6| Von Kameras und Anrufen

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Aiden

Aiden zupft an seinem Kragen herum, während er zwischen Olive und Grayson auf der Couch eingepfercht ist. Um ihm herum herrscht Hektik, alles wird für das Interview, das live im Fernsehen übertragen werden soll, vorbereitet.

Erin hält ihm zum zehnten Mal an diesem Tag das Blatt mit den Antworten für die Fragen unter die Nase. "Denk dran, klar?"

Genervt nickt er. "Jaha."

Strahler werden auf die Band gerichtet und die Kamera ein letztes Mal zurecht gerückt, dann zieht sich die Tourmanagerin hinter den Interviewer zurück und der Director nickt. Sie sind jetzt live.

"So, ich heiße euch herzlich willkommen!", schwärmt der Interviewer der sich, wenn Aiden sich nicht irrt, vorher als Martin vorgestellt hat. "Wir sind sehr geehrt, euch heute Abend hierzuhaben."

Aiden zwingt sich ein Lächeln ab und nickt. Er hat wenig Lust, jetzt gleich auf jede Frage mit einer Lüge antworten zu müssen.

"Wir haben ja lange Zeit nichts von euch gehört, sagt, wie war es so, im Entzug?", fragt Martin und grinst das typische Reporter-Grinsen, wenn sie denken, jetzt hätten sie die ganz große Frage gestellt. Aiden hasst dieses Grinsen.

Olive rutscht etwas auf ihrem Platz herum. "Gut, ja. Wir hatten Zeit zum Nachdenken und so."

Martin nickt. "Sehr gut, sehr gut. Erzählt doch mal, wie ist es überhaupt zu eurer Verurteilung gekommen?"

Grayson wirft Aiden einen Blick zu und er setzt sich etwas aufrechter hin. Er sieht kurz zu Erin, die warnend den Zettel hoch hält und seufzt dann. "Lustige Geschichte, eigentlich." Er fährt sich durchs Haar. "Es ist nämlich so, dass..." Er zögert und beißt sich auf die Lippe. Er will nicht lügen, aber das Management verlangt es von ihm.

"Dass?", meint Martin und Olive stupst den Schwarzhaarigen in die Seite, damit er weiter redet.

"Es ist so, dass so ein Leben als Rockstar ganz schön anstrengend ist", sagt Aiden langsam und heftet seinen Blick auf die Kamera. "Und Stressbewältigung war noch nie so mein Ding, also..."

Erin reißt warnend die Augen auf und Jordan beugt sich ein bisschen nach vorne, sodass sie ihn ansieht. Ihr Blick ist fragend.

Er atmet tief durch. "Also hab ich Drogen genommen. Um mich zu entspannen."

Die Tourmanagerin vergräbt das Gesicht in den Händen, Martin hebt eine Augenbraue und Jordan lässt sich wieder zurück ins Polster fallen. Eine kleine Weile herrscht drückendes Schweigen, dann nickt der Reporter. "Okay." Er zieht das Wort seltsam in die Länge und Aiden runzelt die Stirn.

"Was?"

"Nichts, nichts." Martin ordnet die Zettel in seinem Schoß und wendet sich an Grayson. "Und ihr so? Habt ihr auch..." Er sieht kurz zu Aiden. "Drogen genommen?"

Der Blonde beißt sich auf die Lippe und zieht an einem Faden seiner Jeans. "Naja, also...manchmal, vielleicht."

Kaum, dass er ausspricht, gehen die hellen Strahler, die bis eben noch auf die Band gerichtet waren, aus und die Kamera blinkt nicht mehr. Martin steht auf und sieht Aiden mit gerümpfter Nase an. "Dass du sowas auch noch zugibst, das ist ja armselig."

Aiden ballt die Hände zu Fäusten und steht ebenfalls auf. Er überragt den Journalisten um einige Zentimeter. "Ist es das?" Er stößt Martin gegen die Brust. "Ist es das, hm?"

"Aiden, man." Grayson zieht ihn mit sich, weg vom Reportern, der Kamera und den anderen Leuten.

Er windet sich aus dem Griff des Schlagzeugers. "Lass mich."

"Nein." Der Blonde packt ihn am Kragen. "Das war scheiße von dir, Aiden. So richtig. Hast du überhaupt keine Ahnung, was jetzt passieren könnte? Das Management könnte uns rausschmeißen! Kannst du nicht einfach einmal machen, was man dir sagt?!"

Aiden schubst ihn weg. "Nein, kann ich nicht! Weil es mich krank macht, kapiert! Ich will einfach mal ich sein können! Ich will nicht lügen!"

Grayson seufzt und fährt sich durch seine Locken. "Denny..."

"Halt einfach die Klappe." Er schiebt ihn aus dem Weg und verlässt fluchtartig das Gebäude des Fernsehsenders.

Aiden lässt sich auf die Stufen vor dem Eingang fallen und vergräbt das Gesicht in den Händen. Er hat das Richtige getan, das weiß er, aber es fühlt sich trotzdem beschissen an. Er hat sich keine Gedanken darüber macht, was es für Folgen haben könnte und jetzt ist es zu spät.

Das Klingeln seines Handys reißt ihn aus seinen Gedanken. Er fischt es aus seiner Hosentasche und geht, ohne zu kucken, wer ihn anruft, ran. "Ja?"

"Aiden?", fragt eine ihm viel zu bekannte Stimme. Seine Mom.

Er starrt das Telefon an, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Es darf einfach nicht wahr sein. Antoinette darf seine Nummer nicht haben.

"Aiden?", wiederholt sie ungeduldig und ihr französischer Akzent ruft Erinnerungen in ihm hervor, an die er eigentlich nie wieder hat denken wollen.

"M-Mom." Er hasst, dass seine Stimme zittert, dass er sich nicht unter Kontrolle hat, aber seine Mom hat ihn eiskalt erwischt.

"Was stotterst du denn so rum? Und warum brauchst du so lange um mir zu antworten? Bist du etwa auf Drogen? Wofür zahl ich eigentlich deinen beschissenen Entzug, wenn du danach direkt wieder high bist?", beginnt sie zu zetern.

"Hey!", ruft Aiden wütend und sie hält inne. "Ich hab den Entzug bezahlt! Von meinem Geld! Und ich hab keine Drogen genommen!"

Eine kleine Weile ist es still in der Leitung, dann sagt Antoinette wütend: "Was fällt dir ein, so mit mir zu reden, Junge! Nachdem du mich monatelang ignoriert hast!"

Aidens Hände zittern, als er, ohne ein Wort zu sagen, auflegt. Salzige Tränen laufen seine Wangen hinab und er schiebt sein Handy weit von sich weg, als könnte Antoinette jeden Moment daraus auftauchen.

"Hey." Er zuckt zusammen, als Olive sich neben ihn fallen lässt. "Hey."

"Was ist los? Hast du...geweint?", fragt sie und entgegen seinem Vorhaben, es abzustreiten, löst sich ein Schluchzer aus seiner Kehle. Er will etwas sagen, aber die Schwarzhaarige schließt ihn wortlos in eine Umarmung.

Er wird von Schluchzern geschüttelt und die beiden sitzen gefühlte Stunden auf den Stufen, bis er sich einigermaßen beruhigt hat. Sanft löst er sich von Olive. "D-danke."

"Pf." Sie winkt ab. "Willst du mir sagen, was passiert ist? Ist es was mit Quinn?"

Aiden schüttelt den Kopf und spielt mit dem Schnürsenkel seiner Sneaker. "Nichts mit Quinn." Allein beim Gedanken an sie könnte er schon wieder losheulen, aber er beißt sich auf die Zunge. Für einen Tag hat er definitiv genug Tränen vergossen.

"Was dann? Komm schon Denny, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen", motzt sie und er muss lächeln.

"Schon gut." Er sieht sie an. "Meine...meine Mom hat gerade angerufen."

"Scheiße." Olive beißt sich auf die Lippe. "Woher hat sie deine Nummer?"

"Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht." Er fährt sich durchs Gesicht und stöhnt. "Aber es ist beschissen. Ich...ach scheiße." Er zieht an einer seiner Haarsträhnen. "Ich bin einfach nicht bereit dafür. Ich kann das jetzt einfach nicht."

"Ist schon okay", meint Olive und legt ihm eine Hand aufs Knie. "Ich versteh das. Und die anderen bestimmt auch. Du musst nichts machen, was du nicht willst."

Er sagt ihr nicht, dass er bis vor kurzem fast ausschließlich Sachen gemacht hat, die er nicht wollte. Stattdessen seufzt er nur und nickt. "Ja. Wahrscheinlich hast du Recht."

Aiden steht auf, wird aber von ihr zurückgehalten. "Versprich mir eins, Denny. Mach keinen Blödsinn, okay? Wir kriegen das hin."

Er hebt einen Mundwinkel. "Versprochen."

Stations - Let Me Love You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt