verpasst?

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Harry ließ sich fallen. Der Wind riss an seinem Umhang und der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Kurz bevor er auf dem Boden aufgeprallt wäre, zog er den Besen hoch.
Als er wieder hoch oben flog, warf er einen Blick übers Gelände. Er hatte den See hinter sich gebracht und das Schloss wirkte von hier aus sehr weit weg.
Seit er wieder in Hogwarts war, flog Harry regelmäßig mit seinem Feuerblitz über das weitläufige Gelände von Hogwarts.
Es half ihm den Kopf freizubekommen. Die Schlacht von Hogwarts war mittlerweile einige Monate her, aber trotzdem ließen ihn die Erinnerungen oft nicht los.
Wieder mit seinen alten Mitschülern die Schulbank zu drücken, fühlte sich merkwürdig an und manchmal schmerzhaft, weil viele alte Gesichter fehlten. Manche wollten nach der Schlacht erst einmal bei ihren Familien sein, aber Harry dachte vor allem oft an die, die gefallen waren.
Auch die meisten Slytherins waren nicht für ein siebtes Jahr zurückgekommen, aber Blaise Zabini war da, immer in Gesellschaft von Draco Malfoy.

Harry stieg noch weiter auf. Der Herbst rückte unaufhaltsam näher und es hatte schon den ganzen Tag geregnet. Trotzdem hatte Harry eine Runde fliegen wollen. Er blickte noch einmal Richtung Schloss und sah eine kleine Gestalt durch die Luft auf sich zukommen. Erst hielt er sie für eine Eule, aber als sie näherkam, erkannte er, dass da jemand auf einem Besen flog.
Hatte Ron beschlossen ihm Gesellschaft zu leisten? Harry blinzelte gegen den Regen an. Eigentlich wollte er heute allein sein. Das lag vor allem an Draco Malfoy. Seit Harry ihn aus dem brennenden Raum der Wünsche gerettet hatte, hatte er nicht mehr mit ihm gesprochen.
In den letzten Wochen hatte Malfoy oft versucht ihn abzupassen, aber Harry war ihm immer ausgewichen. So auch heute, als er ihm in der Bibliothek aufgelauert hatte. Was zur Hölle wollte Malfoy von ihm? Er sollte ihn in Ruhe lassen.
„Lass uns bitte reden“, hatte er gesagt, aber Harry wollte nicht reden, nicht mit einem ehemaligen Todesser.
Im Unterricht spürte er viel zu oft Malfoys Blick im Nacken und wenn er sich zu ihm umdrehte, starrten ihn diese grauen Augen an. Sogar nachts fühlte er sich von Malfoy verfolgt, der ständig in seinen Träumen auftauchte – zu Harrys größtem Unbehagen.
Die Gestalt kam näher. Harry versuchte durch die Regentropfen Rons rotes Haar zu erkennen, aber der Flieger hatte sich die Kapuze seines Umhangs über den Kopf gezogen.
Erst als nur noch wenige Meter sie trennten, erkannte Harry, wer da auf dem Besen saß. Es war Malfoy.
Verdammt, was sollte das? Warum folgte er ihm?
Harry wendete den Besen und schoss über den Wald davon.
Nach einigen hundert Metern warf er einen Blick zurück. Malfoy war dicht hinter ihm, mit nur wenigen Metern Abstand. Der muss mich erst einmal einholen, sagte sich Harry und begann scharfe Kurven zu fliegen, während er weiterhin beschleunigte. Aber Malfoy blieb ihm auf den Fersen.
Schließlich entschied sich Harry für einen Sturzflug. Unter ihm war der Wald. Er könnte hinunterfliegen und sich dann zwischen den dichten Bäumen davonmachen.
Zum zweiten Mal an diesem Tag ließ Harry sich fallen. Die Baumwipfel näherten sich rasant. Schon tauchte er ein ins dichte Blätterdach. Ein paar dünne Äste kamen ihm in den Weg, bremsten ihn aber nicht.
Schon zog er den Besenstiel gerade und flog durch die engen Baumstämme. War Malfoy noch hinter ihm? Harry drehte sich um.
Im nächsten Moment krachte er mit der Schulter gegen einen Widerstand. Es warf ihn seitlich vom Besen und er stürzte ab. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Waldboden, aber der Aufprall war trotzdem schmerzhaft. Alle Luft wurde aus seinen Lungen gepresst und sein Kopf schlug hart auf der Erde auf. Vor seinen Augen tanzten Sternchen und er schnappte nach Luft.
Atmen, dachte er und versuchte es, aber schon wurde alles schwarz.

„Potter! Verdammt, wie blöd kann man eigentlich sein?“
Harry hustete und endlich konnte er wieder atmen. Er sog gierig die feuchte Luft ein und öffnete die Augen. Über ihm kniete Malfoy.
„Wenn man in dem Tempo zwischen Bäumen durchfliegt, sollte man nach vorne schauen und nicht nach hinten!“
Malfoys Schimpftirade drang nur dumpf an Harrys Ohren. Sein Schädel brummte. Er wollte sich aufsetzen, aber ein scharfer Schmerz im Arm hielt ihn davon ab.
„Tut´s weh? Ich würde sagen du hast dir die Schulter gebrochen, oder zumindest ausgekugelt. Ehrlich, du bist selbst schuld, wenn du“ – „Klappe, Malfoy“, krächzte Harry und musste sofort wieder husten. Das tat auch weh.
Aber immerhin, Malfoy verstummte. Seine grauen Augen musterten Harry halb wütend, halb besorgt. Aber schon nach einigen Sekunden wurde sein Blick weicher. Er griff unter Harrys Rücken und half ihm in eine sitzende Position zu kommen. Harry bemerkte, dass auch Malfoy völlig durchnässt vom Regen war. Der Pullover, den er unter seinem Umhang trug, klebte an ihm wie eine zweite Haut.
Malfoy wies mit dem Daumen hinter sich. „Dein Besen liegt da drüben. Hast Glück gehabt, dass er nicht weggeflogen ist.“
Harry nickte nur. „Aber mit deiner Schulter hattest du weniger Glück. Die solltest du schnellstmöglich von Madam Pomfrey flicken lassen.“
Harry brummte. Hatte Malfoy schon immer so viel geredet? Sein Arm lag immer noch um Harrys Rücken. „Wieso bist du überhaupt hier runtergeflogen? Das war eine bescheuerte Idee.“ Als Antwort sah Harry Malfoy nur böse an. Der schnaubte. „Daran kannst du mir jetzt nicht die Schuld geben, ich habe nicht gesagt, dass du vor mir flüchten musst, als wären wir noch im Krieg.“
Harry wollte protestieren, musste aber wieder husten. Dabei stiegen ihm vor Schmerz die Tränen in die Augen. Vermutlich hatte er sich auch eine Rippe gebrochen.
„Wir sollten zurück zum Schloss, du musst in den Krankenflügel.“ Harry warf einen Blick über Malfoys Schulter. Ein paar Meter weiter lag sein Feuerblitz. Malfoy folgte seinem Blick. „Vergiss es, Potter. Mit der Schulter fliegst du keinen Meter weit.“ „Hast du eine bessere Idee?“ Harry war erleichtert, dass er diesen Satz herausbrachte, ohne schon wieder zu husten. Malfoy legte den Kopf schräg, als würde er nachdenken. „Entweder du fliegst bei mir mit“ – Harry wollte schon widersprechen, aber Malfoy fuhr fort – „oder wir laufen. Deine Entscheidung.“
Harry dachte an den weiten Weg zum Schloss, daran, dass es immer noch regnete, aber er wollte sich andererseits auch nicht beim Fliegen an Draco Malfoy festhalten müssen.
Malfoy schien seine Gedanken zu erahnen. „Ach komm schon, Potter, zu zweit auf einem Besen, das haben wir doch schon hinter uns.“ Harry funkelte ihn böse an. „Hättest dich ruhig mal bedanken können, dass wir euch das Leben gerettet haben.“ Malfoy klappte den Mund auf und schloss ihn wieder. Kurz schwiegen sie, dann sagte Malfoy leise: „Das war einer der Gründe, wegen denen ich mit dir reden wollte. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mich da rausgeholt hast. Das hättest du nicht tun müssen und ich hatte es auch nicht verdient.“
Jetzt klappte Harry der Mund auf, aber er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. So etwas aus Malfoys Mund zu hören, hatte er nicht erwartet.
„Also. Gibst du mir die Chance, mich ein wenig zu revanchieren?“ Malfoy stand auf und hob seinen Besen auf. Dann hielt er Harry eine Hand hin und nach kurzem Zögern griff Harry zu.
Malfoy half ihm hoch und stieg dann auf seinen Nimbus. „Ist mir auch lieber, als zu laufen, ehrlich. Alles an mir ist nass. Und kalt, also steh hier nicht rum.“
Harry stieg hinter Malfoy auf und legte vorsichtig den gesunden Arm um seine Taille. Malfoy fühlte sich unter dem nassen Stoff furchtbar dünn an. „Halt dich lieber richtig fest“, sagte Malfoy, dann stiegen sie langsam auf.
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