Das Hauskätzchen eines Superhelden

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8. Kapitel
/(ʘᴥʘ)\

Izuku war, wenn auch nicht begeistert, bei mir eingezogen. Um ihn im Auge behalten zu können, hatte ich mir kurzfristig zwei Wochen Urlaub genommen, versprach aber weiterhin erreichbar zu sein, sollte es notwendig werden. So hatte ich die Möglichkeit, ihm bei seinen Reha-Übungen zu helfen. Er hatte gute Fortschritte gemacht und konnte sich zumindest in der Wohnung frei bewegen. Die meiste Zeit verbrachte er in seinem Zimmer, doch am vierten Abend kam er zu mir ins Wohnzimmer und setzte sich neben mich. Vielmehr kauerte er sich in die Ecke der Couch, zog die Beine an und schlang die Arme darum. Ich spürte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, dennoch sagte er erstmal nichts. Ich schlug mein Buch zu und legte es auf den Wohnzimmertisch.

„Möchtest du einen Tee?"

Izuku schüttelte den Kopf und holte tief Luft. „Erzählst du mir, was passiert ist? Ich meine ... Also ich kann mich nur noch erinnern, dass ich aus dem Taxi gestiegen bin. Danach ist alles weg. Die Polizei hat mich befragt, aber ich konnte ihnen nichts sagen."

Ich spürte, wie sich ein bitterkalter Schauder über meinen Rücken zog und sich gleichzeitig eine glühende Schlinge um die Kehle legte bei dem Gedanken, wie ich Izuku vorgefunden hatte. - Seinen geschundenen und vergewaltigten Körper. Ich schluckte, senkte meinen Blick und nickte, kaum merklich.

„Du hattest dein Handy liegen lassen und versehentlich meins mitgenommen. Deshalb wollte ich es austauschen."

Ich erzählte ihm alles, auch wenn es mir schwerfiel. Izuku saß nur mit versteinerter Miene da, ohne mich zu unterbrechen. Dass niemand wusste, welcher Drecks-Wichser ihm das angetan hatte, half dem Kleinen auch nicht gerade weiter.

„Ich verstehe", sagte er, als ich geendet hatte. Seine Stimme zitterte so sehr wie seine Hände und er schlang die Arme noch fester um seine Knie.

Von der Seite sah ich Tränen in den Augen glitzern, die er schnell weg blinzelte. Ich hätte ihn gerne in den Arm genommen, um ihm etwas Halt zu geben, doch ich ahnte, dass er das nicht wollen würde. Nicht von mir. Da fiel mir plötzlich etwas ein.

„Sag mal Izuku, hattest du einen Papagei?"

Er sah mich verständnislos an. „Wie kommst du denn da drauf."

„Nun, als ich deine Wohnung betrat, ist da so ein großer roter Vogel aus dem Fenster geflogen."

Izukus Augen weiteten sich und er wurde noch blasser. „Parrot ... Verdammte Scheiße! Er war der Mistkerl. Er kann sich in einen Papageien verwandeln. Das ist sein Quirk."

„Was? Woher weißt du das?" Ich ballte meine Hände zu Fäusten und biss die Zähne aufeinander.

„Das hat mir Sai von der Security erzählt, als er den Wichser aus der Bar befördert hatte. Er vertickt tatsächlich Drogen. Neben Ecstasy und anderen Amphetaminen auch eine neuartige Droge aus China die Quirks verstärkt. Er muss es ..." Er brach ab.

„Scheiße!" Ich war auf den Beinen. „Das müssen wir sofort der Polizei mitteilen! Ich sollte gleich in die Agentur!"

Izuku saß immer noch zusammengekauert auf dem Sofa. Und auf einmal rannen Tränen unaufhaltsam über seine Wangen. Mein Herz brannte, als ich ihn so sah. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Ohne weiteres Zögern setzte ich mich zu ihm, drückte ihn an meine Brust und strich ihm töstend über das Haar.

„Das kann warten."

Noch nicht mal annähernd konnte ich mir vorstellen, was gerade in dem Kleinen vorging, doch auf einmal ließ er seine Knie los und schlang die Arme fest um mich. Mit bebendem Körper krallte er sich regelrecht in mein Shirt und vergrub sein Gesicht an meiner Schulter. Das war wohl zu viel für ihn gewesen. Ich konnte ihn jetzt unmöglich alleine lassen. Nur langsam beruhigte er sich. Mein Herz hingegen zuckte von Sekunde zu Sekunde schmerzlicher in meiner Brust, je länger ich ihn so im Arm hielt, seine wärmende Nähe fühlte und seinen Duft einatmete. Ich wünsche, ich könnte die Zeit zurückdrehen und all die Dinge, die ich ihm angetan hatte, ungeschehen machen.

Heute begriff ich nicht mehr, warum ich ihm das angetan hatte. All das Schreckliche, dass ich ihm gesagt hatte. Worte, die tiefer schnitten als jedes Messer. Ich wünschte, ich hätte noch das Recht, ihn lieben zu dürfen. Doch jetzt war er meine ausgleichende Nemesis, die diesen Sturm in mir entfachte und mir all die Pein zurückzahlte, die ich mehr als verdient hatte.


ᓚᘏᗢ

Mit jedem Tag, der verging, erholte sich mein Körper zusehends. Ohne die Hilfe von Recovery Girl, hätte meine Genesung viele Wochen gedauert, wenn ich mich je ganz davon erholt hätte, doch so waren die Knochen und Wunden verheilt. Nur noch ein paar Narben waren zurückgeblieben.

Zu Beginn war es sehr ungewohnt Kacchan dauerhaft in meiner Nähe zu wissen. Irgendwie schlich er immer wie ein Wachhund um mich herum. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an ihn, zumal er sich nahezu herzerweichend um mein Wohlergehen sorgte. Eine Tatsache die mich verstörte und mich alles, was ich über ihn zu wissen glaubte, infrage stellen ließ. Das ging so weit, dass ich bereute, ihm ernsthaft das Herz brechen gewollt zu haben.

Kacchan gab sich alle Mühe, diesen Fall zu lösen und diesen Parrot zu verhaften. Die Polizei und auch die Helden, die auf den Fall angesetzt wurden, tappten weiterhin im Dunkeln und dieser Drecksack blieb verschwunden. Irgendwann war Kacchan aufgebracht von der Arbeit nach Hause gekommen. Wie ein wütendes Kind warf er Sachen durch die Gegend und knallte Türen zu, dass sie fast aus den Angeln flogen. Er schäumte vor Wut und ich hatte das Gefühl, er würde gleich seine eigenen vier Wände in die Luft jagen. Er ging in die Küche und trank Wasser in dem Versuch, sich zu beruhigen. Doch dann zerbrach das Glas in seiner Hand und er fluchte erneut.

Ich wusste nicht genau warum, aber ich stand auf und ging zu ihm. Ich griff nach seiner Hand. Er knurrte, aber bereits in der nächsten Sekunde bemerkte ich, wie sich seine Atmung beruhigte. Ich sah mir seine Handfläche an, untersuchte sie nach Splittern und Blessuren, aber er hatte sich, den Göttern sei Dank, nicht verletzt.

„Was ist los?", fragte ich und hielt immer noch seine Hand.

Er entzog sie mir und senkte den Blick.

„Der Mistkerl hat das Land verlassen und ist zurück nach China abgehauen, als er merkte, dass Profihelden auf seiner Spur waren."

„Das ist doch nicht deine Schuld."

„Tss..." Offensichtlich sah er das anders.

„Wenn der Typ auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, beruhigt es mich, dass er weit weg ist und ich ihm nie mehr über den Weg laufen werde."

Ich war wirklich froh, dass ich diesen Verbrecher nicht wiedersehen würde. Und langsam wurde es Zeit, mir eine neue Wohnung zu suchen. Aber jedes Mal, wenn ich die Anzeigen checkte, legte sich eine brennende Unruhe auf meinen Magen. Vielleicht sollte ich mir erstmal einen neuen Job suchen. Nachdem die Polizei eine Razzia in der Bar durchgeführt hatte, war ich meinen alten Job wohl endgültig los. Und ich hatte das ungute Gefühl, dass ich auch in keiner anderen Strip-Bar eine Anstellung finden würde. Doch zurück auf die Straße, wie ein billiger Stricher, wollte ich nicht, wenn es sich vermeiden ließ.

Kacchan kam am späten Abend mit einer riesigen Pizzaschachtel die Tür herein. „Ich hoffe, du hast Hunger."

Ich zuckte missmutig mit den Schultern.

„Was ist los, Izuku?" Er stellte die Pappschachtel auf den Esstisch und musterte mich argwöhnisch.

