1. Niemals!

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Ich stand am Bahngleis von Gleis 9 3/4. Der rote Zug, der mich und viele andere Schüler nach Hogwarts bringen sollte, stand schon bereit. Es war eine alte einladende Lok, mit vielen roten Waggons und noch viel mehr Abteilen. Golden geschwungene Buchstaben waren an der Seite der Lok aufgemalt. Hogwarts-Express stand dort und machte den Zug nicht weniger einladend, prunkvoll und schön. Um mich herum wimmelt es nur so von Menschen. Eltern, die ihre Kinder verabschiedeten, Geschwister, die weinten, weil sie noch nicht nach Hogwarts durften aber auch Lehrer, die sich nach einem langen Sommer wiedersahen und zusammen in die vorderen Abteile des Zuges einstiegen. Es war so viel los, dass mich kaum jemand wahrnahm, wie ich da alleine herumstand. Noch vor 10 Minuten hatte ich in den Armen meiner Mutter gelegen und viele Ermahnungen über mich ergehen lassen. In diesem Moment hatte ich mich nur schnell in den Zug gewünscht, doch jetzt nicht mehr. Nun wollte ich auch hier mit meinen Eltern stehen, mich von ihnen verabschieden und dann in den Zug gehen mit der Gewissheit, dass sie mir noch hinterherwinken konnten. Mit der Gewissheit, dass ich mich aus dem Fenster lehnen konnte und ihnen zum Abschied winken konnte, während der Zug sich in Bewegung setzte. Doch das konnte ich nicht. Meine Eltern waren Muggel und kamen nicht über die Grenze zwischen Gleis neun dreiviertel und der Muggel-Welt. Sie konnten mir nicht hinterherwinken und sich dabei die Tränen aus dem Gesicht wischen, so wie viele andere hier. Sie konnten mich nicht hier am Gleis verabschieden und mir hinterherblicken wenn ich mir den Weg durch die Menge bahnte und anschließend in den Zug stieg. Sie konnten jetzt in diesem Moment nicht bei mir sein und das machte mich unendlich traurig.
Seufzend erwachte ich aus meinen Tagträumen. „Es hilft nichts, Lily. Du gehst jetzt in den Zug, suchst deine Freunde, redest über die Ferien und kommst verdammtnochmal aus deinem Selbstmitleid raus!", meine innere Stimme, die mich manchmal echt in den Wahnsinn trieb, meldete sich zu Wort. „Ist ja gut", murmelte ich zu mir selbst und setzte mich in Bewegung. Es half ja nichts und meine Freunde hatte ich über die Ferien sehr vermisst und freute mich sie wiederzusehen. Ich hatte die Tage abgezählt wann der Zug mich endlich wieder nach Hogwarts brachte und die Ferien vorbei waren, die ich mit meiner Familie in Griechenland verbracht hatte, was eigentlich sehr schön war. Aber es war ein Urlaub und auch wenn ich bei meiner Familie in unserem kleinen, aber schönen Haus Zeit verbrachte fühlte es sich nicht an als wäre ich zu Hause. Das Gefühl geborgen, sicher und heimisch zu sein hatte ich nur, wenn ich durch die Tür in die Eingangshalle von Hogwarts trat. Nur in Hogwarts fühlte ich mich wirklich zu Hause. Doch es gab immer etwas, das man an seinem Zuhause nicht mochte. Waren es die Nachbarn, der Nachbarshund oder wie in meinem Fall meine Erzfeinde. Klar, die Slytherins mochte ich auch nicht, da sie mich dreckig und schlecht beschimpften, zumindest die meisten, da ich ja eine Muggelgeboren war und kein reines Blut hatte, das für manche ja sooo wichtig war. Ich konnte bei so etwas nur die Augen verdrehen. Nein, ich sprach von vier Gryffindors, die sich die Rumtreiber nannten. Ja, ich sprach von vier Plagegeistern, die in Hogwarts herumstreifen. Ich sprach von Peter Pettigrew, Remus Lupin, Sirius Black und James Potter. Peter und Remus waren in Ordnung, Remus war anständig, schlau und letztes Jahr mit mir Klassenbester. Peter war auch okay, er war lustig und hatte Humor, allerdings hatte ich nicht viel mit ihm am Hut. Dann gab es noch Black und Potter. Die beiden waren Plagegeister schlechthin. Sie heckten Streiche aus, trieben die Lehrer im Unterricht zur Weißglut und brachen Schulregeln. Ich hielt nicht viel von ihnen, sie waren halt Rebellen oder wie auch immer man so etwas nannte.
Ich stieg in den Zug ein und lief durch den Gang. Alle Abteile an denen ich vorbei lief waren besetzt. Kein freier Platz und auch meine Freunde war nicht in Sicht. Ich zog meinen Koffer hinter mir her und lief zügig weiter. Ich hörte ein Pfeifen, das mir klarmachte, dass der Zug gleich losfähren würde und ich immer noch keinen Sitzplatz hatte.
Abteil für Abteil, Waggon für Waggon suchte ich ab doch ich fand meine Freundin nicht. Nur ein paar bekannte Gesichter winkten mit zu, aber die, die ich suchte fand ich nicht. Dafür aber ein freies Abteil in dem ich mich niederließ. Ich hiefte meinen Koffer oben ins Gepäckfach über den Sitzen und befreite meine Katze Lucky aus ihrem Käfig. Dann ließe ich mich seufzend auf der Bank nieder und strich meiner Katze über ihr geflecktes Fell. Schon seit drei Jahren hatte ich nun schon eine Katze, da eine Eule für mich unpraktisch war. Meine Eltern oder meine Schwester Petunien, mit der ich mich zerstritten hatte seit dem ich nach Hogwarts gehen durfte, erschraken sich immer wenn eine Eule mit einem Brief im Schnabel an ein Fenster klopfte. Diesen Schreck wollte ich ihnen ersparen indem ich mir eine Katze kaufte. Außerdem passt eine Katze gut zu mir. Ich war genauso wie sie, kam nur zu Menschen den ich vertraute, schnurrte wenn es mir gut ging und fuhr die Krallen aus, wenn mir jemand zu nah auf die Pelle rückte. Eine Katze war das perfekte Lebewesen um mich zu beschreiben, außer natürlich ein Faultier.
Der Zug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und fuhr langsam aus dem Bahnhof von London. Ich wagte es nicht aus dem Fenster zu schauen, da ist bestimmt eh nur Eltern und Geschwister sah, die halb weinend, halb lachend dem Zug, mit dem ihre Kinder nach Hogwarts fuhren, hinterherwinkten und das wäre zu viel für mein Gemüt. Also senkte ich den Blick auf meine dreifarbige Katze, die sich gerade auf meinem Schoß gemütlich gähnend ausstreckte. Ach, Katze müsste man sein.
Im Gang von meinem Abteil hörte ich Stimmen. Sie kamen näher und schon wurde meine Abteiltür aufgerissen. Und wem blickte ich ins Gesicht als ich den Blick hob? Ja, natürlich es war niemand geringeres als James Potter höchstpersönlich. Hinter ihm kommt ich auch schon den schwarzen Schopf von Black ausmachen. „Evans", begrüßte er mich und lächelte leicht. „Was willst du, Potter?", fragte ich genervt und spürte, wie sich Lucky unter meiner Hand bei meiner Tonlage anspannte. Sie war zwar eine Katze aber einen Beschützerinstinkt hatte sie allemal.
„Ich...", stotterte Potter, sein Lächeln war mittlerweile aus seinem Gesicht gewichen und hatte der Unsicherheit Platz gemacht. Black stieß Potter zur Seite und lachte: „Hier ist ja noch ein freies Abteil." Er sah sich im Abteil um als würde er mich nicht sehen. „Hallo? Bin ich etwa Niemand?", fragte ich empört und pustete mir eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Junge mit den schulterlange schwarzen Haaren lachte wieder: „Oh, hi Evans. Ich hab dich gar nicht gesehen, das muss wohl an deiner Größe liegen. Das tut mir aber schrecklich leid." Ich wollte noch was schlagfertiges erwidern, aber da hatte er es sich auch schon gegenüber von mir gemütlich gemacht. Wenn man Spaß über meine Größe machte gefiel mir das gar nicht. Ich war nicht die größte, aber klein war ich noch lange nicht. Er wollte ich nicht klein sein, allerdings war ich auch zwei Köpfe kleiner als Black. Was könnte ich dafür wenn alle so groß sein mussten? „Ja, Black, dann brauchst du wohl eine Brille, denn so klein bin ich nicht", gab es spitz zurück und beobachtete griesgrämig wie sich auch die anderen drei Rumtreiber setzten. „Jetzt haut aus meinem Abteil ab", fuhr ich sie an und Lucky fauchte leise. „Dein Abteil?", fragte Potter und ließ sich neben Black fallen, „Du meinst wohl unser Abteil, wir sind in der Überzahl." Sein dämliches Lächeln, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte, treibt mich zur Weißglut. „Ich war aber zuerst da", empört ließ ich mich nach hinten in den Sitz fallen und blickte böse in die Runde. Ich sag ja, Katze.
„Pech", Black beugte sich nach vorne und zischte die Worte, dann ließ er sich nach hinten fallen und lächelte siegessicher. Fassungslos sah ich zu Remus: „Jetzt sag doch auch mal was." Doch der braunhaarige Junge, der sich neben mich auf die Bank gesetzt hatte, zuckte nur mit den Schultern. Dann meinte er: „Wir brauchen doch auch einen Sitzplatz oder sollen wir etwa 4 Stunden stehen. Wie stellst du dir das vor?"
„Genau", Potter ließ sich nach hinten fallen und lachte mich frech an, „Du kannst ja auch in ein anderes Abteil gehen, wenn du nicht mit uns sitzen willst." Black musste natürlich noch was beitragen: „Du hast ja vergessen dass wir die coolsten Jungs der Schule sind." Ich rollte genervt mit den Augen. Geht das schon wieder los... „Und du hast vergessen, dass ich immun gegen eure Spielchen bin", zischte ich in Blacks Richtung, der die Hand auffordernd in Richtung Abteiltür hielt, „Vergiss es!" Ich würde mich ganz sicher nicht meines Abteils ist berauben lassen, vor allem nicht vor den Rumtreiben. Ich wandte genervt den Blick in Richtung Fenster, an dem nun Felder und Wiesen vorbeizogen, was mir wiederum sagte, dass wir London innerhalb meiner Diskussion mit den Rumtreiben schon verlassen hatten. Ich fragte mich was meine Freunde gerade machten. Ob sie zusammen in einem Abteil saßen und plauderten? Vielleicht erzählte Alice von ihren Ferien in Spanien oder Mary ließ einer ihrer schlechten Witze los? Vielleicht erzählte Marlene auch von ihren Ferien in einem Zauberer-Ferien-Camp, von dem sie uns vor den Ferien immer vollgelabert hatte? Bevor ich auch nur auf einen Entschluss kommen würde und ohne darauf zu achten, dass noch vier weitere Personen in dem Abteil waren, legte ich meinen Kopf an die kalte Fensterscheibe und schloss die Augen. Das gleichmäßige Rattern des Motors und die gedämpften Stimme führten mich langsam in einen tiefen Schlaf.

Die Rumtreiber ~Feinde können zu Freunden werden~ Harry Potter FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt