Kapitel 2

204 12 1
                                    

,,Kannst du mich bitte runterlassen."flüsterte ich leise, bestimmt zum zehnten Mal und schloss kurz müde meine Augen. Wir liefen schon eine ganze Weile durch fremdes Gebiet. Die Laubbäume waren zu Nadelbäumen gewichen und der Mond zur Sonne. Langsam hatten wir uns soweit von meinem Rudel entfernt, dass die Verbindungen sich auflösten. Auf meine Hilferufe, die ich durch den Link geschickt hatte, war nie eine Antwort zurückgekommen. Es war so seltsam leise ohne ein Rudellink. Ich fühlte mich so unvollkommen.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich zu Boden gelassen werde. Ich hatte ehrlich gesagt nicht mehr damit gerechnet.

Vorsichtig wie ein Welpe rappelte ich mich auf. Selbst der Boden fühlte sich ganz anders an als zu Hause. Die Nadeln stachen unangenehm in meine Ballen und dadurch, dass die Sonne ungehindert durch die Nadeln der Bäume scheinen konnte, war der Boden angenehm warm. Es war als wäre ich in einer anderen Welt gelandet.

Neugierig zog ich die frische Luft ein wobei ein anziehender Geruch in meine Nase flog. Aufgeregt begann meine Rute zu wedeln und mein Jagdinstinkt erwachte. Sofort senkte ich meine Schnauze zu Boden um die Fährte verfolgen zu können. Es roch nach Kaninchen, nur besser und könnte bestimmt meinen hungernden Magen füllen.

Leise jaulte ich auf als ein stechender Schmerz durch meine Rute fuhr. Der Rouge hatte sich in ihr verbissen und zog mich mit nur wenig Aufwand wieder zu sich zurück. Vor Aufregung hatte ich ihn ganz vergessen gehabt. Ängstlich senkte ich unterwürfig meinen Kopf.
,,Omega." brummte er genervt. Erschrocken hob ich wieder meinen Kopf und blickte ihn mit großen Augen an. Das war das erste Mal, dass er etwas sagte. Ich hatte schon Angst gehabt, dass er seine menschliche Seite komplett verloren hatte.

Grimmig sah er auf mich hinunter bevor er mich mit seinem gewaltigen Kopf in die entgegengesetzte Richtung meines Rudels schubste. Mit hängenden Schwanz folgte ich humpelnd seiner Anweisung und aus dem Augenwinkel sah ich wie er mir folgte. Meine linke Flanke hatte durch seine scharfen Krallen eine offene Wunde erlitten, die bei mir als Omega leider nur sehr langsam heilen würde.

Er schien meinen Rang auch zu kennen, deswegen verstand ich nicht ganz was er von mir wollte. Wieso tötete er mich nicht einfach? Sowieso benahm er sich gar nicht wie ein gewöhnlicher Rouge, denn sie nahmen keine Gefangenen. Ihr einziges Ziel war es zu töten. Doch fragen traute ich mich nicht, mein schwaches Omega Herz war so schon vollkommen in Panik.

Eine ganze Zeit lang liefen wir weiter durch den Wald und somit immer weiter weg von dem Rudel, meinem zu Hause. Obwohl ich durch meine Wunde sehr langsam war und auch manchmal stolperte, beschwerte sich der Rouge nie über mein Tempo. Stattdessen konnte er es sich wohl nicht mehr mit ansehen und lehnte sich an meine Seite, um mich zu stützen.

Irgendwann jedoch langte ich langsam an meine Grenzen, als ein Omega hatte ich schon eine gewaltige Strecke zurückgelegt. Doch meine Wunde war durch das ganze stolpern verdreckt und konnte sich nicht mehr ordentlich schließen, wodurch ich spürte wie sie beim gehen immer wieder aufriss und jedesmal musste ich mit Mühe ein Jaulen oder Wimmern verkneifen. Es war eine reinste Folter und ließ meine Beine vor Erschöpfung zittern.

,,Können wir eine Pause mache?" fragte ich ihn leise. Ängstlich wartete ich auf seine Antwort, die jedoch nicht kam. Kurz überlegte ich, ob er mich vielleicht nicht gehört hatte, doch das war unmöglich. Er war ein Werolf und dann auch noch ein Rouge, sie hatten wegen ihrer ausgeprägten tierischen Seite ein noch viel besseres Gehör als wir.

Es war also ein klares ,,Nein".

Wimmernd versuchte ich durchzuhalten aber als die Wunde wieder aufriss, brach ich zusammen. Zitternd und schnaufend legte ich meinen Kopf auf den Boden. Ich konnte und würde nicht mehr weitergehen. Sollte er mich doch hier zurücklassen!

Schnaubend setzte er sich vor mich hin und betrachtete meine Wunde. Sie war angeschwollen und blutete wieder furchtbar. Es würde wohl nicht mehr lange dauern und es würde sich Eiter in ihr bilden. Erschöpft schloss ich meine Augen. Lebend würde ich es hier nicht mehr heraus schaffen.

Plötzlich fuhr seine raue Zunge wieder über die Wunde und ließ mich vor Schmerzen wimmern.

Er säuberte sie, dachte ich verwirrt.

Nach einiger Zeit hörte er auf. Neugierig öffnete ich wieder meine Augen und beobachtete wie er sich wieder aufrappelte.

Er würde also tatsächlich gehen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, hob er seinen Kopf und unsere Blicke trafen sich. Beruhigend ließ er seinen Kopf gegen meinen streichen bevor er mir einen letzten Wolfskuss gab und in der jetzigen Finsternis verschwand.

Er hatte mich also wirklich zurückgelassen, dachte ich merkwürdig betäubt. Mein Herz zog sich bei dem Gedanken schmerzhaft zusammen. Naja wer wollte auch schon bei einem schwachen kleinen Omega bleiben.

Entführt von einem RougeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt