02.

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Am Nächsten Morgen wollte mich mein Wecker wohl ziemlich gerne nerven. Vielleicht war es aber auch Chois Schuld, der mal wieder damit gerechnet hatte, ich würde zu spät aufstehen. Doch zweiteres schien realistischer. Immer noch müde von meiner nächtlichen Tour rieb ich mir über die Augen, als ich am WG-Kühlschrank nach einer Pakung Trauben griff. Natürlich konnte ich es wie ein kleiner Junge nicht abwarten meine Beute zu essen. Doch mir viel ziemlich schnell auf, dass die Trauben recht hart waren. Sie schienen also noch jung zu sein. Mich störte dies aber nur wenig. Unter einem Porridge begraben würde es nur ein kleines Extra darstellen. Ich öffnete die Schranktüren, in denen sich Schüssel und Haferflocken befanden und stellte die genannten Dinge auf den Tisch, der sich in unserer Küche, was größten Teils auch einem Wohnzimmer ähnelte, stand. Als erstes füllte ich die Haferflocken und ein paar halbierte Trauben in die Schüssel, damit mir dann einfiel, dass ich die Milch völlig vergessen hatte aus dem Kühlschrank zu holen. Mit meinem fertigen Porridge setzte ich mich an den Tisch und aß einen Happen davon. Kurz spielte ich mit der Überlegung etwas Honig hinein zu geben, doch ich verwarf die Idee schnell wieder, als ich mir dem Aufwand bewusst wurde. Während ich begann mein Essen zu verschlingen, sah ich mir ein paar Videos auf YouTube an. Und nachdem ich fertig mit essen war, sah ich noch einmal auf die Uhr, bevor ich meine Schüssel neben die Spüle legte. Choi hatte also gestern den Abwasch gemacht. Es war mal wieder an der Zeit, dass ich ihm etwas unter die Arme greifen sollte. Immerhin war er es, der sich am meisten Mühe rund herum um den Haushalt gab. Hilfe bekam er nur selten von mir. In meinem Zimmer kramte ich nach etwas besserem zum anziehen als eine Jogginghose und ein T-Shirt, was bereits mehrere Abende benutzt wurde. Ich suchte mir also eine schwarze Jeans und ein weißes oversize T-Shirt aus dem Schrank und zog mir Socken und Schuhe an, um aus dem Haus gehen zu können. Dazu zog ich meine weißen Sneaker an. Seitdem ich in einer WG wohnte, hatte ich mir viele neue Sachen gekauft. Ein neues Handy, neue Kleidung, so wie bessere Möbel. Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Eltern. Doch ich wollte nicht wie dein armer Schlucker aussehen, wenn ich nach draußen ging. Und viele meiner alten Möbel errinerten mich an die Zeit, in der ich noch in einem kleinen Dorf gelebt hatte. Ich wollte gerade aus gucken und nicht daran denken wie wenig Geld meine Eltern eigentlich hatten. Bevor ich aus dem Haus ging schnappte ich mir noch meine schwarze Umhängetasche und eine Jeansjacke. Danach lief ich zu meiner Bushaltestelle. Was ich vielleicht früher hätte bemerken können war, dass es wie aus Eimern regnete. Doch irgendwie störte mich das nicht. Ich atmete lieber die frische Frühlingsluft ein und betrachtete den breiten Fußgängerweg, an dem Bäume platziert wurden. An der Bushaltestelle angekommen, die nicht weit entfernt von meiner Wohnung lag, musste ich nicht lange auf den Bus warten. Mit dem Bus wurde ich bis vor den alten Kasten aus Ziegeln gebracht, der einen Flügel des Universiätsgebäudes darstellen sollte. Würde die Stadt weiter so machen, müssten sie den Trakt als Glaskasten bezeichnen. Die Fenster erstreckten sich teilweise über die ganze Wand und das selbst in den Hörsälen. Auf alten Bildern hätte ich gesehen, dass es damals kaum ein riesiges Fenster gab. Scheinbar wollten sie das Gegenteil umsetzen. Doch mir sollte es recht sein. Denn ich liebte es morgens durch ein Fenster zu sehen, durch das man eine verregnete Stadt sehen konnte, oder wenn man mal Glück hatte den Park direkt nebenan. Ich öffnete die mit Absicht älter gehaltenen Tür, um in das Gebäude zu gelangen. Danach ging ich einen Gang entlang, der mich zu der Haupthalle führte, in der es unzählige kleiner Läden waren. Größtenteils handelte es sich dabei um Bücherläden, und kleinere Bäkerein. Wenn ich Glück hatte, wurde die Vorlesung noch nicht angefangen. Bei unserem motivierten Dozenten würde es mich nicht wundern, würde er zu spät kommen. Ich öffnete also die Tür des Hörsaals, die nur mit viel Kraft auf ging und Schritt hinein. Natürlich setzte ich mich so wie immer zwei Plätze weiter weg vom Fenster hin in eine der mittleren bis vorderen Reihen. Als ich meine Sachen abgelegt hatte fiel mir bereits auf, dass die Studenten in kleinen Grüppchen miteinander tratschten. Mein Blick fiel aber wieder schnell zu meiner Tasche, der ich meinen Laptop entnahm. Danach versank ich in die Welt der Träume, nachdem ich meine Tasche vor meine Füße gelegt hatte. Dieser Status hielt aber nicht lange an. Eine zierliche Hand legte sich nämlich auf meine Schulter, die mich ziemlich erschreckte. Ich sah zu der Person auf, die neben mir stand. Sofort fielen mir die blauen langen Haare ins Auge, was es mir nicht schwer machte die Person zu identifizieren. Ayumi wank mir lächelnd mit geschlossenen Augen zu, um mich zu begrüßen. Ich lächelte sie an und begrüßte auch sie mit einem guten Morgen. Während sie sich neben mich setzte musterte ich sie. Sie trug eine schwarze Pufferjacke, Jeans und einen weißen Hoodie, auf dem etwas beiges eingenäht war. Genauer erkennen was es war konnte ich nicht. Ich wollte es auch nicht genauestens wissen. Es wäre nämlich ziemlich unangenehm, würde ich ihr auf die Brüste starren. Sie setzte sich also links von mir hin und warf ihre Haare auf der rechten Seite nach hinten. Dadurch konnte ich einen Blick auf ihren Creolenförmigen Ohrring werfen, an dem eine Kette befästigt war. ,,Sitzt du schon länger hier ?", fragte sie, als sie mir kurz einen Blick schenkte, nachdem sie ihre Tasche auf ihren Schoß abgelegt hatte. ,,Nein, erst seit eben. Ich war froh, nicht zu spät gekommen zu sein," erklärte ich. Während ich redete kramte sie ihren Laptop und einen kleinen Block mit einem Kulli aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch vor sich. Danach musste sie lachen. ,,Pünktlichkeit war noch nie eine Eigenschaft von mir. Ich bin froh, dass es nicht nur mir so ergeht," meinte sie daraufhin. ,,Ich glaube jedes Mal wenn wir reden, wirst du mich auf mindestens eine schlechte Eigenschaft ansprechen, oder ?", fragte ich mit einem Hauch Sarkasmus. Ihr Lächeln wurde breiter, wobei sie nebenbei den Laptop aufklappt und startete. ,,Ich fürchte ja." ,,Scheinst ziemlich nass geworden zu sein," führte sie das Gespräch weiter. ,,Wie kommst du darauf ?", fragte ich. ,,Wenn du nicht möchtest, dass dir jede zweite an der Brust hängen bleibt, würde ich beim nächsten mal kein weißes T-Shirt an ziehen," erklärte sie sich daraufhin. Ich sah an mir herunter. Bei meiner Müdigkeit war mir gar nicht aufgefallen, dass bei Regen mein Oberteil recht durchsichtig werden könnte. Seufzend, doch mit einem Lächeln auf den Lippen knöpfte ich meine Jeansjacke etwas zu. ,,Du achtest doch selbst drauf," murmelte ich vor mich hin, woraufhin ich einen Schlag gegen meinen Arm kassierte. Sie tat es mit einem aus Höflichkeit ab und öffnete ihr Postfach auf dem Laptop. Ich machte es mir während dessen wieder zur Aufgabe aus dem Fenster zu sehen und mit meinen Augen die Siluette eines Baumes nach zu ziehen. Nach 5 Minuten Stille tippte Ayumi wieder sanft gegen meine Schulter, weswegen ich zu ihr sah. ,,Der Dozent wird sich wohl um eine halbe Stunde verspäten. Er hat es eben in den Messenger geschrieben," wurde ich sofort von ihr informiert. Ich nickte. Ihre Blicke tragen wieder auf den Display ihres Laptops. In mir ratterte Unmengen an Zahnrädern, wobei ich mich wunderte noch nicht mit den Zähnen geknirscht zu haben, so sehr wie ich über eine Idee von mir nachdachte. ,,Du Ayumi ? Hast du vielleicht Lust ein Getränk mit mir zu kaufen ? Wenn der Dozent eh zu spät kommt, braucht man sich in der Zeit nicht zu langweilen," warf ich lächelnd einen Vorschlag in den Raum. Sie sah von ihrem Laptop auf zu mir und wirkte überrascht. Doch ein Gefühl beschleichte mich, dass es nichts mit meinem Vorschlag zu tun hatte. Plötzlich sah sie wieder zum Display, danach auf die Uhr auf ihrem Handy. Sie kratzte sich am Hinterkopf und schien dabei, als würde sie mit aller Kraft versuchen ihre Verlegenheit zu verbergen, was sie immer panischer machte. Ihre Haare, die sie noch vor kurzem nach hinten geworfen hatte, streifte sie von ihrem Rücken wieder an ihre Wange. ,,Meinetwegen. An was hast du gedacht ?", fragte sie. ,,Einen Eiskaffee," schlug ich mit fragendem Unterton vor. Daraufhin nickte sie nur und stand von ihrem Platz auf. Sie klappte den Laptop zu und legte ihren Block, so wie den Lilli auf das Gerät. Einpacken hat sie diesen nicht. Die Schnalle ihrer Tasche platzierte sie aber dennoch auf ihrer Schulter. Da ich meine Wertsachen eh bei mir trug und ich mir sicher war, dass niemand meinen Laptop klauen würde, ließ ich ihn auch einfach dort stehen. Es gab niemanden der mich hasste. Der uns hasste. Wir waren nicht im Blickfeld von irgendwelchen Vollidioten gewesen, die uns schlechtes wollten. Und darum war ich froh. Mit einem fragenden Blick deutete sie an, dass sie gerne wissen wollen würde, wohin die Reise geht. Ich reagierte darauf mit einem zu Shiftys. Doch wenige Zeit später kam mir in den Sinn zu fragen, ob sie das überhaupt wollte. ,,Also, natürlich nur, wenn du damit einverstanden bist." ,,Kein Problem. In dieser Umgebung gibt es halt nichts besseres als einen Eiskaffee von Shiftys," merkte sie lächelnd an. Lachend folgte ich ihr zur Tür des Hörsaals. Diese Stille zwischen uns war nicht recht unbekannt, doch jedes Mal wenn diese eintraf, brachte es mich um den Verstand. Also versuchte ich jeden Strohalm zu ziehen, bevor es endgültig still wurde. ,,Bist du gestern gut nachhause gekommen ?", fragte ich, als wir kurz vor der Ausgangstür des Unigebäudes waren. ,,Ja. Ich war nur verwundert, dass es schon so spät war. Bist du jeden Abend noch so lange unterwegs ?" ,,Um ehrlich zu sein ja. Seoul wirkt aber immer noch so unerforscht. Ich komme nämlich nicht ursprünglich aus Seoul. In meiner Kindheit habe ich auf einem Hof irgendwo in Ulsan gelebt. Ich lebe zwar schon seit 7 Jahren hier, aber damals habe ich es mich nicht getraut auch nur einen Schritt aus der Tür zu setzen, wenn ich mal nicht zur Schule musste," erklärte ich. Abrupt blieb sie stehen und musterte mich. Verwirrt ließ ich meine Blicke zu ihr wandern, um zu Gesicht zu bekommen, wie sie mich skeptisch musterte. ,,Für einen Stubenhocker hatte ich dich zwar gehalten, aber nicht für einen Jungen vom Dorf." ,,Naja, bevor ich mir das wissen über die Computersprache in das Gehirn gekloppt hatte, habe ich ganze Modemagazine verschlungen. Ich wollte nicht besonders auffallen," erklärte ich ihr. ,,Dann hol dir aber wenigstens beim nächsten mal einen Regenschirm, oder bleib nicht so lange wach." ,,Ich jogge gerne an einem langen Weg hinter dem Wohnblock wo ich wohne. So komme ich nach einem langen Tag dazu, etwas Sport zu machen. Und ab und zu habe ich eben Lust etwas weiter zu gehen. Dabei gucke ich irgendwie nie auf die Uhr." Verstehend nickte sie, presste aber noch ein trotzdem aus den Lippen. Als ich die Eingangstür des Gebäudes geöffnet hatte und Ayumi diese auf hielt, damit sie hindurch gehen konnte, konnte man die Regentropfen immer noch auf den Boden prallen sehen. Perplex blieben wir beide unter dem kleinen Hang stehen, der einen kleinen Bereich vor der Tür vor dem Wasser schützte. ,,Wie wäre es, wenn uns nochmal deinen Schirm leihst ?" Sie atmete ungläubig aus und sah mir ironisch ernst in die Augen. ,,Immer nur bei anderen schnorren," versuchte sie ernst von sich zu geben, vergaß aber ihr Lächeln aus dem Gesicht zu streichen. Ich gab nur ein stumpfes natürlich von mir, doch auch mir gelang es nicht ein Lächeln zu unterdrücken. ,,Ich teste nur für andere, wie höflich die Menschheit heute noch ist." ,,Und ich bin dir dabei zum Opfer gefallen ?", fragte sie, verschränkte dabei ihre Arme vor der Brust. ,,Ich habe dich unter Projekt Dori eingeordnet." ,,Warum Dori ?" Ich verkniff mir ein lachen. Ob ich den Spruch hätte bringen sollen wusste ich nicht. Ich hatte bereits eh zu viel von meinen Gedankengängen ausgeplaudert. Doch für diesen Blick von ihr hätte man töten können. Sie überlegte ziemlich lange, was ich damit gemeint haben könnte. Aber da ich so nett war, gab ich ihr nach einem kurzen Schlag gegen meinen Arm ihrer seits, einen Tipp. Man merkte wie sie mein Lächeln am meisten bei ihrer Unsicherheit störte. ,,Du kennst doch den Film Findet Dori, oder ?" ,,Hast du mich gerade mit einem Fisch verglichen ?", warf Sie geschockt ein. ,,Indirekt, da es dabei nur um deine Haare ging." Erneut sah sie mich fassungslos an. Um etwas Abstand zu gewinnen war ich bereit mich auf den Weg zu stellen, der vom Unigebäude zur Straße führte und auf dem es volle Kanne regnete. Lachend drehte ich mich zu ihr. Während ich ein paar Schritte rückwärts setzte, konnte ich beobachten, wie auch sie anfing zu lachen. Sie krümmte sich beinahe schon vor lachen. ,,So lustig war es nun wieder auch nicht," meinte ich und sah ihr dabei zu, wie sie sich bei meinem Anblick immer noch nicht packen konnte. ,,Ich steh da wie ein Idiot, wenn du weiter so lachst," meckerte ich wie ein kleiner Junge, der zu seinem Geburtstag lieber eine Konsole gehabt hätte als einen Fußball, es seinen Eltern aber auch nicht übel nehmen konnte, da er sie liebte. Als unsere Madam auch mal wieder einen vernünftigen Satz aus sich heraus bekommen konnte und nicht mehr am Lachen war, ging sie auf mich zu. Ich hatte es mir derweil unter einem schmalen römisch angehauchten Torbogen gemütlich gemacht, der den Regen etwas ab fing. Stumm gingen wir in Richtung des kleinen Café. Doch die Stille zwischen uns war ausnahmsweise einmal nicht unangenehm. Glücklicherweise gab es viele Bäume unter denen wir uns entlang schlängelten. Sie hielten nicht viele Tropfen von uns fern, doch es war um einiges besser, als direkt im Regen zu stehen. ,,Diese Gegend hat mich schon immer an Paris erinnert." ,,An Paris ?", fragte ich. ,,Ja, an die vielen Plätze, an denen es rund herum nur Läden und kleine Cafés gibt," klärte Ayumi mich auf. Ich überlegte. Dabei musste ich an ein Modemagazin aus Paris denken, dessen Coverseite aus einem riesigen Eifelturm und vielen alten Gebäuden, mit ein wenig grün hinter dem Eifelturm bestand. Gleichzeitig musste ich auch daran denken, wie ich panisch mit dem Google Übersetzer Wort für Wort übersetzen musste. Ab irgendeinem Punkt hätte ich nur noch das übersetzt, was ich für wichtig aussehend hielt. Im Endeffekt hatten mir die Zeitschriften aber null etwas gebracht. Es wirkte eher wie eine verzerrte Realität. Die Preise der Kleidungsstücke waren auch oft für mich nicht erschwinglich gewesen. Und mir dafür seltsame Blicke meiner Mitschüler in der Oberstufe ein zu fangen war es definitiv nicht wert gewesen. Auch wenn man eine günstige Alternative gefunden hätte. Am besten lernt man wohl doch von den Menschen, die auf den Straßen umher gingen. ,,Eine kleine Referenz sieht man," meinte ich dann aus meinen Gedanken heraus. ,,Nicht wahr, oder ? Die Gebäude sind fast die selben. Wir sind nicht einmal in Europa und die römisch/griechische Bauweise ist bis hier her gedrungen." Ich musste zwangsweise Lächeln. Es dauerte lange bis ich ihren Vortrag über dir Baukunst der Römer und Griechen nicht mehr anhören musste. Doch ich wollte sie auch nicht dabei unterbrechen. Sie wirkte so glücklich dabei, als wäre ich die erste Person, mit der sie darüber sprechen konnte. Es platzte nur so förmlich aus ihr heraus, als wäre sie ein Wasserfall, der niemals aufhörte zu fließen. Und irgendwann war es auch so weit, dass wir vor dem kleinen Café standen.

After a Failed Date Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt