Eine halbe Stunde später öffne ich die Tür der Werkstatt und bin vom unvergleichlichen Geruch nach Holz umgeben. Das Licht brennt noch und das alte Radio in der Ecke gibt leise die übliche Charts Musik von sich, was mir die Gewissheit verschafft, dass Toby noch arbeitet.
Erschöpft hänge ich mein Jackett an einen der Haken neben der Tür und rolle mit den Augen.
Jetzt fühle ich mich schon etwas weniger kostümiert. Jackett und Stoffhose – das bin überhaupt nicht ich.„Hey!", rufe ich, als ich in den großen Raum trete und direkt auf den Kühlschrank in der kleinen Küchennische zugehe, um mir eine der dort verstauten Bierflaschen zu holen.
„Hey!" Toby blickt von seiner Arbeit auf, um mich freudig anzustrahlen.
„Auch eins?", frage ich und er nickt.
Ich löse die Kronkorken von beiden Flaschen und bringe ihm eine davon, um sie neben ihm auf dem Werktisch abzustellen. „Wolltest du nicht nach oben?"
„Oben ist es langweilig, da dachte ich, ich kann auch noch arbeiten", gibt er zurück und widmet sich wieder konzentriert seiner Feile und dem Stück Holz, das vor ihm in den Schraubstock geklemmt ist.
„Oder warten, dass ich nochmal vorbeikomme und erzähle, wie es war?", lache ich und trinke einen Schluck.
„Ist er doch noch gekommen?", will mein bester Freund und Kollege wissen, während er das Holz langsam weiter bearbeitet.
Toby und Holz sind wie füreinander geschaffen. Nie ist er mehr bei der Sache, als wenn er etwas feilen, sägen oder hämmern kann.
Ich lehne mich mit dem Rücken gegen den Tisch. „Nope."
„Nicht wackeln!", zischt er und ich trete schnell einen Schritt vor, um ihn nicht zu stören.
„Aber der Kellner war nett", sage ich beiläufig und lasse in meinem Kopf nochmal das verschmitzte Grinsen des hübschen, jungen Mannes im Restaurant Revue passieren. Und unseren unerwarteten Kuss auf dem Parkplatz.
„Das hat man auch echt nicht oft", murmelt Toby vor sich hin und justiert das Holzstück, das vermutlich einmal ein Tisch- oder Stuhlbein werden soll, im Schraubstock. „Ich war letztens in einem kriechischen Restaurant und da war der Kellner so unfreundlich."
„Es war ein Grieche", korrigiere ich ihn lächelnd.
Toby setzt die Feile wieder an. „Der Kellner? Woher weißt du das? Woran erkennt man Griechen?"
„Nein", lache ich. „Das Restaurant, in dem du warst, war griechisch. Der Kellner heute war ... keine Ahnung. Kein Grieche, denke ich. Oder meintest du deinen Kellner?"
„Meinen Kellner? Ich habe keinen Kellner. Aber der in dem Restaurant war unfreundlich." Toby scheint den Faden verloren zu haben.
„Meiner war auf jeden Fall sehr freundlich und hat mir sogar seine Nummer gegeben", sage ich schmunzelnd und nun habe ich Tobys Aufmerksamkeit doch.
Er hebt seinen Kopf und sieht mich mit großen Augen an. „Damit du ihn anrufst?"
„Das hoffe ich doch", lache ich.
Tobys Augen formen sich zu Schlitzen. „War er heiß?"
„Er war auf jeden Fall ziemlich süß." Ich weiche seinem Blick aus. „Und er hat mich geküsst."
Die Feile fällt polternd herunter und ich zucke zusammen.
„Im Restaurant?", ruft Toby begeistert.
Abwehrend hebe ich die Hände. „Nein, auf dem Parkplatz dahinter."
Er beugt sich nach unten und hebt die Feile auf, ehe er sie am Stoff seiner abgewetzten Jeans abwischt. „Dann ruf ihn an."
Ich schnaube. „Toby, es ist nach Mitternacht. Ich rufe ihn jetzt nicht an."
„Aber er hat dir seine Nummer gegeben. Und er hat dich geküsst. Er will, dass du ihn anrufst." Für ihn ist immer alles glasklar.
Ich rolle mit den Augen. „Er hat aber auch gesagt, dass er heute nichts mehr mit mir trinken gehen kann. Ich mache es morgen. Und vielleicht schreibe ich ihm lieber erst."
„Schreiben ist doof. Der andere hat immer geschrieben und ist nicht gekommen", meckert Toby und setzt die Feile erneut an. „Ruf an."
Ich seufze und trinke den Rest meiner Flasche aus. „Morgen vielleicht. Machst du noch lange?"
Konzentriert betrachtet er das Holz. „Nein, ich mache das noch fertig, dann gehe ich auch hoch."
„Alles klar, dann bis morgen", verabschiede ich mich und verlasse die Werkstatt.
Während ich die zwei Etagen nach oben in meine Wohnung gehe, ziehe ich die Serviette mit der Telefonnummer des Kellners hervor und tippe sie in mein Handy.
Mr. Nick
gebe ich beim Namen ein und frage mich dabei erneut, ob Nick sein Vor- oder Nachname ist.
Als ich wenig später aus dem Badezimmer komme, höre ich, wie die Wohnungstür gegenüber aufgeschlossen wird und weiß, dass Toby nun auch Feierabend gemacht hat.
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Entscheidungssache | ✓
Romance𝐄𝐢𝐧 𝐒𝐢𝐧𝐠𝐥𝐞. 𝐄𝐢𝐧 𝐦𝐢𝐬𝐬𝐥𝐮𝐧𝐠𝐞𝐧𝐞𝐬 𝐞𝐫𝐬𝐭𝐞𝐬 𝐃𝐚𝐭𝐞. 𝐔𝐧𝐝 𝐩𝐥𝐨̈𝐭𝐳𝐥𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐢𝐞 𝐬𝐜𝐡𝐰𝐢𝐞𝐫𝐢𝐠𝐞 𝐄𝐧𝐭𝐬𝐜𝐡𝐞𝐢𝐝𝐮𝐧𝐠 𝐳𝐰𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐦𝐞𝐡𝐫𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐕𝐞𝐫𝐞𝐡𝐫𝐞𝐫𝐧. Lucas springt über seinen Schatten und...
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