Die Eingangstür des Wohnungssegments öffnete sich zischend, nur einen Spalt weit, und offenbarte mir das bleiche Gesicht einer jungen Dame. Schwarze Locken umspielten dieses Gesicht. Wäre sie zehn Jahre älter gewesen und ich einer der Privatdetektive aus den Filmen der Voreiszeit, dann hätte sie mich um den Verstand gebracht. Ihre Augen waren gerötet, der Lidschatten verschmiert und eine schwarze Spur führte von einem Auge im Zickzack die Wange hinab, wo sie schließlich unter dem Kinn verschwand.
Sie wusste es schon. So blieb mir die Überbringung der schlechten Nachricht erspart. Darin war ich noch nie gut gewesen.
»Linda Torbensen?« Die fragende Anrede war reine Höflichkeit. Natürlich sah ich ihre ID, wusste genau, wer sie war, wo sie arbeitete und dass ihr Vorstrafenregister sauber war. Außerdem, dass sie seit acht Monaten eine Beziehung mit Johannes Kanter führte. Geführt hatte, verbesserte ich mich.
»Ja, kommen Sie herein Sergeant«, säuselte sie mit schwacher Stimme und die Tür öffnete sich komplett. »Einen Kaffee?«
Ich hätte das Angebot eigentlich abgelehnt, das tat ich immer. Aber ich war schon fast einundzwanzig verdammte Stunden wach und verfolgte den Fall. Ich hatte das Koffein bitter nötig. »Wenn es Ihnen keine Umstände bereitet, gerne.«
Während sie zu ihrem Nahrungssynth ging, der in ein paar Sekunden sowohl den Kaffee, als auch Tasse produzieren und ausspucken würde, sah ich mich in der Wohnung um. Die Bilder, die sich mir boten, verwirrten mich und ich schloss mein künstliches Auge.
Ich sah in einen Wintergarten, in dem sich ein Rosenbusch an einem Holzgatter nach oben wand. Die weiße Farbe war abgeblättert und darunter kam das alte Holz zum Vorschein. Weiter vorne stand eine Holzbank im gleichen Stil. Die Wände daneben zierten idyllische Landschaftsmalereien. Wälder, an deren Rändern Menschen spazieren gingen, in altertümlichen Kleidern und mit Sonnenschirmen. Am Boden setzte sich die Wiese des Waldrandes fort und auf ihr tanzten Sonnenstrahlen, die durch das Glasdach des Wintergartens in den Flur fielen. Ich setzte einen Fuß auf die Wiese, doch der Boden hatte nichts von weicher Erde.
Es war nur eine Illusion. Ich öffne das Auge wieder und meine Welt war zweigeteilt. Das Optikimplantat durchschaute das Spiel und offenbarte mir die Realität. Rahmenlose Medienpanels füllten alle Wände des Raums aus und seinen Boden. Garten, Pflanzen und selbst das Licht wurden von ihnen dreidimensional in den Raum geworfen.
Ich wollte mich erneut in der Märchenwelt verlieren, die Realität vergessen und ein wenig auch diesen Fall, da kehrte Linda mit einer dampfenden und duftenden Tasse zurück.
»Danke.« Ich nahm sie entgegen und führe sie an den Mund.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Erzählen Sie mir etwas über Johannes Kanter.«
»Was möchten Sie denn wissen?« Sie schob sich nervös einige Strähnen ihres schulterlangen Haares hinter ein Ohr. »Ist doch alles über ihn in den Datenbanken der Stadt abgelegt.«
»Mich interessiert weder sein schulischer Werdegang, noch was er in den letzten Jahren für Delikte begangen haben mag. Ich muss mehr über sein Umfeld erfahren und über ihn selbst.« Ich senkte meine Stimme. »Ich denke, dass er ermordet wurde.«
»Ermordet?« Sie riss die Augen auf, Feuchtigkeit füllte sie und machte sich daran, der getrockneten schwarzen Spur ein weiteres Mal zu folgen. »Wie ... wie kommen Sie darauf?«
Ich wechselte das Thema. Nicht unbedingt, um sie zu schonen oder sie zu verunsichern, nein, ich folgte einer Eingebung, die ich gerade hatte.
»Sie studieren Mediendesign?«
»Ja, das Studium hat dieses Jahr begonnen.«
»Und die Inneneinrichtung Ihrer Wohnung stammt von Ihnen selbst?« Das war eine rhetorische Frage, denn mein Implantat zeigte mir die Signatur, mit der jedes einzelne dekorative Medienelement markiert war. »Sehr beeindruckend nach so einer kurzen Zeit.«
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Unsterblich
Science FictionDie Kinder der Zitadellenstadt zocken ihre Ego-Shooter nicht mehr in virtuellen Welten. Sie treffen sich dazu auf einem echten Schlachtfeld. Denn die Medizin der Zukunft macht sie unsterblich. Bis etwas schief geht ... Sergeant Elisa Torochew, Ermit...