Ich zucke nichtssagend mit den Schultern. Sollte ich wirklich mit ihm darüber sprechen?

„Jetzt spuck es schon aus!"

„Ich bin auf der Suche nach einer neuen Arbeit, aber nach der Aktion wird mich wohl keine Barbesitzer noch nicht mal als Bedienung anstellen."

„Und wie wäre es mit etwas ganz anderem? Du bist clever und bekommst alles hin, wenn du es nur willst."

War das sein Ernst? „Wer stellt schon einen Stripper ein?"

Er setzte sich zu mir auf das Sofa. „Hör mal Izuku, ich hätte da einen Vorschlag für dich. Du musst auch nicht ja sagen. Denk einfach mal darüber nach", sagte er vorsichtig.

„Okay."

„Ich habe einen Entschluss gefasst. Die Idee geht mir seit längerem durch den Kopf. Ich will meine eigene Heldenagentur gründen. Und ich bräuchte ein paar Mitarbeiter. Besser gesagt, ich bräuchte jemanden, dem ich so vertraue, um mit mir die Agentur aufzubauen. Jemand für das Büro. Jemand, der gut mit Menschen umgehen kann und sich gleichzeitig um den Aufbau und Betrieb der Verwaltung kümmert. Ich weiß, du bist ein blitzgescheiter Nerd und ich vertraue dir. Bitte baue mit mir diese Agentur auf."

Ich sah ihn ungläubig an. Wollte er mich auf den Arm nehmen? Aber er wirkte eigentlich aufrichtig und todernst. Dennoch konnte ich es nicht glauben. Es hatte Zeiten gegeben, als wir noch Kinder waren, da wollten wir zusammen, wie alle tollen Profis, eine Heldenfirma gründen. Doch das waren naive Kinderträume und sie waren spätestens da ausgeträumt, als ich begriff, was es hieß, ein Normalo zu sein und unmöglich ein Held werden zu können. Ich würde nie ein Teil dieser Welt sein.

„Ich weiß nicht. Wie soll das gehen? Ich kann doch kein Büro leiten. Ich bin nur ein Stripper."

„Du bist so viel mehr als das. Du wärst mir wirklich eine große Hilfe. Am Anfang wären wir nur zu zweit oder vielleicht zu dritt. Du könntest da hineinwachsen. Du kannst einen Buchhalter einstellen und mir helfen, passende Sidekicks zu finden. Vielleicht kannst du dir auch gute Tipps in Best Jeanists Büro holen. Er hätte bestimmt nichts dagegen. Und wie gesagt, du musst das nicht jetzt entscheiden. Schlaf darüber! Und jetzt lass uns etwas essen!"

In der Nacht lag ich stundenlang in meinem Bett und konnte nicht schlafen. Es war völlig abwegig, ohne Erfahrung die Leitung eines Büros zu übernehmen. Warum bot er mir überhaupt so etwas an? War es immer noch sein schlechtes Gewissen? Das war so verrückt. Ich konnte das nicht machen. Ich wollte mich nicht wie ein Klotz an sein Bein binden lassen, nur weil er glaubte, etwas gutmachen zu müssen. Dabei hatte er es doch längst. Moment mal. Hatte ich das wirklich gerade gedacht? Ich hätte nie geglaubt, dass ich ihm je verzeihen könnte, aber so, wie es aussah, hatte ich das. Umso mehr konnte ich dieses Angebot nicht annehmen. Das war gar nicht meine Welt. Doch dann erwischte ich mich dabei, wie ich schon überlegte, welche Sidekicks ihn optimal ergänzen würden. Ah verdammt! Das kam gar nicht in die Tüte. Ich hatte ein anderes Leben und ich musste wieder zurück. Es war ja ganz angenehm gewesen, das Hauskätzchen eines Superhelden zu spielen, selbst wenn es Katsuki war, aber je länger ich hier war, desto schwerer würde es mir fallen, in meine Welt zurückzukehren. Hier wegzugehen. Weg von ihm. Scheiße!

In letzter Zeit hatten wir manchmal einen Film zusammen gesehen, oder ein Game gezockt. Geredet. Aber ansonsten hielt er sich auf Abstand, wenn er mir nicht bei meinen Reha-Übungen half. Also wie hatte er sich bloß wieder in mein Herz geschlichen? In dieses fragile Ding, das aus tausend Scherben bestand und plötzlich verdammt schmerzte.


No Right To Love YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt