Das Schnelle Leben

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Tiefe Nacht irgendwo auf der A4. Ein Mercedes gleitet lautlos durch die Dunkelheit, hier im hügeligen Niemandsland zwischen Dresden und Erfurt. Der Blick des Fahrers streift die beleuchteten Industriegebiete, das orange Licht der Laternen vertreibt die Nacht für ein paar Meter und enthüllt Stahlbeton.
Rissigen Asphalt, Grau in Grau.

Jetzt, kurz vor 3 Uhr, ist die Autobahn fast leer, aber das ist genau seine Zeit, für ihn fängt der Tag erst an. Gerade hat er noch seine Scheine gezählt, stolz auf ihn, noch stolzer auf seinen Besten Freund.

Es ist leise, nur ab und zu hört man ein gedämpftes Rauschen, wenn seine     
S-Klasse ein anderes Fahrzeug überholt.
„Passt ja"
denkt er und lächelt im matten Licht der Autoarmaturen.

200Km/h, Überholungspur, Fast Life.

Und vielleicht ist er jetzt so schnell unterwegs, weil es vor ein paar Jahren diese eine Vollbremsung in seinem Leben gab. Und vielleicht fährt er jetzt so gerne alleine durch die schwarze Nacht, genau zu dieser Uhrzeit, weil für ein paar Jahre Andere bestimmten, was er macht, wann er es macht, wo er es macht. Damals als der Brief zum Strafantritt im Postkarten lag, ein Datum eingerahmt in Juristendeutsch, ein Schlag in die Magengrube auf recyceltem Papier.

Damals als es für drei Jahre in den Knast ging, hat er noch an der Tür gerüttelt, aus Reflex, jedes Mal erstaunt darüber das dieser Zugang verschlossen bleibt.
Rein ja, raus nein.

Als jeden Morgen einer der Wärter kurz überprüfte ob er noch atmet, die Augen aufmacht, in aller früh. Eine Lebendkontrolle.
Damit er niemals vergisst, wo er gerade ist,
ob er träumt, ob er schläft.
„Du bist jetzt hier drin, du kommst hier nicht raus!"

Jetzt, wo sein Leben wieder so schnell wird und unübersichtlich, erinnert er sich manchmal daran zurück, wie gleichförmig die Tage waren, das fade Essen, die kleine Freude wenn man sich druckfrische Zeitung ergattert, ein Kreuzworträtsel löst und im TV - Programm entdeckt, dass heute Abend Circus Halligalli läuft, draußen gäbe es Spannenderes zu sehen, zu erleben, aber drinnen sind zwei Stunden kopf ausschalten wie ein Geschenk.

Und ja er denkt an die Mitgefangenen: Die kaputten, die Traurigen, die Lustigen, die Verrückten und die Tapferen. Die Mörder und die Junkies, die, die beteuern unschuldig zu sein und die, die sich in Strafe und Sühne ergeben. An die Polen die ihm damals in der JVA Görlitz, in dem östlichen Knast Deutschlands ein „Kurwa Kanake" hinterher zischten. An die Aufregung bei den Nordafrikanern, als Anis Amiri kurz vor Weihnachten einen LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt raste.

An alle Geschichten, die einem keiner glauben kann, wenn er nicht selber gesessen hat. Denn das ist eben kein Knastfilm, kein Die verurteilten, kein Blood In, Blood Out sondern echtes Leben, Realität. Als er entlassen wurde, hat er in den ersten Wochen alle Türen offenstehen lassen, hat es nicht ertragen,
wenn irgendwas verschlossen war. Für die meisten Menschen schwer zu verstehen, für die, die schon mal drinnen waren, nachvollziehbar. Irgendwas nimmt man immer mit nach Draußen.

Im Auto riecht es warm nach Zigaretten, nach dem zweiten Red Bull und nach einem teuren Solid Parfum, irgendwas Italienisches aus dem Duty-Free Shop, für die letzte Lieferung saß er wieder im Flieger. Komisch, alles wird immer so schnell normal: Vor Kurzem war seine Welt nur knapp sechs Quadratmeter groß, jetzt geht es für ein Packet um den halben Erdball.
New York City

Vielleicht fallen ihm deshalb immer wieder Geschichten ein, um sich selbst daran zu erinnern. Wie schnell das ging, wie viele Namen er schon hatte in den letzten Jahren.

Draußen hieß er noch S.N.M Member, Der Richter sprach ihn mit „Herr Hernández" an, die Zeitungen nannten ihn „,Adrian H."
und im Gefängnis war er eine Vorgangsnummer der Strafbehörden.

In Freiheit nannte er sich dann „pusher" Um sich immer wieder in den Kopf zu rufen, dass er an keinen dieser Orte zurück will. Und um sich zu daran zu erinnern, das Familie einträglicher ist als das

Straßenbusiness

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