke nur noch wie das Wasser an mir vorbei zieht. Wie habe ich dieses Gefühl vermisst! Endlich habe ich das Gefühl, wieder die Kontrolle über alles zu haben. Mit schnellen, kraftvollen Zügen pflüge ich schon fast durchs Wasser. Am Ende der 100 Meter tauche ich nach Luft schnappend auf. Ich sehe mich um und erkenne erleichtert, dass ich als erste angekommen bin. Ich schaue zu Coach Baker und glaube auf seinem Gesicht einen anerkennenden Zug erkennen zu können.
Stolz wuchte ich mich aus dem Wasser und trinke erst mal einen Schluck. Dann setzte ich mich auf die Bank und dehne mich ein wenig, bis Coach Baker mich erneut aufruft.
„Nun möchte ich eure Ausdauer testen. 16 Bahnen Freistil. Ich stoppe wie eben die Zeit. Gebt wie immer mindestens 110%."
Wieder springe ich ins Wasser. Langstrecken konnte ich noch nie sonderlich gut, doch durch mein regelmäßiges joggen ist meine Kondition etwas besser geworden.
Ich werde ziemlich nervös als die Mädchen auf den benachbarten Bahnen mich überholen, doch ich ändere mein Tempo nicht. Ich vertraue darauf, dass sie ihr Können und ihre Ausdauer überschätzen. In gleichmäßigen Zügen schwimme ich Bahn für Bahn. Als mir nur noch 4 Bahnen bleiben, lege ich an Tempo zu. Ich merke zwar, wie meine Muskeln langsam anfangen zu streiken, doch ich zwinge sie noch ein wenig durchzuhalten. Als ich bei meiner letzten Wende angekommen bin, muss ich noch immer ein Mädchen überholen. Mir bleiben noch ganze 25 Meter, um das zu schaffen. Ich treibe meinen Körper zu Höchstleistungen an. Ich höre auf zu Atmen, damit ich schneller bin. Meine Lunge rebelliert, aber ich kann jetzt nicht atmen, das würde mich bremsen.
10 Meter. Ich gebe nochmal richtig Gas und bin ca. 5 Meter vor dem Ziel auf gleicher Höhe mit ihr. Ich schlage an und schieße aus dem Wasser heraus.  Gierig ziehe ich den Sauerstoff ein, den ich während der letzten Bahn nicht bekommen habe.
„Das war wohl ein Fotofinish! Aber ich war natürlich vorbereitet. Lauren hat mit noch nicht mal einer Sekunde Vorsprung gewonnen!"
„Yes!", schreie ich und recke meine Faust nach oben.
Ich habe noch mal ein wenig Zeit um ich auszuruhen, die ich auch wirklich brauche.
„Ich habe mir eure Technik schon während der letzten Runden ansehen können und habe mich entschieden," verkündet Coach Baker nun und hat sofort unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.
„Meine erste Wahl ist, Trommelwirbel, Lauren Carter! Lauren, du hast zwei von zwei Runden gewonnen. Was auch unsere liebe Cindy geschafft hat. Jedoch ist Cindys Technik schlampig, was man von Laurens jedoch nicht sagen kann. Nehm dir ein Beispiel an Ihr Cindy."
Innerlich triumphiere ich, aber ich bin keine Angeberin und deshalb bleibt es auch bei innerlich.„Die, deren Namen ich schon genannt habe, können gehen und sich umziehen. Wir treffen uns morgen zum ersten offiziellen Training, gleicher Ort, gleiche Zeit."
Cindy und ich stehen auf und gehen uns umziehen.
Ich komme gerade, lediglich in ein Handtuch gewickelt, aus der Dusche, als Cindy mit einem Killerblick vor mir steht.
„Ich bin schon letztes Jahr in diesem Team gewesen. Ich war die Beste und glaube mir, du wirst mir diesen Posten garantiert nicht einfach so vor der Nase wegschnappen. Also ich warne dich und das werde ich auch nur dieses eine Mal tun. Drängst du dich auf meinen Posten, erkläre ich dir den Krieg," zischt sie mir zwischen zusammengebissenen Zähnen zu.
„Gut, dann werde ich, dir mal was erzählen. Ich bin in diesem Team, um zu schwimmen. Wenn ich besser bin als du, liegt das nicht an mir, sondern an deiner schlechten Technik. Ich hatte nie vor, das alles in einen Konkurrenzkampf ausarten zu lassen, deshalb biete ich dir gerne an, dir zu zeigen wie du deine Technik verbessern kannst," entgegne ich ihr gelangweilt. Darauf habe ich echt keine Lust. Dieser Tag ist bis jetzt wunderbar gelaufen und ich habe keine Lust, dass sich das ändert. Da sie scheinbar nicht mit einer solchen Antwort nicht gerechnet hat, nutze ich den Moment ihrer Verwirrung, um mich an ihr vorbeizudrücken. Ich gehe zu meiner Tasche und ziehe mich schnell um.
Nach diesem, wie ich finde, extrem langen Tag gehe auf direktem Weg nachhause. Währendessen hole ich meine Kopfhörer heraus und höre Musik.
Plötzlich schlingt jemand seine Arme um mich. Ich schreie auf, kann mich nicht bewegen. Ich versuche irgendwie zu erkennen wer mich festhält und wie ich mich befreien kann, wenn es irgendein Pädophiler ist. Bei meinem unkontrollierten Herumgezappel, rutscht mir ein Kopfhörer heraus.
„Hey Kleines, hör auf so um dich zu treten! Wenn du mich mit deinen kleinen Füßen kastrierst wirst du es früher der später sehr bereuen," flüstert mir mein Angreifer ins Ohr.
„Adam, lass mich bitte los," fordere ich ihn ruhig auf.
„Ich habe mit weiteren Schlägen und/oder Tritten gerechnet. Was ist denn mit dir los?"
„Na ja, ich bin die neue Favoritin von Coach Baker!," kreische ich und springe ohne darüber nachzudenken in Adams Arme. Etwas erschrocken hält er mich fest.
„Herzlichen Glückwunsch!," gratuliert mir Adam.
Als ich mich wieder von ihm löse, bin ich auf einmal verwirrt.
„Was machst du eigentlich noch hier? Hattest du nicht schon nach Musik aus?"
„Hatte ich, aber ich wollte auf dich warten. Hätte ja sein können, dass du den Weg nicht mehr findest...," schmunzelt Adam.
„Apropos Musik. Du musst mit da noch etwas erklären..."
„Na super. Ich habe gehofft, dass du es vergessen hast."
„Ich vergesse nie irgendetwas."
„Merk ich mir. Also, mein Vater hat mir das Gitarre spielen beigebracht. Wir haben nie wirklich viel geteilt, er hat immer eher was mit meinem Bruder gemacht. Aber er wollte unbedingt wenigstens einen musikalischen Sohn haben. Da James aber in dieser Hinsicht vollkommen unbegabt war, hat mein Vater mich dazu auserkoren. Er hat viel Zeit darauf verwendet mit mir zu üben und zu spielen und das hat uns irgendwie, wenigstens ein bisschen näher gebracht. Wir haben sogar ein paar kleine Auftritte gehabt. Na ja, wenn ich jetzt vor Leuten spiele fühlt sich das so falsch an, dass ich es nicht tun kann. Ich spiele nur wenn mich keiner hört."
„Das verstehe ich. Sehr gut sogar. Das Lied heute, war das Lieblingslied einer Mutter. Wir haben es früher immer zusammen gespielt und gesungen."
„Das erklärt auch deine Emotionen. Weißt du, für dich könnte ich vielleicht sogar eine Ausnahme machen. Du verstehst mich wie keiner sonst. Ich glaube, dass wir zwei zusammen recht gut klingen würden," sagt Adam und zwinkert mir zu. Er macht einen auf cool, aber ich weiß, dass das grade ein sehr großer Schritt für ihn war. Ich bin ziemlich gerührt, also sehe ich zur Seite, damit er das leichte Schimmern in meinen Augen nicht bemerkt.

Danke fürs Lesen ;) 

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