{chapter 1}

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"Bitte sehr, Mister. Wir haben ab nächster Woche diese auch im Angebot, also kommen Sie gern wieder vorbei."
"Ich werde sehen wie ich kann, danke sehr.", lächelte der Schwarzhaarige die Verkäuferin an, welche seine Geste erwiderte und leicht ihren Kopf senkte, bevor sie wieder zurück an ihre Arbeit ging und der junge Mann im langsamen Schritt den Laden verließ.

Er lief zurück zu dem Hotel, wo er diese Woche bis jetzt geblieben war und betrachtete auf seinem Weg die gestressten Menschen, welche nichts anderes sahen außer ihre eigen Füße - dem Weg folgend, welche sie glaubten, sie müssten es tun.

Als er das große Gebäude betrat, grüßte er den jungen Mann an der Rezeption während er an ihm vorbei ging, am Fahrstuhl auf den rot leuchtenden Knopf drückte und geduldig darauf wartete, dass sich die eisernen Türen vor ihm öffnen würden.

Endlich in seinem Zimmer angekommen, stellte er die neu gekauften Getränke  auf dem kleinen Tisch in seinem Einbettraum ab und griff nach einem der Keckse aus der Packung, bei welchen er vor dem Kauf dachte, sie sahen lecker aus.

Mit dem Kecks in der Hand, sah er aus dem großen Fenster, welches neben dem Bett zu finden war und beobachtete wie ein Flugzeug über den Wolken verschwand. Seit vier Tagen war er bereits hier.
Hier in dieser Welt, welcher seiner doch so ähnlich war. Und doch hatte er wieder nichts gesehen, was ihn beeindruckte.

Gab es irgendwas da draußen, wofür es wert wäre zu bleiben? Wofür es wert wäre zu leben?
Für drei weitere Tage hatte er gezahlt, doch stellte er fest, dass ihm dies wieder zu lang wurde. Er langweilte sich.

Mit einem Seufzen sah er auf die vergoldete Uhr an seinem Handgelenk. Wie könnte er sie kontrollieren? Er hatte keine Ahnung, wie genau das Schmuckstück funktionierte.

Das einzige was er wusste, war dass das Rädchen ihn reisen lassen würde. Wie er diese Sprünge jedoch koordinieren könnte, wusste er nicht.

Wollte er zurück, wüsste er nicht wie.
Doch leider hatte auch die Zeit gefehlt, um ihm zu erklären, wie er sie nutzen sollte, dem gleich wir ihr vorheriger Besitzer es tat.

Eine Träne kämpfte sich - bei jenem Gedanken - ihren Weg über seine Wange, als er diese flink wegwischte, aus Angst jemand könnte sie sehen.
Doch niemand sah sie. Niemand sah ihn, weil niemand ihn kannte. Er war einfach nur eine einzelne Seele, welche allein durch die verschiedenen Parallelen im Universum reiste. Auf der Suche nach einem Sinn. Auf der Suche nach einer Bedeutung.

Sein Erbe bedeutete ihm nichts, nichts außer das außerordentlich selten und alles andere als normal wirkende kleine Schmuckstück an seinem Handgelenk.

Wie sein Großvater vor ihm, wagte er nicht sie abzulegen. Hielt sie stets nah bei sich, da die Angst vor dem Permanenten, irgendwo zu bleiben wo er noch weniger hatte, als von dort wo er herkam, viel zu groß war.

Es gab Zeiten, da bereute er seine Entscheidung. Zeiten, wo er wünschte, er wäre dort geblieben. Hätte auf Herr Lee's Klopfen reagiert und ihm zugehört.

Momente, in denen er dachte, auch wenn niemand sich um ihn scheerte, hatte er wenigstens eine Existenz.
Egal wohin er nun reiste und egal wie lang er wo blieb. Er war ein Niemand. Ohne Identität.

Oft hatte er sich gewundert, ob es ein anderes Ich irgendwo da draußen in seiner Version gab, doch hatte er nach einem Jahr aufgegeben zu suchen. Parallelen hießen nicht gleich Parallelen.

Selbe Welt, ja. Selbe Menschen, nein. Selbe Zeit, nicht immer.
Nie hatte er jemals ein bekanntes Gesicht getroffen und umso mehr Zeit verging, umso einsamer fühlte er sich.

Doch trotz dieser negativen anhäufenden Gefühle, trotz der Einsamkeit und des Unbekannten, welche so stetig vor ihm lagen und ihn verfolgten, genoss er die Freiheit.

Nie sagte ihm jemand, was er tun sollte. Nie verurteilte ihn jemand, für etwas was er tun wollte oder nie begangen hatte. Es gab keinen der ihm etwas verbot oder Grenzen setzte.
Er konnte tun und lassen was er wollte.

Er war frei. Grenzenlos.
Er hatte die Berge, das Meer und die Sterne gesehen. Von den verschiedensten Welten. Er war einmal sogar in der Wüste gelandet und hatte mit Sicherheit keine Ahnung, wie dies passieren konnte.

Die Erinnerung ließ ihn schmunzeln.
Mit seinen Lippen ein Lächeln geformt, öffnete er das Band der Uhr und drehte sie in seiner Hand.

Sei frei, Changbin, geh wohin du willst.
Du hast es verdient glücklich zu sein.
Finde deinen Sinn.

Sein Großvater wusste von seinen Ängsten, seiner Einsamkeit und dem Wunsch seiner Welt zu entfliehen und gab ihm mit seinem Tod die Macht, dies zu tun.
Die feine Gravur bedeutete die Welt für Changbin.
Er hatte es ihm versprochen, er würde einen Sinn finden und wenn er noch weitere zehn Jahre danach suchen müsste.

𝘵𝘳𝘢𝘷𝘦𝘭𝘴 || 𝘴.𝘤𝘣 {𝘴𝘬𝘻}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt