06.

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Knallrot

Als ich mir sicher war, ich würde alleine sein, steckte ich meine Kopfhörer in die Ohren. Es waren nirgendwo Fahrradefahrer zu sehen, die mich wütend anblickten, wenn ich mal wieder das theatralische Klingeln der Fahrradklingel überhört hatte. Auch die Motorräder, die sich unabsichtlich fälschlicherweise auf den Weg schlichen, da es oft Touristen waren, die die Laufwege nicht kannten, standen nicht am Rande des Wegs. Schweiß tropfte mir von der Stirn, als ich ein großes Stück gelaufen war. Es war wohl nicht die beste Idee gewesen, auf eine Flasche Wasser zu verzichten. Bei jeder schnellen Bewegung klimperten meine Schlüssel, die halb aus meiner Hosentasche heraus hingen. Doch was gerade wichtiger für mich war war, dass ich etwas zu trinken holen sollte. In Korea war der Vorteil, dass an jeder Ecke irgendein kleiner Supermarkt geöffnet hatte. Und das egal um welche Uhrzeit. Ich riss mich die letzten Meter zusammen, als ich innerlich eine Route gefunden hatte, die ich ablaufen würde. Als ich an einer der vielen Treppen angekommen war, die einen von diesem hohen Weg wieder herunter ließ, benutzte ich diese. An einem 24 Stunden Shop holte ich mir dann eine Flasche Wasser. Doch gerade als ich bereit war, noch das letzte Stück an Weg zu laufen, was ich wegen des kaufs des Wassers, auf Pause gestellt hatte, erblickte ich eine Person, die mir ziemlich bekannt vorkam. Eine zierliche Gestalt machte es sich in einem knall roten Audi gemütlich. Sie saß auf dem Beifahrersitz und schaute gelangweilt auf ihr Handy, so als würde sie auf jemanden warten. Die blauen Haare, die sie immer offen trug, waren zu einem Zopf zusammen gebunden, den sie gerade locker und ohne sich viel Mühe zu geben, an ihrem Kopf befästigt hatte. Danach ergriff sie wieder ihr Handy und schaute weiter. Am liebsten währe ich wohl zu ihr gegangen. Ich hätte sie gefragt, weshalb sie nicht mehr kam. Weshalb sie mich nun in der Uni alleine gelassen hatte. Hatte ich sie verschreckt ? War es Lana die alles zerstört hat ? Vielleicht fühlte sie sich so unwohl, dass sie nicht einmal mehr in einem Raum mit mir sein wollte. In meinen Fingern spürte ich das Verlangen, meine Finger auf der Glasscheibe abzulegen. Einfach, um den Abstand etwas zu verringern. Vielleicht aich, um ihre Gesichtszüge mit meinem Finger nach zu malen, die sich imaginär auf der Scheibe verewigen würde. Doch in mir spürte ich eine riesige Mauer, die zwischen uns stand. Dabei hatte ich auch das Gefühl, die Scheibe in der Beifahrertür spielte dabei eine große Rolle. Ich konnte sie sehen, aber nicht berühren. In mir sträubte sich alles dagegen, zu ihr hinüber zu gehen. Plötzlich hörte ich hinter mir das klingeln der Supermarkttür. Ich nahm ein auf Wiedersehen wahr und kaum ein paar Sekunden später bewegte sich ein Mann auf das Auto zu, auf das ich so lange gestarrt hatte. Er sah aus wie Mitte 40. Über mir tauchten mehrere Fragezeichen auf. Die unterschiedlichsten Szenarien spielen sich in meinem Kopf ab. Von Verwandtschaft bis hin zu abstraktitäten. Doch als das Auto mit lautem Motor ansetzte zu fahren, spielte es eh keine Rolle mehr. Es spielte keine Rolle mehr, da Ayumi's und meine Blicke die sich trafen alle Gedanken auf Eis legten. In einem Audi, knall roten Audi, mit dem Blick, als wäre ich Teil der Umwelt. Kein Wesen, nicht präsent, nicht wichtig. Alles was ich heute geschafft hatte, wozu mich meine Schwester motivieren musste, zerfiel in Scherben... Der dunkle Schleier legte sich um mich, als würde er genau dort hin gehören. Auf meinen Körper, nur um mich herum. Doch dieses blau. Dieses blau, was meine sonst so graue Welt in Farbe tunkte, brachte mir zeitgleich Hoffnung. Dann geschah es. Der kleine Lichtfleck, der mein Herz krampfhaft am Leben hielt und Hoffnung sendete, wurde heller, als Ayumi's Augen auf mich trafen. Dieses mal ganz so, als würde ihr Unterbewusstsein ihr sagen, dass sie mich kennt. Das sie sich errinern soll. Und kaum hatte ich ihre Aufmerksamkeit erlangt, drohte das Auto bereits zu weit weg zu sein, als das man mich hätte erkennen könnte. Ich sah dem Auto hinterher, auf dessen Beifahrersitz Ayumi sich umgedreht hatte, um in meine Richtung schauen zu können. Vielleicht hatte sie nicht mit mir gerechnet. Und vielleicht auch nicht damit, um welche Uhrzeit wir uns wieder begegnet waren. Der Himmel war in dunklen Farben getränkt, nur ein paar Straßenlaternen ließen ihn heller wirken, als er eigentlich war. Und die Welt, in der alles um uns herum in Zeitlupe verlief, hielt so wie jedes mal nicht lange an. Ich stand noch wenige Sekunden auf der selben Stelle, bevor ich mich aus meiner Trance befreite. Es brachte mir nichts darüber nach zu denken. Ich musste akzeptieren, dass sie nicht mehr in der Uni war, dass sie nicht mehr da war... Und doch verpasste es mir einen kleinen Stich in der Brust. So zog ich wie eine streunende Katze, über den von Blättern rosa gefärbten Weg. Es war, als würde ich hier hin gehören. Jedenfalls, wenn es Abend war, nur noch wenige Seelen auf den Straßen umher irrten und nur noch das fahren der Autos zu hören war.
Das ticken der Uhr machte mich nervös. Der Dozent, der eine Pause von seinem Frühstück nahm, um seine Nase zu putzen, schien zu denken wir seien in der Cafeteria. Er machte es sich mit seinem hellblau-weißen Karohemd auf seinem Stuhl gemütlich und beachtete uns gar nicht erst. Dafür, dass der Rest im Raum gerade eine Prüfung schrieb, war er ziemlich gelassen. Doch wie vor jeder Prüfung hatte er die jammernden Studenten mit den Worten:,, Ihr sagt vor jeder Arbeit, dass sie schlecht wird und am Ende kriegt ihr doch eh eine gute Note." Danach machte ihn mindestens ein Stundent darauf aufmerksam, dass es eine Prüfung und keine Arbeit war. Aber egal ob die Prüfung im Gesamtschnitt gut war, meine Noten bleiben oft unterirdisch. Gerade noch gut genug, um sich durch ein weiteres Jahr voller Qualen durch zu schlagen. Doch ob es das wert war, nicht bei dem Lernstoff mit zu kommen, war eine Sache, die mich länger zum grübeln gebracht hatte. Die Prüfungsbögen waren um Punkt 12 abzugeben. Mein Blick glitt ein letztes Mal über die Blätter, die ich noch vor wenigen Sekunden ausgefüllt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich auch nur ansatzweise etwas richtig hatte. Doch meine innere Stimme sagt mir, ich solle mir gefälligst keine Sorgen machen. So wie alle anderen Studenten hatte auch ich meinen Rucksack bereits geschultert. Ich war einer der letzten, die den Raum verließen. Das letzte Gesicht was noch nicht einmal die Prüfungsbögen abgegeben hatten, als fast jeder bereits draußen war, erregte jedoch beim zweiten mal hingucken mein Interesse. Selbst der Dozent, der die Bögen lieblos in seine Tasche geworfen hatte, ohne auch nur daran zu denken, dass die Blätter knittern könnten, war schneller als sie. Sie war in Gedanken. Ein Fuß setzte sich vor den anderen. Doch selbst beim vorbei gehen beachtete sie mich nicht. Im inneren Kampf siegte meine Dreistigkeit, als ich mich fragte, ob ich sie mit meiner Hand auf ihrer Schulter auf mich aufmerksam machen sollte. Also platzierte ich meine Hand auf ihrer Schulter. Wie eingefroren blieb sie plötzlich stehen. ,,Hey Ayumi," begrüßte ich sie, um die Stimmung etwas zu lockern. Sofort drehte sie sich zu mir und schenkte mir ein Lächeln. Unter ihren Augen deuteten sich Augenringe an. ,,Hallo Haejun. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen," grüßte sie mich ebenfalls und hielt grüßend ihre Hand neben ihren Brustkorb. Ihr Lächeln verflog dabei nicht. Von wegen "lange nicht gesehen". Wir hatten uns vor ein paar Tagen gesehen. Ich dachte an den Abend zurück, an dem sie in dem roten Auto saß. Sie darauf anzusprechen kam jedoch nicht in Frage, in der Hoffnung, sie würde es irgendwann von selbst tun. ,,Da hast du wohl recht," stimmte ich ihr einfach zu. ,,Wie denkst du ist deine Prüfung gelaufen ? Ich wette du schneidest gut ab." Mein freches Grinsen, was beim sprechen auf meinen Lippen lag, sollte neckend wirken. Es erzielte sogar die gewünschte Wirkung. Sie schlug mir gegen die Schulter und lächelte schwach, während sie zu Boden sah. Mein Mund wollte sich gerade öffnen und die Worte wollten aus meinem Mund fließen, die sich, wie ein Stau auf der Autobahn, auf meiner Zunge gebildet hatten. Aber den Worten freien Lauf zu lassen wäre wohl für eine keifende Studentin, die ich nebenbei angemerkt nicht einmal kannte, zu viel gewesen, die unbedingt Ayumi auf sich aufmerksam machen wollte. Ayumi's Blick glitt sofort von mir, in Richtung des Geschrei. Ich zog ein Gesicht wie 3 Tage Regenwetter und sah ebenfalls zu der Quelle des Lärm. Eine deutlich kleinere Brünette Studentin gesellte sich zu uns und schien außer Atem. ,,Hier bist du Unnie. (Ansprache einer Frau zu einer älteren Frau) Du hast uns doch versprochen sofort zum Klubraum zu kommen," meckerte die kleinere. Das schwache Lächeln, was vor Erschöpfung nur so trotzte, stahl sich wieder auf ihre Lippen. Sie konnte scheinbar keinem Menschen einen anderen Gesichtsausdruck schenken. Ihr Sinn für Höflichkeit schien sie dazu zu bringen. ,,Ich komme ja schon. Bis bald," meinte sie, die letzten Worte an mich gewandt und lief der kleinen Brünette hinterher. Unterm Strich hatte ich nichts erreicht, außer sie mit meiner Anwesenheit zu überfallen und sie dann auch schon wieder gehen zu lassen. Ich musste mich bemühen nicht all zu enttäuscht hinter den beiden her zu schauen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 27 ⏰

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