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In Torys Kopf dröhnte es und ihr war übel. Angestrengt griff sie sich an die Stirn und fühlte kalten Schweiß. Sie ließ ihre Hand wieder sinken und richtete sich langsam auf. Blinzelnd öffnete sie die Augen. Alles war viel zu hell und in ihrem Kopf war ein ganz leiser, ohrenbetäubender Krach zu spüren, der von links nach rechts und von oben nach unten zu wandern schien. Sie stöhnte, hörte ihre eigene Stimme aber nicht.
Sie blinzelte wieder. Langsam klärte sich ihre Sicht, die weißen Flecken lösten sich und sie konnte verschwommene Konturen erkennen.

Sie saß auf dem Boden. Vor ihr stand das Theken-Mädchen, welches sie dabei beobachten konnte, wie sie sich eine Pistole in den Mund schob.
Tory kratze sich am Kopf.
Als sie die Situation eingeordnet hatte, schaute sie verwundert auf ihre Hände hinab. Sollte sie nicht panisch zu der netten Bedienung stürzen und sie davon abhalten? Aber Tory hatte Kopfschmerzen und wollte gerade nichts lieber, als sich wieder hinlegen.
Diese Idee empfand sie als äußerst anständig und so machte sie sich bereits daran, sich langsam wieder zurück in ihre ursprüngliche Position zu begeben, als sie sah, wie das Mädchen abdrückte. Tory fragte sich erneut, warum sie nicht das Bedürfnis verspürte, dem Mädchen zu helfen.
Irritiert schaute sie sich um. Ja, ganz eindeutig stimmte etwas nicht. Direkt hinter dem Mädchen stand ein Mann, der in Torys Sichtfeld kam, als die freundliche Brünette zu Boden sank. Er sah aus, als hätte ihm jemand gerade einen wissenschaftlichen, hoch differenzierten und mit Fachausdrücken überquellenden Bericht über den Untergang der Welt vorgelegt und sein Hirn wäre gerade noch damit beschäftigt mit sich selbst zu diskutieren, ob das ein Scherz, eine Prognose oder eine feststehende Tatsache sei, von der er nichts mitbekommen hat, weil er zu sehr mit einem Fußballspiel beschäftigt gewesen war.

Tory hatte Kopfschmerzen und wollte sich weder mit Fußball noch mit den Problemen dieses Typen befassen, also wandte sie den Kopf lieber wieder um.

Auf einmal erschien Emy in ihrem Blickfeld. Es sah aus, als würde sie panisch schreien und weinen gleichzeitig und für einen kurzen Augenblick fragte Tory sich, wie ein Mensch dazu in der Lage sein konnte, sein Gesicht auf so verquere Weise zu verziehen, aber dann fiel ihr das Blut an Emys Händen und ihren Wangen auf, und sie machte sich keine Gedanken mehr darüber.

Tory wollte Emy gerne trösten, sie in den Arm nehmen und sagen, dass schon alles wieder gut werden würde, aber sie befürchtete, dass sie sich übergeben müsste, wenn sie noch eine Bewegung machen würde.
Dennoch ruckte ihr Kopf herum, als sie die seltsame Gestalt neben dem am Boden liegenden Mädchen bemerkte.

Es war eine hochgewachsene Person, bestimmt über zweieinhalb Meter groß. Sie war ganz dürr, die Glieder wirkten wie gefroren und jede Bewegung schien schlaksig. Und doch legte sie eine gewisse Eleganz an den Tag, wie sie sich so über den Körper der jungen Frau beugte und die Hände auf ihren Brustkorb legte. Das Wesen wirkte unecht, beinahe farblos. Als wäre es aus einem alten Schwarzweißfilm entflohen. Die Konturen zeichneten sich scharf gegen die Umwelt ab, aber nicht, weil es so deutlich Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern eher, weil es die Umgebung zu verzerren schien.
Tory richtete sich weiter auf und achtete dabei gar nicht mehr auf Emy. Sie war vollkommen auf diesen seltsamen Vorgang fixiert.
Die Gestalt hatte die Hände immer noch auf der Toten abgestützt. Und dann drückte sie zu.
Tory wollte verblüfft nach Luft schnappen, aber ihre Lungen funktionierten nicht so recht. Die Hände der Kreatur versanken im Brustkorb des Mädchens. Ganz langsam, als wäre der Körper aus Fleisch, Blut und Knochen nicht mehr als ein kleiner Widerstand. Und als die Kreatur sich langsam wieder aufrichtete, begann der Körper der jungen Frau zu glühen und leicht zu schimmern. Das Wesen zog die Hände aus ihrem Brustkorb und eine bunt schimmernde Kugel kam zum Vorschein. Tory konnte erkennen, wie dieses Etwas rund und in vielen Farben erstrahlte und doch; irgendetwas war seltsam. Die Kugel war nicht wirklich rund und auch nicht wirklich bunt. Sie war wie umgeben von einer schwarzen Hülle, die die Umrisse des Balls verschwimmen ließ.
Das Wesen hob den verwunderlichen Ball in die Luft, und er machte sich auf den Weg an einen Ort, an den wohl niemand würde folgen können.

Die Gestalt drehte sich um und leere Löcher, in denen das ganze Universum und noch viel mehr zu liegen schien, sahen Tory an.
Das Wesen richtete sich zu seiner vollen Größe auf und kam einen Schritt auf Tory zu. Instinktiv wich sie zurück.
Die Welt um sie herum schien zu verschwimmen, verzerrte sich und rückte in weite Ferne.

»Und du bist dann wohl...«, begann es, und Tory wollte sich ganz klein zusammenkauern und schreien und lachen gleichzeitig, so sehr überforderte sie der intensive Klang dieser Stimme, der durch Wände zu gehen schien. Tory konnte sich vorstellen, dass man dieses Wesen selbst im Vakuum sprechen hören würde. Sie schluckte.

»Victoria.«

Ihr Name auf diese allumfassende Weise betont hörte sich so falsch an und dennoch hatte sie nie etwas gehört, was sie so perfekt beschrieb.
Sie räusperte sich, dann schluckte sie erneut.

»Ja, ja das bin ich.«

Die Gestalt kam noch näher auf sie zu.

»Und wer... wer bist du?«

Das Wesen hielt inne und betrachtete sie einen Augenblick, dann antwortete es: »Ich komme, um euch nach Hause zu bringen. Ich bin am Ende, aber ich bin nicht das Letzte. Ich bin nur der Weg zurück zum Anfang.«

Tory starrte es einige Momente verblüfft an. »Äh, was?«

»Ich hole dich ab.«

»Aber ich hab kein Taxi bestellt, danke.« Tory verschränkte die Arme, nun doch etwas genervt von den unverständlichen Nicht-Antworten der Gestalt vor ihr.

Aber das Wesen ignorierte ihre Worte, bückte sich und umhüllte sie, legte sie in eine tiefe, ruhige und wohltuende Dunkelheit. Torys Kopf gab endlich Ruhe, sie schaffte es gerade noch, eine Frage zu stellen.

»Wohin gehen wir?«

»Nach Hause.«


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970 Wörter


Hallo ihr lieben,

erstmal danke, dass ihr meine Story weiter verfolgt! Ich hoffe, euch gefällt es bis hierhin und ihr bleibt auch weiterhin dran <3

Habt einen schönen Tag/Nacht 

Way back HomeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt