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8 - Von Unterschieden und Gemeinsamkeiten

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"So wie man die Strahlen der Sonne nicht zudecken kann, so kann man auch das Licht der Wahrheit nicht auslöschen."

✶✶✶

Vom Essen gesättigt und zufrieden warf ich mich in die Kissen.

Die Sterne am Himmel leuchteten hell und es kam mir beinahe so vor, als lächle mir Altair zu. Ich fühlte mich wieder wie ein Mensch. Ausser den Wunden an meinem Körper schien alles andere Leid verschwunden zu sein.

Zahir hatte gemeint, dass wir uns nur zwei Tagesmärsche von Jaradina — wie er die Oase nannte — befanden. Sie würden mich dort hin begleiten und danach würden sich unsere Wege wieder trennen.

Ich hatte mich nicht gegen ihren Entscheid gesträubt.

Die Brüder waren in ein Gespräch vertieft und schienen über irgendetwas zu diskutieren. Ich spürte, wie mich die Müdigkeit überfiel. Ein warmes, zufriedenes Gefühl machte sich in meinem ganzen Körper breit und sorgte dafür, dass meine Lider so schwer wie Blei wurden.

„Luay und ich werden uns ein Zelt teilen", hörte ich Zahir sagen, weswegen ich mich wieder aufsetzte und die Augen rieb. „Du kannst in meinem schlafen."

Mittlerweile hatte ich mich schon fast daran gewöhnt, dass die Herren über mein Schicksal entschieden. Ich fügte mich, denn ich war zu schwach für Proteste jeglicher Art. Hauptsache, ich konnte vor Sand und Wind geschützt an einem Ort nächtigen. Das war alles, was zählte.

Mein Blick fiel auf das zweite Zelt, das ich erst nach dem Essen neben Luays Jurte entdeckt hatte. Es war genau gleich gross und ich ertappte mich dabei, wie ich darüber mutmasste, wie es wohl im Inneren aussehen könnte. Zahir wirkte trotz seiner Direktheit zurückhaltend und verschlossen. Vermutlich lag es auch daran, dass ich noch keinen Blick auf sein Gesicht hatte werfen dürfen. Es war schon merkwürdig, mit jemanden Zeit zu verbringen, ohne seinen Mund sehen zu können. Als wäre es eine Mauer aus Tüchern, die er aufrecht hielt, um sein wahres Wesen dahinter zu verbergen.

Zahir erhob sich und ich folgte ihm in sein Zelt. Er hielt mir die Plane hoch, sodass ich hindurchschlüpfen konnte.

Im Gegensatz zu Luays Zelt war der Boden nicht mit Holzdielen und edlen Teppichen ausgelegt worden. Unberührter, samtweicher Sand erstreckte sich zu unseren Füssen. Meine Zehen gruben sich darin ein und ich stellte erstaunt fest, dass es warm war, als hätte der Boden die Hitze der Sonne gespeichert.

„Keine Teppiche?", fragte ich.

Ein Kopfschütteln. „Ich will den Sand fühlen."

Den Blick, den ich Zahir von der Seite zuwarf, ignorierte er. Ich spürte dieses dringende Bedürfnis, seine Lippen sehen zu wollen. Keine Ahnung, weshalb, aber die Ungeduld wuchs in mir wie ein Rinnsal in einem Wadi, das allmählich zu einem Bach anschwillt. Dieser Mann verbarg nicht nur sein Gesicht hinter diesem Turban, sondern so viel mehr.

Er ging auf das Bett zu, welches im hinteren Bereich des Zeltes stand. Zu den Füssen der Bettpfeiler leuchteten kniehohe Laternen aus Terracotta, die mit ihrer ockerfarbenen Tönung beinahe nahtlos in den Sand übergingen. Die Kerzen darin tauchten den ganzen Innenraum in ein warmes Licht. Rechts neben dem Bett stand ein Sekretär aus dunklem Wüsteneisenholz mit einem dreibeinigen Hocker. Papyrus und Pergament stapelten sich darauf und in einem Tintenglas erkannte ich sogar eine Schreibfeder.

Zahir räusperte sich. Ich spürte, wie er verlegen wurde. Das hier war sein heiliges Reich. Sein Zelt.

„Ich stelle dir mein Bett zur Verfügung", sagte er und machte eine beiläufige Handbewegung auf die weissen Kissen und Laken.

Zwischen Sand und SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt