Ich bin gerade auf dem Weg zur Küche. Schlaftrunken taumele ich leicht und schenke mir dann lauwarmen Kaffe ein, der komischerweise schon in der Kanne war. Ich bin jedoch zu müde um mich zu wundern, also hole ich noch eine Schüssel und nehme die Müslipackung zur Hand. Es erfüllt der Duft nach Zucker und Honig die Luft. Vollkommen ungesundes Müsli ist eindeutig die beste Medizin, die es gibt wenn man an einem Sonntag müde schnell etwas zu Essen braucht.
Eigentlich lebe ich nur von Instant Nudeln und dergleichen. Es gab schließlich niemanden der mir sagte wie falsch das war und so ließ ich all meine schlechten Eigenschaften übernehmen. Als wäre nur meine Mutter schuld, nicht wahr? Eine bequeme Ausrede, die sich wie heißes Blei auf meiner Haut anfühlt. Brennend und toxisch.Ich werfe mich auf die Couch und schalte den Fernseher an. Irgendein dummes Programm läuft und ich sehe es mir schweigend an. Immer wieder kann man hören wie ich einen Löffel voll mit Müsli in meinem Mund zermalme. Irgendwann in der Werbung fängt ein Mann mich anzubrüllen, dass ich dieses billlige Handy kaufen muss bevor es ausverkauft ist. Genervt schalte ich den Fernseher aus.
Neben mir sinkt die Couch ein als sich eine Person setzt. Mit einem kurzen Hüpfer und der Hoffnung, dass es meine Mutter ist, muss ich festsstellen, dass es sich um den Engel handelt. Er sieht mich mit einem Toastbrot im Mund, welches mit Marmelade bestrichen ist, an. Überrascht zucke ich bei diesem Anblick zusammen. Er sicht leicht dämlich aus, so wie ihm das Brot aus dem Mund hängt. Seine Augen ruhen auf mir so als wäre er genauso überrascht mich zu treffen. In meinem Zuhause.
Ich sehe ihn weiter an und schlürfe meinen Kaffee. Ich werde nicht anfangen mit ihm zu reden. Nachdem er schweigend seine Mahlzeit zu sich genommen hat, flüstert er etwas. Doch er hat es nicht zu mir gesagt und nachfragen möchte ich auch nicht. Es gibt nichts was wir dem anderen zu sagen haben. Wir haben unsere Wüsche sehr klar gemacht. Ich möchte, dass er verschwindet und er möchte nur seine Aufgabe erledigen, die mich jedoch nicht interessiert.
"Was willst du?", gebe ich mich endlich geschlagen und schaue kurz auf. Er schüttelt nur den Kopf und sagt etwas was mich nun wirklich verwirrt.
"Ich brauche deine Hilfe für einen Frühjahrsputz."
"Hä?", gebe ich als wahnsinnig intelligente Antwort von mir.
"Unter dem ganzen Staub kann keiner von euch atmen. Und da du ja anscheinend nur Killerblicke drauf hast, kann ich dir genauso gut zeigen wie du deine Wut kanalisierst und zum sauber machen verwendest.", sagt er mit solch einer rechthaberischen Miene, dass ich fast mein Frühstück auf ihn kotzen möchte. Was bewegt bitte einen Engel dazu mein Zuhause putzen zu wollen? Meine Augen werden schmal als ich ihn leicht irritiert und gesäuert anfunkele.
"Was bist du? Mein Therapeut?! Hau doch einfach ab und dein Atmungsproblem löst sich von selbst."
"Ich habe nichts anderes von dir erwartet, Göre. Du wirst mir helfen, kein aber! Ich möchte nicht, dass du auch noch einen Nutzen aus meiner Arbeit ziehst, deshalb musst du schon mithelfen.", knirscht er. Er hebt seine Hand und blaue Flammen leuchten wie schimmernde Wellen. Sie sind so schön, dass man ihre Kraft unterschätzen kann. Ich fasse mir an meine Schulter in der Erinnerung an meine Berührung mit der Flamme.
"Es ist nicht mal Frühjahr", knurre ich wie ein wildes Tier um dann aufzustehen und Putzlappen zu holen. Ich höre ihn lachen.
Den ganzen Tag motze ich ihn an während wir staubsaugen, alle möglichen Flächen abwischen, Fenster solange putzen bis Vögel dagegenfliegen, den Müll sortieren, den Rasen mähen, Unkraut zupfen, Bäume anpflanzen, die er wie ich vermute aus dem Baumarkt gestohlen hat, ölen die Türe, damit sie nicht mehr quietscht und so weiter.
Ich wasche gerade den Dreck unter meinen Fingernägeln hervor und wundere mich was ihn bloß zu seinen Taten treibt. Jeder hat seine Gründe für die eigenen Taten und seine bleiben mir unergründlich. Genauso wie ich wissen möchte was ihn dazu antreibt an meiner Seite zu bleiben. Offensichtlich bin ich nicht gastfreundlich und werde es auch nie sein. Ich möchte nur, dass er seine sieben Sachen packt und dieses Haus verlässt so wie er es betreten hat. Irgendwie stört es mich den Staub von all den Bilderrahmen und Fenstern gewischt zu haben. Es ist als wollte es nun wieder zum Leben erweckt werden. Ich habe keine Kontrolle über dieses Gefühl, dass das Licht in die Zimmer flößt. Es wirkt wie eine goldene Flüssigkeit, die versucht den Staub auf meinen Erinnerungen und Gefühlen wegzuwaschen. Es irritiert mich, es stört mich. Was tue ich also dagegen?
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Ich Hasse Engel
Romansa»Ich hasse sie. Engel. Sie nahmen mir meine Schwester und taten nichts gegen das was danach passierte. Sie hielten meinen Vater nicht auf als er davon lief und sie retteten meine Mutter nicht vor ihrer Depression. Ich hasse Engel. Jetzt Si...