Weiße Federn und Zeitsprünge

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[1] Weiße Federn und Zeitsprünge

Okay.

Okay.

Vor mir sitzt ein Wesen mit Flügeln, das behauptet es wäre mein Schutzengel. Das ich nicht lache. Nein im Ernst! Was zur Hölle soll das?!

Womit habe ich das nur verdient?

~ 6 Stunden zuvor ~

"Aua! Lass das!" Ich reiße die Hände meiner Freundin von meinem Kopf. Sie hat versucht ein Nest auf meinem Kopf zu bauen. Ich weiß nicht wieso. Vielleicht weil es Frühlingszeit ist?

Ich fasse mir an den Kopf und versuche ihr Nest abzubauen. Es fühlt sich strohig nach dem ganzen Haarspray an. Alles ist steinhart und klebt fest. Wenn es regnen würde, dann würden die Tropfen von meinem Kopf abprallen. Ich seufze.

"Mann! Du zerstörst mein Werk! Du siehst so bezaubernd aus!", kreischt sie verzweifelt während ich in ihrem "Werk" wühle.

"Ich will aber nicht, dass du auf meinem Kopf Eier legst!", rufe ich entsetzt aus. Sie fährt durch ihre pastell-pinken Haare und schüttelt den Kopf über mich.

Mit einem Plumpsen fällt sie auf das grelle lila Bett, das sie ihres nennt. Nach langem Betrachten wird einem schwindelig. Ihr ganzes Zimmer ist in furchtbaren Neonfarben gestrichen wie Lila-, Blau-, Pink- und Rosatönen.

Augenkrebs. Ob es so etwas gibt? Ich sollte mich nach einem Zimmerbesuch bei ihr untersuchen lassen.

"Addie. Ich habe es gerade geschafft, dass dein widerspenstiges Haar auf der Stelle bleibt. Ich dachte du musst ein ordentliches Erscheinungsbild haben um auf die Trauerfeier deiner Schwester zu gehen!", murmelt sie und erschrickt.

Mit großen Augen schlägt sie sich die Hand vor den Mund. Ich habe ihr nie gesagt worum es geht, aber es war mehr als offensichtlich. Ich meine, ich sagte ihr, dass es sich um einen wichtigen Anlass handelt und es auf keinen Fall wirr und durcheinander wie auf einer Party wirken darf. Was habe ich erwartet?

"Addie?" Ihre Stimme ist sanft während sie sich mir vorsichtig nähert. Sie berührt meine Schulter und ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Mein Herz tut weh. Es schlägt etwas zu schnell und mein Kopf fühlt sich schwer an. Mein Atem geht unregelmäßig. Ich zwinge mich ein und aus zu atmen. Mich zu entspannen. Ich möchte nicht in Tränen ausbrechen. Nicht jetzt; nicht vor ihr. Sie hat das schon viel zu oft mit ansehen müssen. Ich setze die fröhliche fragile Maske auf und lache. Sie sieht mich weiterhin ernst an. Sie weiß, dass ich es überspiele. Wie ich mich wirklich fühle, doch sie weiß, dass sie, als meine Freundin mich nicht zwingen darf. Ich liebe sie darfür.

"Du, Kathy, hast du nicht vielleicht ein schwarzes Kleid? Ich habe keine schönen mehr. Und die meisten sind mir zu klein." Sie grinst, legt ihren ernsten Gesichtsausdruck ab und rennt zu ihrem großen blauen Kleiderschrank.

"Ich wäre nicht die rosa Kathy, wenn ich keine schwarzen Kleider hätte. Mein Rosa passt perfekt zu schwarz! Es sieht einfach so toll aus!", schwärmt sie mir von ihrer verrückten Haarfarbe und ihren Kombinationsmöglichkeiten vor. Das metallische Geräusch von den schabenden Kleiderbügeln erfüllt den Raum bis sie zufrieden mit sich eines aussucht und mir entgegen hält. Es ist eines mit viel Satin, Seide und fliegenden Stoffen. Die Ärmel sind lang und weit. Ich mag es jetzt schon.

Keine 10 Minuten später stehe ich vor Kathy, die mich kritisch betrachtet. Das Kleid fließt an meinem Körper hinab und fällt in sanften Wellen über meine Knie. Um meine Taillie ist ein Gürtel gespannt, der eine kleine goldene Blüte als Krone trägt. Die Ärmel sind weit, wie schon gesagt, doch beginnen sie erst eng und weiten sich zum Ende hin aus, dass es aussieht, als ob mir Flügel wachsen. Ich lächle ein wenig. Es sieht wunderschön aus.

Ich Hasse EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt