Heimkehr

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Kaum hatten wir den Grat der die Senke vor den Stürmen schützte und im Laufe von Äonen von eben diesen aufgeschüttet wurde überschritten, sahen wir in weiter Ferne Menschen, klein wie Ameisen, herumwuseln. Staubfontänen die den Horizont markerten, verrieten uns Autos oder Jeeps die in weiter Ferne herumkurvten.

Noch bevor ich einen weiteren Gedanken fassen konnte packte ich Maya, nahm sie auf den Arm und rannte den Spuren der Zivilisation entgegen.

"Gott sei Dank! Ihr lebt!" War der erste Ausruf der uns entgegenscholl. Er kam von einem weißen Mann, der auf dem Beifahrersitz eines Jeeps saß, welcher uns, sobald er uns ausgemacht hatte, in irrsinniger Geschwindigkeit entgegen gefahren war. Er sprang aus dem Wagen, überwand die wenigen Meter die uns trennten und hob uns zwei vor Freude halb in die Luft. "Als der Absturz gemeldet wurde hatten wir keine Hoffnung mehr!" Meinte er, bevor er uns noch einmal fest drückte, sanft absetzte und seinen verrutschten Tropenhelm zurechtrückte. "Kommt mit. Im Jeep gibt's was zu trinken und ihr könnt erzählen wie zur Hölle ihr aus diesem Todestal lebendig herausgekommen seid. Eure Eltern haben euch schon beinahe abgeschrieben und sind darüber fast dem Wahnsinn nahegekommen!" Sprudelte es ohne Pause aus ihm heraus, während er uns in Richtung Jeep drückte, in dem der Fahrer, ein junger Nubier, uns freundlich zulächelte.

Doch während meine Schwester gar nicht schnell genug in den Wagen klettern konnte und dabei beinahe von den hohen Stufen gefallen wäre, wenn der noch immer lächelnde Tropenhelmträger sie nicht aufgefangen und ihr hochgeholfen hätte, flogen meine Gedanken zurück in die Oase. Der erste Satz des freundlichen Retters ging mir nicht aus dem Kopf. Gott sei Dank. Gott. Ich wusste nicht an welchen Gott sie glaubten, dort unten in der Oase! Ich musste es wissen! Ich musste wissen welcher Gott den Menschen solch einen Frieden schenken kann.

"Wir müssen zurück! Rief ich dem Mann zu. zurück in die Oase!" Perplex dreht sich der Retter zu mir um. "Zurück? Zurück in die Oase?" Fragte er in einem Tonfall, der mich wohl beruhigen sollte. Derselbe Tonfall mit dem man mit Mördern, Psychopathen und Amokläufern sprach. Mit Wahnsinnigen. Der Herr dachte ich hätte einen Sonnenstich!

"Mein Lieber, im Umkreis sämtlichen Gebietes das ihr zu Fuß hinter euch hättet bringen können, gibt es nichts was den Namen Oase auch nur im Entferntesten verdient hätte. Lass uns einsteigen und zu deinen Eltern fahren, sie sorgen sich!"

"Nein das geht nicht, ich muss nochmal zurück!" Panik machte sich in mir breit. Mein Magen verkrampfte sich und mein Hals wurde durch einen Kloß der Angst verengt. Ich musste zurück; die Chance ergreifen, etwas zu verstehen was die Welt noch nicht verstand. Frieden.

Der Tropenhelmträger wrang seine Hände. Die Situation war ihm sichtbar unangenehm. "Bitte mein Junge, lass uns einsteigen. Deine Schwester wartet bereits auf dich, genau wie deine Eltern." Auch der Fahrer sah mich jetzt anders an als noch Augenblicke zuvor. Stechend. Kühl. Abwägend. Hielt er mich für Wahnsinnig und schätzte ab wie schwer es werden würde mich in den Wagen zu bekommen oder lagen die Beweggründe für den abrupten Stimmungsumschwung woanders.

Andere Wagen erreichten uns nun, Staubwolken hinter sich herziehend. Kaum hielten sie, sprangen die ersten auch schon heraus und liefen auf uns zu, die momentane Situation völlig übersehend.

Mir wurde Wasser gereicht, Zwieback, ein hölzernes Kruzifix. Einer reichte mir sogar eine Pfeife, dem Gedanken folgend, dass ich nach dem durchgestandenen Schrecken sicher nichts gegen einen tiefen Zug hätte.

Ich lehnte all das mit einer unwirschen Handbewegung ab. "Ich muss zurück! Ich muss, koste es was es wolle, meine Eltern zahlen." Schrie ich wie ein bockiges Kleinkind den ratlosen Tropenhelmträger an.

Jetzt begannen die Umstehenden die Problematik zu erfassen. Ironischerweise rangen sie genau wie der erste Retter die Hände, unschlüssig wie sie mit mir umzugehen hatten.

Dann wurde die eintretende Stille jäh von einem herzen erweichenden Gejammer unterbunden. Meine Schwester, bereits im Jeep auf der Rückbank sitzend, mit einer Wasserflasche in der Hand und einem Bonbonpapier in der anderen, welches ihr vermutlich vom Fahrer in die Hand gedrückt worden war, weinte bitterlich Krokodilstränen. In Strömen liefen sie ihr die Wangen hinab und hinterließen glänzend saubere Spuren in ihrem ansonsten so verdreckten, Sandbedecktem Gesicht.

Die Erschöpfung war ihr geradezu in das kleine, sonst so niedliche Gesicht geschrieben und die Verzögerung, dessen Sinn sie nicht verstand hatte ihr wohl den Rest gegeben.

Im nu war sie von eifrigen Tröstern umringt, die ihr Bonbons zusteckten, die Tränen versuchten wegzuwischen, sie dabei aber lediglich noch mehr verschmierten und sich gegenseitig vom Jeep wegschubsten um als erster bei ihr zu sein.

Dieser beinahe lächerliche Anblick vermochte es, mir ein müdes Grinsen auf das Gesicht zu zaubern, bevor ich selbst merkte wie müde ich in Wahrheit war. Meine Knie schienen aus Gelee, mein Nacken aus einem Dornenstock und der feine Sand, den die Äonen zu Pulver gemahlt hatten drang in jede Ritze von mir ein. Kurz: Ich war am Ende. Meine Kräfte verließen mich und vor Ratlosigkeit und Erschöpfung ließ ich mich im Sand nieder, bevor mich jemand auffangen konnte. Dort saß ich, starrte den Jeep und die ihn umgebenden Menschen an, registrierte das meine Schwester das heulen eingestellt hatte und stattdessen die ihr zukommende Aufmerksamkeit genoss und fragte mich selbst ob ich wahnsinnig war. Zu einem Ergebnis kam ich nicht.

Schließlich beugte sich einer der wenigen Männer zu mir herab, die um mich herum geblieben waren. Es war ein Einheimischer, mit einer Art Turban, wie ich sie auf den Reisefotos Onkel Dicks immer sah. Er sprach mich mit sanfter Stimme, in die sich ein leichter arabischer Akzent mischte, an, die mich unwillkürlich an orientalischen Tee, Zwiebeltürme und Basars denken ließ. Eine Erscheinung, die sich so gar nicht in die östliche Sahara einfügen wollte.

"Junge, deine Schwester ist müde, wir sind müde und wenn du es nicht auch bist, bist du kein Mensch oder stehst kurz vorm Erschöpfungstod. Lass uns fahren. Es gibt nichts hier draußen was eine unnötige Suche rechtfertigen würde, die euch beide und auch uns noch mehr erschöpfen würde. Die Nacht wird bald hereinbrechen und ich kann dir sagen diese willst du nicht erleben."

Müde sah ich zu ihm hoch. Ich blickte in ein offenes, gewinnendes Gesicht, das mit viel Weisheit und Lebenserfahrung sprach.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 24, 2023 ⏰

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