1. Kapitel

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Ich hasste es. Ich hasste es vor dieser Türe zu stehen, die mich zur Hölle führen würde. Am Anfang war es noch nicht so schlimm und alle waren nett gewesen. Aber das war alles bloß eine bescheuerte Illusion gewesen, der ich mich hingegeben hatte. Während sie sich als Engel mein Vertrauen beschaffen hatten, planten sie im Hintergrund als kleine, hässliche Teufelchen ihren Hinterhalt. 

So war es mir zumindest vorgekommen.

Dieses falsche Lächeln, das alle zu beginn in den Gesichtern trugen, hatte mich bereits am Anfang völlig eingelullt. Nicht mal erahnt was passieren konnte, hatte ich. Und dann war es bereits zu spät. 

Alles fing mit kleinen Trietzereien an, die ich zunächst als Spaß auffasste. Immerhin war ich ja keine Spaß-bremse. Doch irgendwann wurde es schlimmer. Sie fingen an mich immer häufiger zu beleidigen und zu schlagen. Selbst die von denen ich dachte das sie meine Freunde seien fingen an mich zu ärgern und hänseln. Anfangs hatte ich noch versucht mit jemandem zu reden. Meiner Klassenlehrerin zum Beispiel. Aber meine Situation schien sie nicht besonders zu interessieren.

Eines Tages sprach ich sie an. Die ersten schlimmen Hänseleien waren bereits aufgetreten, und hatten mich schlimm mitgenommen.

»Frau Lamberts? Darf ich dich sprechen?« fragte ich zu Beginn der großen Pause, und tippte sie an den Schultern an.

Sie war eine relativ kleine Frau, nicht größer als 1,60 Meter, aber dennoch größer als ich. Das war aber auch nicht schwer, wo ich damals nur ungefähr 1,50 groß war. Jedes mal wenn ich neben einer anderen Person stand, kam sie mir automatisch wie ein Riese vor. Nur wenige Leute waren kleiner als ich. Ihr Haar trug sie Schulter-lang und hatte eine graue Färbung. Hässlich war sie nicht, auf keinen Fall. Aber ihr Charakter war einer der hässlichsten, die mir je untergekommen waren.

Wie dem auch sei: Sie drehte sich zu mir um, mit ihrem Kaffee und ihrer Brotdose in der Hand und sah mich leicht angesäuert an. Was hatte ich denn falsch gemacht? Wieso war sie so sauer auf mich? Ich verstand nicht.

»Erstens Melissa: Habe ich keine Zeit für dich. Ich habe jetzt Pause, und die möchte ich gerne ohne unnötige Unterbrechungen verbringen. Zweitens: Gewöhne dir das duzen ab. Wir sind hier schließlich nicht bei dir zu Hause, verstanden?« fuhr sie mich an und ich nickte hastig.

Sie lächelte. Es war kein nettes Lächeln. Es war eine Maske, die die eine andere Miene verbergen sollte. Schon von Anfang an hatte ich ihre Aura spüren können, als wäre sie sichtbar. Sie war dunkel und hell zu gleich, aber in meiner Gegenwart lud sich die Abscheu in ihr auf. Ich konnte förmlich erkennen, wie sie sich verdunkelte. 

Dann stiefelte sie aus der Glastür, die in den Hauptteil der Schule führte. Lange sah ich ihr nach. Ich konnte mir bereits denken, dass ich die Pause nicht unbeschadet überstehen würde. Nicht ohne ständig einen Erwachsenen an meiner Seite zu haben. Und dabei würden nicht einmal die mir zur Seite stehen. Die Angst, und die Wut überdeckten alle meine Gefühle. Es wäre eine schlechte Idee in die Pause zu gehen, weshalb ich zu einen von den Tischen ging, die in der Nähe meines Klassenzimmers standen. Ich schob einen der Stühle zur Seite und verkroch mich darunter, bevor ich den Stuhl wieder so nah wie möglich zurück an den Tisch zog. Ich presste meinen Körper gegen die Mauer und machte mich so klein wie möglich.

Ich hatte Angst. So schreckliche Angst, dass man mich hier finden könnte. Ich konnte den Schweiß an meinen Handflächen spüren und wie mein Herz raste. Mein Kopf malte sich schon eine alternativ Situation aus wie ich mich verhalten könnte, falls man mich tatsächlich erwischen könnte.

Aber wie sich rausstellte war meine Angst umsonst gewesen. Keine Menschenseele war auch nur auf die Idee gekommen, sich während der Pause hier herum zutreiben. Erst als es klingelte, kroch ich hervor und stellte mich an die Garderobe. Ich zog meinen bunten Anorak aus und stellte meine Turnschuhe direkt darunter. Ich war die erste und auch die letzte. 

Die Klassenlehrerin der 3b kam um ihre eigene Klasse aufzuschließen, ohne mir Beachtung zu schenken. Ich beobachtete sie, als sie ihren Schlüsselbund herausfischte und die Türe aufschloss. Erst als sie in der Klasse verschwunden war, sah ich zur Glastür. Die ersten aus meiner Klasse, der 3c, betraten den Flur und kamen direkt auf mich zu. 

Einer blieb vor mir stehen und sah mich an. Ich dachte der wollte mir was tun, mich schlagen zum Beispiel. Deshalb machte ich mich kleiner. Doch es kam nichts, er sah mich einfach nur an.

»Weg da. Ich will da meine Sachen hin tun.« sagte er.

Ohne was zu sagen und ohne den Blick von ihm zu lösen, machte ich ein paar Schritte nach vorne, wo sich die Garderobe der 4a befand. Dort pöbelten mich die Schüler an, aber es war mir egal. Die Lehrerin, Frau Schmidt, war eine der zwei einzigen Lehrerinnen, die nett zu mir waren. Danach kam Frau Lose, meine Englischlehrerin. Keiner mochte mich, das spürte ich. Anfangs hatte mich das noch total runter gezogen, aber mittlerweile war es mir egal. Mit der Zeit wurde mir alles egal. 

Heute morgen noch, hatte ich meine gesamte Hoffnung auf Frau Lamberts gesetzt. Sie wäre die einzige gewesen, die noch helfen hätte können. Aber sie selbst war keinen Deut besser. Und ab diesen Tag begann ich diese Frau zu hassen. Und alles was ich danach tat, bereue ich heute kein bisschen. Auch wenn ich es vielleicht sollte.

Wanna see me fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt