Klappe, die Neunte

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 „Happy birthday to you, happy birthday to you...", wurde ich am Morgen des 11. Juni von leisen Stimmen geweckt. Mein neunter Geburtstag. Ich schlug die Augen auf und sah Johanna, Eva, Maja, Ava und ganz viele andere Kinder aus meinem Heim um mein Bett herum stehen.

„Alles Gute zum Geburtstag, Lene!" Johanna umarmte mich und ich lächelte. Dann drängten sich Maja und Liana zu mir durch und gratulierten mir ebenfalls. Neun Jahre. Jetzt war ich einfach schon neun! Nachdem Eva mir auch noch gratuliert hatte, scheuchte sie alle Kinder außer Ava und mir aus unserem Zimmer und ich zog mich an.

„Bist du fertig?" Ava stand an der Zimmertür und wartete auf mich. Es war definitiv mein Geburtstag, denn Ava wartete sonst nie auf mich. Sie ging immer dann zum Frühstück, wenn sie fertig war, egal, ob ich mitkam oder nicht. Aber ich hatte mich daran gewöhnt.

„Ja, ich komme." Ich schlüpfte in meine Hausschuhe und zusammen gingen wir nach unten. An meinem Sitzplatz stand ein Schokokuchen, auf dem neun Kerzen brannten und drum herum lagen ein paar Geschenke. Normalerweise standen die Tische in unserem Esszimmer in zwei großen Tischgruppen, aber zu besonderen Tagen wie Geburtstagen wurden sie zusammen geschoben. Ich durfte heute auch am Kopfende sitzen, aber das mochte ich nicht so, weil man dann immer von allen Seiten angestarrt wurde. Nachdem wir uns gesetzt hatten und endlich jeder leise war, durfte ich die Kerzen ausblasen.

„Wünsch dir was!", forderte Johanna mich auf und ich schloss die Augen.

Ich wünsche mir, dass dieses Jahr genauso schön wird wie das letzte. Dafür brauchte ich wirklich nicht lange überlegen. In meinem letzten Lebensjahr war ich ins Finale von The Voice Kids gekommen, hatte mich mit Teodora und Kyria angefreundet und vor allem Lena kennengelernt. Lena, die in ein paar Tagen ein Konzert in Stuttgart gab, zu dem ich mir eine Karte gewünscht hatte.

„So, wer will denn Kuchen?" Johanna verteilte den lecker-aussehenden Schokokuchen und als alle ein kleines Stück bekommen hatten, durfte ich meine Geschenke auspacken. Wie immer packte ich zuerst das Geschenk von Johanna im Namen des Heimes aus, denn das war das einzige Geschenk, was die anderen interessierte. Allerdings meistens nur, damit sie es mit ihren eigenen vergleichen konnten. Vorsichtig löste ich das Geschenkpapier des schmalen Päckchens und beförderte einen Bilderrahmen zutage. Ich drehte ihn um und quietschte leise auf. Es war eine Konzertkarte für das Konzert am 21. Juni hier in Stuttgart. Genauso wie ich es mir gewünscht hatte.

„Danke, danke!" Ich strahlte in die Runde und betrachtete das Ticket mit einem stolzen Gefühl. Mein allererstes Konzert. Und dann auch noch bei Lena. Johanna lächelte mir zu und ich legte den Ramen vorsichtig beiseite, um nach einem anderen Geschenk zu greifen. Es war klein und rechteckig.

„Das ist von Ava und mir.", erklärte Maja mir und ich nickte. Dann löste ich das Geschenkpapier und zum Vorschein kam ein kleines Notizbuch in dunklem Einband. Auf der ersten Seite stand in Avas ordentlicher Handschrift:

Weil du ja jetzt eine Künstlerin bist, brauchst du natürlich auch ein Notizbuch. Für Songtexte, Liedzeilen und verrückte Gedanken.

Deine Ava und Maja

„Danke!" Ich umarmte Maja und Ava, obwohl Ava das nicht so gerne mochte und lächelte. Eine Künstlerin. War ich das wirklich? Der Gedanke fühlte sich jedenfalls sehr schön an. Anschließend besah ich meine drei restlichen Geschenke. Das eine war klein, weich und unförmig; das andere war etwas größer und schmal und das Letzte ein Brief. Ich nahm mir zuerst das kleine und weiche Geschenk und öffnete es vorsichtig. Zum Vorschein kam eine flauschige Stoffrobbe. Sie war hellgrau und hatte ein nettes Lächeln im Robbengesicht. Sie war so süß! Und von Teo, wie die beiliegende Karte zeigte. In ihrer großen Schrift und mit einem goldenen Stift hatte Teo geschrieben:

Heute, morgen, übermorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt