Kapitel 2

5 0 0
                                    

Morgens, als ich aufwachte, lag ich auf meinem Collegeblock und spürte ein leichtes Gewicht auf meinen Schultern. Es lag eine Decke auf mir, aber kein Hinweis von wem. Verschlafen rieb ich mir die Augen. „Gut geschlafen?“, fragte meine Mutter mit einem genervten Unterton und setzte sich mit einer Tasse Kaffee an den Tisch. „Räum den Mist weg und bring deinen Bruder zur Schule. Wenn du wiederkommst, kannst du dich um die Hausarbeit kümmern, ich muss arbeiten“, sagte sie kalt. „Ich muss auch zur Schule!“, versuchte ich zu protestieren, aber daraufhin gab sie mir nur eine Ohrfeige. „Räum das weg und bring Danny zur Schule!“, wiederholte sie sauer. Stumm nickte ich, als ich meinen Bruder auf der Treppe stehen sah. „Komm, Danny. Ich bring dich zur Schule“, sagte ich mit einem Lächeln, während ich meine Sachen auf einen Haufen schmiss und hochging. Er folgte mir und packte seinen Rucksack. Keine zehn Minuten später sind wir nach unten gegangen und meine Mutter hatte nur noch einen Brief hinterlassen. Danny sah nur traurig auf den Boden. „Hey“, stupste ich ihn an, sodass er mich ansah, „es wird alles wieder gut“. Seine Miene besserte sich jedoch nicht, aber trotzdem folgte er mir. Auf dem Weg zur Schule hielt er die ganze Zeit meine Hand. „Musst du nicht auch zur Schule?“, fragte er, kurz bevor wir vor der Grundschule standen. Lächelnd sah ich ihn an. „Mach dir darüber keine Sorgen. Ich geh‘ auch noch zur Schule. Genieß den Tag mit deinen Freunden und wenn die Schule vorbei ist, hole ich dich wieder ab“, sagte ich lächelnd. Ich wollte ihn weder anlügen, noch verunsichern, aber eine große Wahl hatte ich nicht. Ein kleiner Junge, der in die Grundschule geht, sollte sich einfach noch nicht über so viele Sachen Gedanken machen. Er sollte einfach das „Kind-sein“ genießen. Auf dem Schulhof verabschiedete ich mich von ihm. „Vergiss mich nicht“, sagte er mit einem breiten Grinsen. Ich wusste nicht, ob es aufgesetzt war, um zu verstecken, wie traurig er war, oder er es ehrlich meinte, aber es erleichterte mich etwas. Auf dem Weg nach Hause holte ich den Brief raus. Ich setzte mich auf eine Mauer, um ihn zu lesen:

„Ich bitte dich, dich gut um deinen Bruder zu kümmern. Wie du bereits mitbekommen hast, klappt es zwischen deinem Vater und mir einfach nicht mehr. Ich will dir nichts versprechen, jedoch will ich mich genauso wenig entschuldigen. Ich denke, dass es nachvollziehbar ist, dass du, als eine Tochter, mich nicht in etwas reinzwingen solltest, dass mich unglücklich macht. Ich weiß nicht wann und ob ich wieder nach Hause komme, aber vorerst bleibe ich bei meiner Freundin. Ich komme morgen nochmal, um ein paar Sachen zu packen und werde dir vorher schreiben. Bitte sorg dafür, dass weder dein Vater, noch Danny das mitbekommen, ich vertraue dir. Du, als meine Tochter, solltest auf meiner Seite sein, schließlich bin ich deine Mutter. Wenn du mit mir kommen willst, kannst du das auch gerne tun, sobald ich eine Wohnung habe, aber ich Gedenke jeglichen Kontakt mit deinem Vater und Danny abzubrechen, also solltest du dir das gut überlegen.

In Liebe, deine Mutter“.

Fassungslos saß ich auf der Mauer. Meinte sie das wirklich ernst? Es ging nicht in meinen Kopf, was meine Mutter plante zu tun. Sie wollte uns zurücklassen, einfach im Stich lassen. Sie wollte uns vergessen.

VergissmeinnichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt