Und so trat Bilbo Beutlin vor seine Hobbithöhle, nachdem er die große grüne Haustüre geöffnet hatte. Er lehnte sich nach vorne und sah nach links und nach rechts den Weg hinunter, um sich zu vergewissern, dass seine Gäste nicht mehr in der Nähe waren und Beutelsend verlassen hatten. Zufrieden stellte er fest, dass dies der Fall war und schob seine Daumen hinter die Träger seiner braunen Hose, die er noch vom Vorabend trug. Keine unangekündigten Besucher mehr, die sich nicht zu benehmen wussten! Die Anspannung fiel mit einem langen Seufzen von ihm ab. Nachdenklich betrachtete er die Umgebung, in der er aufgewachsen war. Am Horizont kroch langsam die Morgensonne über die sanften Hügel des Auenlandes und tauchte alles in ein goldenes Licht. Geblendet kniff der Hobbit ein wenig die Augen zusammen. Während Bilbo weiter hinaus ging, vorbei an den verschiedenen Blumen in seinem Garten, konnte er das weiche Gras, das zwischen den Steinplatten des Gartenpfades wuchs, unter seinen Füßen spüren. Sein Blick wanderte weiter ins Tal, wo sich der See und der große Baum an seinem Ufer befanden. Der Hobbit konnte die Vögel in seinen Ästen zwitschern hören. Unweit davon wurden schon Stände für den Markt aufgebaut und unterschiedliche Waren auf ihnen ausgebreitet. Verärgert dachte der Hobbit daran, dass die Zwerge gestern Abend seinen gesamten Essensbestand verputzt hatten und er nun die Vorratskammern aufstocken musste. Nicht, dass er etwas gegen den Einkauf auf dem Markt hatte, aber wie sollte er so viele Lebensmittel auf einmal den Hügel hinauf nach Beutelsend verfrachten? Und was sollte er tun, falls er dort unten Gandalf begegnete? Dieser war ja anscheinend sehr erpicht darauf gewesen, dass Bilbo die Gesellschaft zum Erebor begleitete. Bilbo würde sogar lieber Lobelia Sackheim-Beutlin treffen als den Zauberer und das sollte etwas heißen! 'Sei nicht töricht, Bilbo Beutlin, schlag dir Gandalf und die Zwerge aus dem Kopf und bring dein Haus auf Vordermann!' Tatsächlich hatte die Gesellschaft eine ziemliche Unordnung hinterlassen, indem sie Schmutz auf ihren schweren Stiefeln hereingetragen und seine gesamten Kochutensilien für das Frühstück ungespült zurückgelassen hatten.
Also machte sich Bilbo an die Arbeit. Als er das Badezimmer und die Küche erledigt hatte, kam er auf dem Weg zum Schlafzimmer am Wohnzimmer vorbei, in dem sein gemütlicher Ohrensessel stand und stockte. Der Vertrag lag immer noch auf dem Wohnzimmertischchen vor dem Kamin. Verärgert stellte Bilbo fest, dass der Zauberer wohl dachte, er würde seine Meinung doch ändern und ihn obendrein noch unterschreiben! Was für eine Unverschämtheit! Der Hobbit griff nach dem Stück Papier und wollte es schon in den Kamin zur Verbrennung stopfen, als er innehielt. Herr Beutlin erinnerte sich noch sehr gut an seine Ohnmacht am gestrigen Abend, die ihn mit Scham erfüllte. Doch da war noch ein anderes Gefühl: Die Abenteuerlust, seine Hobbithöhle zu verlassen, ferne Länder zu erkunden und die Schätze, von denen die Zwerge gesprochen hatten, mit eigenen Augen zu sehen. Thorins Ansprache weckte in ihm den Wunsch, die gestohlenen Kostbarkeiten zurückzugewinnen und den Einsamen Berg vom Drachen zurückzuerobern. An ihrer Seite mit einem echten Schwert gegen das Ungeheuer zu kämpfen, gleichgültig wie aussichtslos und gefährlich das war. Sein beschauliches, gemütliches Leben im Auenland erschien ihm plötzlich schrecklich langweilig. Ein Leben, das keinerlei Unerwartetes für ihn bereithielt. Ein Leben, das genau so verlaufen würde, wie das seines Vaters und Großvaters und Urgroßvaters... Und da war sie wieder, die Tukseite.
Eine Gänsehaut überlief ihn, als er sich daran erinnerte, wie sich langsam die Dunkelheit in den Raum schlich, das Feuer im Kamin mit einem letzten Knacken des Holzes erlosch und der tiefe Gesang der Zwerge alles erfüllte, zu einer Zeit, als alles schlief. Gedankenverloren betrachtete er den Vertrag in seiner Hand. Er könnte zu den ihm in Aussicht gestellten Abenteuern ausziehen, wenn er ihn unterzeichnete. Aber die Gesellschaft war doch bestimmt schon über alle Berge... Wenn jedoch eine klitzekleine Möglichkeit bestand, sie einzuholen... Bevor er den Gedanken überhaupt zu Ende gedacht hatte, eilte Bilbo schon in sein Studienzimmer, um seinen Füller zu holen.
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Little stories
Short StoryEine Kurgeschichte darüber, wie Bilbo Beutlin sich entschied, Beutelsend zu verlassen, Gandalf und die Zwerge zum Einsamen Berg zu begleiten und all die spannenden Abenteuer zu erleben, die ihm in Aussicht gestellt wurden.