Der Wind schlug um und peitschte mir feine Regentropfen entgegen, die sich wie kleine Nadeln in meine Haut bohrten. Ich verlor einen Augenblick die Konzentration und konnte der Pfütze, die sich in meinem Weg geschoben hatte, nur um ein Haar ausweichen. Blut und Wasser tanzten darin, bis der nächste starke Regenschwall die Oberfläche wieder trüb werden ließ.
Mein Blick löste sich davon und richtete sich wieder nach vorne. Wie die blutrot untergehende Sonne zeichnete sich der Energieschirm flimmernd vor dem dahinter aufklarenden Himmel ab.
»Verdammt!«, fluchte ich leise. Das galt nicht dem Schirm, sondern den Regentropfen, die ihren Weg zwischen Hut und Mantelkragen gefunden hatten und nun ungehindert meinen Rücken herunterrannen. Aber was sollte ich mich beschweren? Es war mein verdammter Job hier draußen zu sein.
Mit dieser Erkenntnis stieß ich meine Fäuste noch tiefer in die Taschen meines Ledermantels und nur seine robuste Machart verhinderte, dass sie auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kamen.
Ich schritt durch den Schirm, der bei der Berührung erst sträubend flackerte, mich dann aber passieren ließ. Wie jedes Mal blieb nach diesem Übergang ein leichtes Kribbeln zurück, als ob ich gerade an einer Batterie geleckt hätte. Wenigstens der Regen trommelte jetzt nur noch wie eine weit entfernte Erinnerung auf seiner Oberfläche.
Befreit zog ich meinen schwarzen Borsalino vom Kopf und verteilte einen Schwall Wasser im Raum. Dann betätigte ich den kleinen Knopf in seinem Inneren und er begann sich aufzulösen, wie von Motten im Zeitraffer zerfressen. Am Ende blieb nur noch der Knopf selbst übrig, den ich lässig in der Manteltasche verschwinden ließ, während ich mich im Schirm umsah.
Zwei in weiße, knittrige Ganzkörperanzüge gestopfte Meds starrten mich mit unverhohlener Abneigung an.
»Torochew, Sicherheitskorps«, warf ich ihnen entgegen und ignorierte sie, denn der eigentliche Grund meines Erscheinens lag in der Mitte des künstlichen Raums.
Mein Optikimplantat lief mit einer feinen Vibration an und projizierte eine Decke an Informationen über den Körper, der dort in die braune Masse des matschigen Bodens gesunken lag. Von seinem Gesicht war nicht mehr viel zu erkennen, es hatte sich farblich an die Umgebung angepasst und der Rest der Leiche war in eine paramilitärische Sportuniform gehüllt. Trotz des Schadens, den sein Kopf genommen hatte, war sein ID-Chip immer noch intakt. Jeder Bürger der Zitadelle besaß einen. Er bestimmte, wer man war, wohin man gehen und was man tun durfte.
Wie eine platzende Kaugummiblase erschien der Name des Opfers über seinem Kopf. Johannes Kanter, siebzehn Jahre alt, jüngster Sohn einer der einflussreichsten Familien der Zitadellenstadt. Stellen seines Körpers färbten sich mit einem blassen Rot ein. Alle diese Körperteile wurden die letzten Wochen erneuert, der linke Arm sogar erst gestern.
Nun, das mit dem Kopf würden die Meds nicht wieder hinbekommen. Wozu waren sie überhaupt hier? Ich warf ihnen einen verstohlenen Blick zu.
Sie unterhielten sich leise. An ihrer gebückten Körperhaltung und den Schweißperlen, die sich glänzend auf der Stirn des einen bildeten, erkannte ich, dass sie angespannt wie die dünne Haut einer Wasserbombe waren, jeden Moment bereit zu explodieren. Ja, sie gaben nur vor, mich nicht zu beachten. Der andere hatte mir den Rücken zugewandt, aber als er sein Gewicht verlagerte, blitze auf der Brust des Ersten das protzige Logo der Kanter-Gruppe auf. Sie gehörten also im weitesten Sinne zur Familie. Entweder waren sie hier, um festzustellen, dass der Junge tatsächlich unumkehrbar tot war, oder es handelte sich um sein persönliches Betreuerteam. Seine Betreuer in einem Kriegsspiel, denn das, was uns dort draußen umgab, war ein Schlachtfeld.
Statt, so wie ich selbst, dem Sicherheitskorps zu dienen und die Zitadellenstadt zu schützen, betrieben die Jugendlichen der höheren Schichten der Oberwelt den Krieg seit Neuestem zum Spaß. Es war nur Sport, aber ich fragte mich, ob sie jetzt nicht doch die Realität des Krieges eingeholt hatte.
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Unsterblich
Science FictionDie Kinder der Zitadellenstadt zocken ihre Ego-Shooter nicht mehr in virtuellen Welten. Sie treffen sich dazu auf einem echten Schlachtfeld. Denn die Medizin der Zukunft macht sie unsterblich. Bis etwas schief geht ... Sergeant Elisa Torochew, Ermit...