Kapitel 2

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Es ist Montag, mitten im August und zu früh, als das ich einen klaren Gedanken fassen kann.

»Was soll ich anziehen?« Ich stehe mit einem gelben Blümchen-Kleid in der rechten und einem kürzeren blauen in der linken Hand vor Liv.

»Du kannst auch so gehen.« Antwortet sie und schaut demonstrativ auf meinen, nur mit einem BH bekleideten, Oberkörper.

Ich verdrehe die Augen und entscheide mich dann grinsend für das letzte Kleid. Draußen sind ungefähr dreißig Grad und das erst um zehn Uhr morgens, das kurze ist dann vorteilhafter.

»Wann müssen wir da sein?« Frage ich nochmals. Liv schaut auf ihrem Handy nach »Um zwölf. Aber jetzt komm wir müssen uns beeilen, wenn wir noch frühstücken wollen.«

»Ich weis echt nicht warum du so verdammt wach bist. Du hättest dich gestern sehen müssen. Nichts für ungut aber du sahst aus, als hättest du zehn Jahre nicht geschlafen.«

Ihre dunkelblonden Schulterlangen Haare wippen auf und ab, als sie jetzt auch nicht anfängt keine Hüpfer auf der Stelle zu machen. Süß.

»Ich dachte mir, wir könnten nächste Woche, oder Heute ins Tierheim. Schon vergessen was du gestern meintest?«

Stimmt da war ja was. »Ok, jetzt versteh ich dich. Aber wir sollten uns erstmal informieren und so. Ein Baby bekommt man nicht von einem Tag auf den anderen.«

Sie lacht. »Ich weis aber wir können ja wenigstens mal die kleinen Hunde angucken ok? Nur angucken.«

Wie sie dort steht und mich mit ihren großen Augen und dem Schmollmund ansieht, erinnert sie mich stark an ihre kleine Schwester. Lisi hast den gleichen Blick drauf und leider kann ich ihr auch nie was abschlagen. Genauso wenig wie jetzt ihrer großen Schwester.

»Ok, am Freitag ja? Ich habe da nur Vormittag Schicht und du hast eh noch frei.«

Sie nickt und fällt mir lachend um den Hals und gibt mir einen schnellen Kuss auf die Nasenspitze. »Ich vermisse es einfach, jeden Tag von so einem Fellknäul begrüßt zu werden. Oder das spazieren gehen. Auf der anderen Seite aber glaub ich, hätte es Hans hier nicht gefallen. Er hasste Berlin ja schon und  jetzt ist er wenigstens im Wald, da wo er hingehört.«

Ich umarme Liv. Sie hat es noch immer nicht so ganz überwunden und genau deswegen wäre ein neuer Hund eine gute Ablenkung. Kein Ersatz aber vielleicht ein Trost.

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»Da seid ihr ja. Hey.« Chris umarmt uns beide überschwänglich als wir in die Bowlinghalle kommen.

»Lange nicht gesehen.« Sage ich mit einem Zwinkern. Kurz bevor wir zu Livs Eltern gefahren waren, haben wir noch was zusammen gegessen. Chris ist eine kleine Dramaqueen, wahrscheinlich ist das einer der Gründe, weshalb wir uns so gut verstehen.

Hinter ihm erscheint jetzt auch Tim. Er ist das komplette Gegenteil von seinem Freund. Die Haare kurz und Blond immer perfekt gestylt und die Hosen Gebügelt. Als ich ihn das erste mal gesehen habe und er mit einem Polohemd und Bootsschuhen vor mir stand, dachte ich er ist die zu einem Mensch gewordene Spießigkeit. Es stellte sich heraus, das er einer der coolsten Menschen in ganz Hamburg ist und sogar E-Gitarre spielt. Chris dagegen ist eher der Hummel-im-hintern-Typ von Mensch.

Manchmal kann ich mir nicht vorstellen, wie die beiden so unterschiedlich überhaupt zusammen sein können. Und dann fällt mir wieder ein, das Liv und ich ein ähnliches Bild abgeben müssen. Sie mit ihrem Sportlichen Style und ich sehr feminin.

Als wir uns begrüßt haben setzen wir uns an einen Tisch hinten in eine Ecke. Die Bowlinghalle ist in bläulichem Licht getaucht, die meisten Tische sind nicht besetzt. Wahrscheinlich wird es später voller. Jede Minute sind umfallende Kegel und rollende Kugeln zu hören. Ich war noch nie Bowlen aber ich denke nicht, dass ich gut sein werde.

»Wollt ihr was essen? Pommes oder so?« Tim sieht uns fragend an. Wir nicken und er bestellt für uns alle.

»Wie war das Wochenende?« Chris, der seine halb langen Haare heute zu einem kurzen knoten hinten am Kopf gebunden hat sieht Liv fragen an, die wiederum mir einen verschwörerischen Blick zuwirft. Wie auf Kommando zeige ich den beiden meine linke Hand mit dem Ring. Daraufhin beginnt Chris loszukreischen und wir müssen ihm die ganze Geschichte detailreich erzählen.

»Omg, omg omg. Das ist so süß.« Dann, mit einem amüsierten Seitenblick zu Tim »Er sollte sich mal eine Scheibe davon abschneiden.«

Ich muss lachen, denn es stimmt. Tim ist alles, nur nicht romantisch.

Er schenkt mir ein Augenrollen und deutet dann mit einem nicken auf seinen Freund »Er ist auch nicht besser-« Jetzt lenkt sich sein Blick wieder ganz auf Chris »- oder wann hast du das letzte mal was süßes gemacht?«

Die beiden fangen an sich in eine Diskussion zu vertiefen und es wirkt als hätten sie uns und ihre Umgebung komplett vergessen, was ich ihnen nicht übel nehmen kann. Sie kennen sich schon seit zehn Jahren und sind fünf davon zusammen. Wahrscheinlich  benehmen sie sich deshalb immer ein wenig wie ein altes Ehepaar.

»Wollen wir warten, bis sie sich an die Gurgel gehen, oder eingreifen?« Frage ich an meine Freundin gewandt.

Liv lehnt sich leicht in meine Richtung. Ihr nach Kokos-Shampoo duftendes Haar kitzelt mich an der Nase. Ich lege ihr eine Hand auf den Oberschenkel, was sie wiederum mit einem Blick quittiert, den ich nicht ganz eindeuten kann. »Ich denke wir warten einfach ab. Die Rentner werden sich schon wieder beruhigen.«

Ich kichere und lausche dann einfach deren Unterhaltung. Wenn man sie nicht kennen würde, sähe es aus, als würden sie sich gleich wirklich umbringen. Aber die sanften Blicke und das berühren ihrer Hände unter dem Tisch zeigen, das Gegenteil.

»Wollen wir jetzt mal bowlen?« Unterbricht Liv dann irgendwann die Streithähne, welche jetzt wohl wieder merken, dass sie nicht alleine sind.

Tim steht auf und zieht Chris dabei mit auf die Füße, Liv macht das gleiche mit mir. Chris rennt wie ein kleines Kind zu einem der Bahnen.

»Nur zum vorwarnen: Ich bin grottenschlecht.« Sage ich schonmal vorsichtshalber.

Liv drückt meine Hand, die sie noch immer nicht losgelassen hat und will grade was sagen, als Chris einen Strike hinlegt, die Arme in die Luft reißt und siegessicher Tanzt.

»Ich werd eh gewinnen.« Jubelt er, woraufhin Liv's Augen vor Kampfgeist aufblitzen. Sie scheint vergessen zu haben, was sie eben noch sagen wollte, denn sie hat schon längst die Kugel in der Hand.

»Kannst du mir erklären warum wir sie lieben?« Tim steht mir verschränken Armen neben mir. In der Pose und seinem Karierten Hemd sieht er aus als gehöre er eher in den Kongress als in eine Bowlinghalle.

»Das frage ich mich jeden Tag. Jeden einzelnen.« Sage ich lachend.

»Wir sollten sie fertig machen oder?«

»Let's go.« Wir haken uns ein und der Kampf beginnt.

Girlfriends [gxg]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt