𝓣𝔀𝓸

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„Guten Morgen, Onkel Gerald", begrüßte sie den Mann hinter dem Herd liebevoll. Sie verkniff sich einen Kommentar zu dem schwarzen Pfannkuchen und schenkte ihm stattdessen ein freundliches Lächeln.

„Es kann mir niemand vorwerfen, ich hätte nicht mein Bestes gegeben", entgegnete ihr Onkel lachend mit einem Blick in die Pfanne. Er schob sie von der Herdplatte und inspizierte kritisch den verkohlten Inhalt. „Eindeutig nicht mehr essbar. Tut mir leid." Er hob entschuldigend die Hände.

„Kein Problem. Ich habe morgens sowieso noch nicht so einen großen Appetit", beruhigte Leah ihren Onkel schmunzelnd. Sie nahm sich stattdessen ein paar Erdbeeren aus dem Obstkorb und griff anschließend nach dem Schlüssel für den Laden.

„Danke, dass du heute den Laden schmeißt. Was würde ich nur ohne dich machen?", wandte er sich erneut an seine Nichte und seine braunen Augen ruhten einen Moment dankbar auf ihr.

„Kein Ding, das mache ich doch gerne", erwiderte Leah und schenkte ihrem Onkel noch ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie endgültig die Küche verließ. Der Laden grenzte gleich an das Haus und so musste sie nur eine Verbindungstür öffnen, um direkt in dem Lokal zu stehen. Sie trat an die gläserne Tür des Haupteingangs heran, schloss auf und drehte anschließend das in der Scheibe hängende Schild auf ‚open'. Den Laden konnte man getrost als urig und leicht beengt bezeichnen. Er bestand lediglich aus einer Holzvitrine, welche sich über die gesamte rechte Wand erstreckte und mit zahlreichem Zubehör für Angelbedarf bestückt war. Auf der gegenüberliegenden Wand war ein offenes Regal angebracht, wo ihr Onkel einige Ersatzteile für Boote ausgestellt hatte. In der Mitte des Raumes lag der Verkaufstresen mit einer kleinen Sitzbank dahinter.

Um diese Jahreszeit war eigentlich nie viel los und so bereitete sich Leah auf einen recht entspannten Tag vor. Vielleicht würde sich der ein oder andere Einheimische in den Laden verirren, aber viel zu tun würde sie wohl nicht haben. Anders sah es während der Hauptsession im Sommer aus, wenn sich zahlreiche Touristen in dem beschaulichen Küstenort tummelten.

Leah machte es sich auf der Bank hinter dem Verkaufstresen gemütlich und zog ihr Smartphone aus der vorderen Tasche ihrer Jeans. Die LED-Anzeige blinkte ihr entgegen und signalisierte, dass neue Nachrichten eingegangen waren. Mit einer schnellen Fingerbewegung entsperrte sie ihr Telefon und öffnete die erste Mitteilung. Es handelte sich um einen Gruß zum Valentinstag von ihrer Mutter und sie konnte nicht umhin, genervt ihre Augen zu verdrehen. Was hatten nur alle mit diesem verfluchten Tag?

Natürlich war ihr insgeheim bewusst, dass es ihre Mutter nur gut meinte und so erwiderte sie den Gruß missmutig. Die zweite Nachricht kam von ihrer besten Freundin Chloe und war schon eher nach ihrem Geschmack. Ein kurzer Clip zeigte ein animiertes Männchen, welches rote Herzen kotzte und Leah konnte nicht anders, als laut loszulachen. Chloe hatte sie nach der Trennung von Jacob wortwörtlich rehabilitiert und sie war ihr unglaublich dankbar für die zahlreichen Abende, wo sie sich einfach gemeinsam vor den Fernseher geschmissen hatten. Selbstverständlich mit einer XXL-Packung Erdbeereis und einer mindestens genauso großen Schachtel Taschentücher. Damals hatten sie auch den Anti-Valentinstag-Pakt beschlossen. Keine Dates und erst recht keine Rosen an diesem Tag.

Leah hatte gerade das Mikrophone angetippt, um für ihre beste Freundin eine Sprachnachricht aufzunehmen, als die Türglocke erklang. Sie ließ das Smartphone neben sich sinken und erhob sich hinter dem Verkaufstresen.

„Hallo Leah! Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich heute hier finde", hörte sie die bekannte Stimme von Mary flöten. Ihr Kopf war jedoch hinter einem riesigen Strauß roter Rosen verborgen. Irritiert lehnte sich Leah an den kühlen Tresen und wartete geduldig, bis die Dame aus der Nachbarschaft den Strauß, samt Glasvase gleich vor ihr abgestellt hatte.

„Ich dachte, ich bringe euch heute ein paar Blumen vorbei", erklärte die Frau freundlich und zog sich zeitgleich die vom Regen getränkte Kapuze von ihrem Kopf. So unauffällig wie möglich, warf Mary einen Blick in Richtung der Verbindungstür. Es war mehr als offensichtlich, dass sie Ausschau nach Leahs Onkel hielt.

„Gerald hat gleich einen Arzttermin. Er wird später wieder da sein", erklärte Leah wahrheitsgemäß und musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Mary und Gerald verband eine innige Freundschaft, allerdings hatten sie es zu Leahs Leidwesen bisher nicht geschafft, den entscheidenden Schritt in Richtung einer Liebesbeziehung zu gehen. Dabei würde es beiden guttun, davon war Leah überzeugt.

„Verstehe. Sagst du ihm, dass ich da war?", vergewisserte sich Mary lächelnd, bevor sie sich auch schon wieder zum Gehen abwandte.

„Natürlich. Vielen Dank für die Rosen!" Leah beobachtete, wie die Frau den Laden verließ und betrachtete seufzend die Blumen vor ihr. Anscheinend war es einfach nicht möglich vor diesem Tag zu flüchten. Sie ließ sich zurück auf die Sitzbank fallen und griff erneut nach ihrem Handy. Anstelle einer Sprachnachricht fotografierte sie den Blumenstrauß und schickte das Bild samt augenrollendem Smiley an ihre beste Freundin.

Happy (anti) Valentine's DayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt