#2 Brötchen, Kuchen oder doch lieber Prügeltorte

15 6 34
                                    

Ich durchlebe jeden Tag den vorigen Tag ein weiteres Mal. Nur, dass der Kalender in der Küche meiner WG immer ein anderes Datum anzeigt. Ich stehe jeden Tag aufs Neue auf und bin ein wenig gestresst, da ich bereits in 20 Minuten in der Backstube stehen muss. Ich ziehe mir jeden Tag eine schwarze Jeans an, oder wenn ich mal ein wenig Abwechslung brauche eine dunkelblaue. Dazu kombiniere ich jeden Tag ein einfarbige T-Shirt, das sich aber auf keinen Fall mit dem dunkelrot der Schürze meines Betriebs stechen darf. Dann laufe ich schnell in die Küche, angle mir eine Banane aus dem Obstkorb, laufe noch am Badezimmer vorbei und ziehe mir schließlich meine Schuhe an, um - da ich bereits spät dran bin - zu meinem Arbeitsplatz zu rennen.

Nachdem ich dann in der Stube mit meinen Kollegen die Gebäcke des heutigen Tages zubereitet habe, kommen auch schon die ersten Kunden. Eigentlich sind es immer dieselben. Immer steht die alte Frau Maier als erstes vor der Türe und kauft sich ihr Frühstück - ein Laugenbrötchen und dazu einen Kaffee zum vor Ort essen. Ihr Mann ist vor einigen Monaten gestorben, weshalb sie es vorzieht in unserer Gesellschaft zu essen und nicht zuhause in der Stille. Ich rede oft mit ihr und setze mich zu ihr, wenn sie isst. Ich kenne sie mittlerweile gut, verspüre Sicherheit in ihrer Nähe und habe das Gefühl ihr zu helfen.

Danach bediene ich noch weitere mir bekannte Kunden, bis ich schließlich Feierabend habe und vom ganzen Tag ziemlich erschöpft bin. Doch obwohl ich erschöpft bin, geh ich hier noch nicht wieder ins Bett. Es ist erst 16 Uhr, also noch genug Zeit um sich um die wichtigen Dinge der Welt zu kümmern. Die, die aktuell Vorrang haben. Ich gehe also nach der Arbeit noch weiter und kümmere mich darum, die nächste Fridays for future Demonstration in meiner Stadt zu organisieren oder mich anderweitig politisch zu engagieren. Wenn ich das mal nicht mache, dann begebe ich mich in unsere WG und schaue dort eine Serie mit Vic, rede einfach mit Vic oder bereite mich für die Berufsschule vor, da ich leider mit meinen siebzehn Jahren noch Teilzeitschulpflichtig bin. Berufsschule hab ich jeden Samstagnachmittag.

Doch heute ist es anders. Zwar kommt Frau Maier wie gewohnt und auch andere täglich kommende Kunden erscheinen, kaufen etwas und gehen wieder, doch nicht nur diese kommen, sondern auch ein fremdes Gesicht betritt am späten Nachmittag kurz vor meinem Schichtende die Bäckerei. Es ist eine Frau, ungefähr in meinem Alter, aber deutlich größer als ich. Sie ist blond und hat unfassbar blaue Augen. Wenn ich sie hier schon einmal gesehen hätte, dann wüsste ich es definitiv. Nicht nur, weil sie unfassbar schön ist, sondern auch, weil ich in dem vermutlich kleinsten Dorf der Welt lebe und hier jeder jeden kennt.

Sie kommt auf mich zu, schaut an, was in der Auslage vor mir liegt und fängt schließlich an zu reden: „Haben Sie auch Prügeltorte? Nicht, dass ich das erwarten würde, ich bin ja schließlich nicht in Tirol, aber vielleicht habe ich Glück, dachte ich mir. Fragen kostet schließlich nichts und ich würde mich unfassbar darüber freuen." Prügeltorte. Obwohl ich nun seit einem halben Jahr hier arbeite und somit sehr viel mit Backwaren zu tun habe, habe ich das noch nie gehört. Prügeltorte. Ein seltsames Wort, doch gleichzeitig klingt es auch irgendwie lecker. Aber kein Wunder, dass ich es noch nie gehört habe, wenn sie es zusammen mit Tirol erwähnt. Schließlich sind wir nicht einmal im richtigen Land. Aber recherchieren was es ist, sollte ich vielleicht nachher trotzdem, es könnte etwas sein, bei dem es sich lohnt, es in unser Sortiment aufzunehmen. Doch jetzt erstmal zurück ins Hier und Jetzt und eine Lösung für die Frau vor mir finden.

„Nein haben wir leider nicht. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, was da ist. Aber ich könnte meine Chefin fragen, ob wir etwas haben, das zumindest ähnlich ist" , biete ich an. Sie nickt und ein lächeln bildet sich auf ihrem Gesicht. „Das wäre wunderbar. Ich bin vor einer Woche aus Tirol gekommen und noch ganz neu hier und hatte die Hoffnung, dass mir der Geschmack als Erinnerung an meine alte Heimat bleibt. Aber mach euch bitte keine Umstände wegen mir, ich kann sonst auch einfach eine Brezel essen. Ich bin übrigens Kaya" Sie will es essen, um sich an ihre Heimat zu erinnern. Das kann ich gut nachvollziehen, denn auch ich liebe es englisches Essen zu essen. Zwar war England bisher noch nie meine Heimat, doch es wird es hoffentlich bald sein und das Essen kann mir einen Vorgeschmack darauf geben. „Ich bin Mia", sage ich und laufe dann aus dem Verkaufsbereich heraus in die Backstube, wo ich hoffe meine Chefin zu finden.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 28, 2022 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

RandomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt