Kapitel 2

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Also zog ich meine Schuhe und meine Jacke an, nahm mir etwas zu trinken, griff nach meinem Schlüsselbund und verließ das Haus. 

Gleich beim Hinausgehen blies mir der Wind ins Gesicht. Normalerweise wäre das, und die aufziehenden dunklen Wolken, für mich ein Grund gewesen, wieder zurück zu gehen. Doch heute musste ich raus. 

Zum Glück lag der Park nicht weit von meinem Wohnblock entfernt. Auf dem Weg dorthin betrachtete ich mir die vielen Kirschbäume, die dieses Jahr in voller Pracht zu blühen schienen. Der Anblick erinnerte mich an ein kleines Mädchen, welches freudig durch eine Allee von Kirschbäumen springt, während rechts und links von ihr ein paar der rosaroten Blüten zu Boden fallen. 

Doch das laute Rauschen der Autos auf der naheliegenden Straße brachte mich schnell in die Wirklichkeit und zu meinem wahren Grund, warum ich mich hier befand, zurück. Also ging ich weiter. Vorbei an den vielen Fachwerkhäusern, über die gewölbte Holzbrücke, die über den einzigen großen Fluss in unserer Stadt führte, bis hin zu meiner Lieblingsbäckerei, die sich direkt gegenüber vom Park befand. 

Bei dem Geruch, der mir beim Vorbeilaufen entgegenkam, merkte ich, dass ich heute noch nichts gegessen hatte und wie auf Kommando fing mein Magen an zu knurren. Ich kramte in meiner Jackentasche und fand tatsächlich noch einen alten, zerknitterten 5-Euro-Schein.Als ich die Bäckerei betrat, wurde der Geruch, den ich bereits draußen wahrgenommen hatte, noch stärker und zog mich förmlich hinein. Ich wartete, bis ich an der Reihe war und kaufte mir ein belegtes Brötchen. Angesichts der Tatsache, dass ich heute noch nichts gegessen hatte, erschien es mir sinnvoll, wenn meine erste Mahlzeit des Tages nicht aus einem süßen Gebäckstück bestand.Kaum hatte ich das Gebäude wieder verlassen, biss ich in mein Brötchen und verschlang es förmlich. Danach widmete ich mich wieder meinem Weg zum Park auf der anderen Seite der Kreuzung. 

Bereits von hier konnte ich erkennen, dass ich trotz des immer schlechter werdenden Wetters nicht die Einzige war, die an die frische Luft wollte. Viele Menschen gingen entweder zu zweit oder alleine spazieren oder saßen auf den Bänken, welche sich rund um den riesigen Springbrunnen in der Mitte des Parks, befanden.Geduldig wartete ich, bis die Fußgängerampel auf Grün sprang und ging weiter.

 Doch kaum hatte ich die Straße betreten, merkte ich, wie die Kopfschmerzen wiederkamen. Bitte nicht jetzt, nicht, wenn ich mich mitten auf einer der größten Kreuzungen der Stadt befand, bat ich, doch es half nichts, die Kopfschmerzen wurden immer stärker.Ich sah mich um. Mittlerweile war der Weg zum Bürgersteig auf beiden Seiten etwa gleich lang. Ich entschloss mich, für die Seite zum Park und fing an immer schneller zu gehen, bis ich schließlich rannte. Doch nur wenige Sekunden später wurden meine Augen wieder ruckartig zugerissen und dieser mysteriöse Teenager befand sich direkt vor mir. Wie schon so oft in den letzten Wochen. Doch in diesem Moment hatte ich andere Sorgen. Hatte ich es noch rechtzeitig auf die andere Straßenseite geschafft? Oder wurde ich vielleicht von einem der heranfahrenden Autos erwischt? Bevor ich noch mehr in meinen Sorgen diesbezüglich versinken konnte, zog etwas an meinem Arm. Als ich dorthin sah, erkannte ich eine andere Hand, die meinen Arm umklammerte und ihn kräftig schüttelte. Es war die Hand meines Gegenübers, die mich festhielt. Verwirrt sah ich ihn an. "Was soll das?", fragte ich ihn doch statt einer Antwort zeigte er auf seine Lippen die sich lautlos bewegten. Deshalb hatte er mich also berührt. Er konnte nicht mit mir reden und hatte gemerkt, dass ich mit meinen Gedanken woanders war. Ich nickte, um ihm zu signalisieren, dass ich verstanden hatte und er lächelte mich an. 

 Langsam entfernte er sich ein paar Schritte und deutete mir mit seiner Hand, dass ich ihm folgen solle. Also tat ich das auch. Er führte mich ein paar Meter weiter und lies wie aus dem Nichts genau an der Stelle einen kleinen, runden Eichentisch erscheinen, worauf sich ein einziges beschriebenes Blatt und eine bereits halb verbrannte, weiße Wachskerze auf einem goldenen Kerzenhalter befand, deren Docht kläglich nach unten zeigte. Hatte er das gerade einfach so hergezaubert? Ich sah ihn verwundert an, woraufhin er nur grinste und auf das Blatt zeigte. "Ich soll es lesen?", fragte ich ihn. Er nickte zur Antwort. Also ging ich näher an den Tisch heran und beugte mich nach vorne, um das Blatt aufzunehmen. Es fühlte sich rau und alt an, so als würde es jeden Moment in meinen Händen zerfallen. Ganz anders, wie ich es von meinen Büchern und Blättern zuhause gewohnt war.Als ich es betrachtete, erkannte ich, dass sich darauf nur wenige Wörter befanden."Die Chroniken der Nachtelfen und alles, was du über sie wissen musst, Kapitel 3, Seite 123, erste beide Sätze ganz oben", las ich leise vor. Die Chroniken der Nachtelfen und alles, was du über sie wissen musst? Das war früher eins meiner Lieblingsbücher gewesen und ich hatte sogar noch ein Exemplar davon zuhause in meinem Bücherregal stehen. Aber woher wusste er, dass ich dieses Buch kannte? Und was sollte ich damit tun? Fragend sah ich den Teenager an.An den Bewegungen seiner Lippen konnte ich erkennen, dass er versuchte, mir etwas zu sagen, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Und noch bevor ich etwas anderes fragen konnte, verschwamm alles und meine Augen wurden wieder aufgerissen. 

Und ich stand immer noch auf der Straße vor dem Park. Ich hatte es also nicht mehr rechtzeitig auf die andere Seite geschafft. Und noch schlimmer. Ich erkannte ein Auto, welches direkt auf mich zu fuhr. Ich reagierte schnell und versuchte noch auszuweichen, doch ich schaffte es nicht mehr rechtzeitig und wurde von dem Auto erwischt. Ich konnte andere Menschen aufschreien hören, doch ihre Rufe wurden immer leiser und entfernten sich immer mehr von mir. Alles andere bekam ich nicht mehr mit.

Juna- Between lies and truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt