19. Die Hölle

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Dags P.o.V.:

Es war heiß, vergleichbar mit dem heißesten Tag des Jahres - nur, dass es dreimal so schlimm war.

Unruhig saß ich in irgendeiner Ecke, wo ich fast nichts sehen konnte. Alles war dunkel und das einzige, was ich wahrnahm, war die unerträgliche Hitze. 

Und trotz der Hitze, konnte ich auf meiner Haut spüren, wie sich eine Gänsehaut bildete. Von irgendwo her hörte ich eine bekannte Stimme, eine viel zu bekannte Stimme. 

"Vincent?", meine Stimme klang, als würde sie nicht mir gehören, als wäre sie komplett körperlos. Angst schlich in meine Knochen, machte mich nur noch zittriger, als ohnehin. 

Vorsichtig rappelte ich mich auf, schlich so leise wie möglich durch die dunklen Gänge - bis ich plötzlich heller wurde, ich sah die Flammen deutlich vor mir, die Hitze wurde noch deutlicher, es fühlte sich an, dass ich gegen eine Wand laufen würde. 

"Bitte, es tut mir leid, hör auf, bitte", hörte ich wieder Vincents Stimme, versuchte die Quelle davon zu finden. In mir schien sich alles zu verkrampfen, während seine Stimme immer lauter zu werden schien. 

Mit jedem Zentimeter schien in seiner Stimme mehr Schmerz, mehr Leid zu stecken. 

Und als ich endlich den Raum gefunden hatte, woher die Stimme kam, sah ich den ganzen Schmerz auch vor mir. Vincent lag festgebunden auf einer Liege, strampelte verzweifelt dagegen und versuchte die Augen zusammenzukneifen. 

Seine ganze Gestalt schien vor Schmerz zu beben. 

Vorsichtig betrat ich den Raum, sah mich um, aber außer Vincent sah ich nichts - bis mir plötzlich vor meinem inneren Augen der Moment aufgezeigt wurde, bei dem Vincent mir das Herz gebrochen hatte. 

Gleichzeitig schreien wir auf, Vincent bäumte sich auf, krümmte sich anschließend vor Schmerz. Auf seinen Wangen konnte ich Tränen glitzern sehen. 

Ich versuchte meine Hand nach ihm auszustrecken, aber er schien schier unerreichbar zu sein, als würde ich einfach durch ihn hindurchfassen. 

"Bitte, es tut mir leid", es war nur ein Wimmern, "Ich wollte ihm nicht das Herz brechen, ich liebe ihn doch."

Ich erstarrte, es schien sich etwas fest in mir zusammenzuziehen. Es tat weh, so weh, dass es mich fast in die Knie zwang. 

"Vinnie", murmelte ich leise, streckte wieder meine Hand nach ihm aus, wollte die Fesseln lösen. Aber genau in diesem Moment sah ich wieder genau die gleiche Szene wie vorhin und auch Vincent schrie wieder auf. 

"Bitte, hör auf", er fing stärker an zu weinen. 

"Ich werde nicht aufhören", eine tonlose Stimme erfüllte den Raum, ließ mich zusammenzucken, bevor ich Vincent wieder aufschreien hören konnte. Wieder versuchte ich ihn loszubinden, aber meine Hände glitten durch das Seil hindurch. 

Mit großen, traurigen Augen sah ich ihn an, während er nur angestrengt atmend die Augen zusammengekniffen hatte. 

"Bitte, ich liebe dich, Dag, das tu ich wirklich", schluchzte er leise, "Es tut mir leid."

Nun war ich es, der schrie, ihn verzweifelt ansah und mich dann umsah. "Bitte, lass ihn gehen, bitte."

Ich brach in mir zusammen, fing an zu weinen, wie stark, das wusste ich nicht.

"Es wird nicht aufhören", ein dämonisches Lachen erfüllte den Raum, "Willkommen in der Hölle."

Ich schrie lauter. 

"Dag, Dag, bitte, wach auf, es ist nur ein Traum", eine hektische Stimme, die ich im ersten Moment überhaupt nicht zuordnen konnte, war dicht über mir, schüttelte mich sanft. 

Ich zitterte stark, öffnete schwer atmend die Augen und sah direkt in die von Daniel, der mich immer noch an den Schultern festhielt und mich anschließend in seine Arme zog. "Ich bin hier, alles ist gut."

Es war ein Traum gewesen, auch wenn er sich noch so echt angefühlt hatte. 

"Er hat gesagt, dass er mich liebt", flüsterte ich mit heiserer Stimme, es hörte sich an, als wenn ich stundenlang geschrien hätte, "Ich hab geträumt, dass er mich liebt."

Ich fing an zu weinen, hysterisch schluchzend hielt ich mich an ihm fest, krallte mich in sein Shirt. Alles an mir zitterte. 

"Dag", fing er vorsichtig an, zog mich mehr zu sich, nahm mich fester in den Arm, aber ich schluchzte nur wieder, sah ihn mit vollkommen verheulten Augen an. 

Er verstummte, sah mich nur besorgt an, während ich wieder mehr anfing zu heulen, die Zähne fest zusammen biss, um nicht wieder anzufangen zu schreien. 

"Aber das kann nicht sein", wimmerte ich leise, verkrampfte mich und schluchzte auf, "Weil wir nie mehr als Freunde sein werden."

Alleine es auszusprechen, versetzte mir so einen schmerzhaften Stich im Herzen, dass ich zusammenzuckte und anschließend zusammensackte. 

Die Übelkeit kam wieder, auch wenn ich versuchte sie zu unterdrücken, zwang sie mich dann doch in die Knie. Ich kam kaum aus dem Bett, weil meine zitternden Beine nicht so wollten, wie ich. 

Ich stolperte ins Badezimmer, schaffte es kaum rechtzeitig zur Toilette, bevor ich mich übergeben musste, auch wenn ich nichts als Wasser spucken konnte. Immer wieder würgte ich, hielt mich dabei zitternd an dem Rand der Toilette fest und kniff dabei verzweifelt die Augen zusammen. 

Vorsichtig legte Daniel eine Hand auf meinen Rücken, stützte mich von hinten, während ich wieder nur Wasser erbrechen konnte. 

Leise wimmerte ich auf, ließ mich gegen ihn fallen und schlang um den Bauch und kniff die Augen wieder zusammen. Ich atmete schwer, bemerkte, dass es mir immer noch körperlich schlecht ging - wenn nicht sogar schlechter. 

Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren, außerdem hatte mich auch das letzte bisschen Kraft verlassen, selbst, wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht vom Boden hochgekommen. 

Das schien Daniel zu bemerken, weil er mir nur schnell ein Glas Wasser in die Hand drückte, ehe er mich auch schon hochhob und wieder ins Bett trug. In seinen Augen schwamm die Besorgnis, während er vorsichtig über meinen Kopf strich. 

"Du musst wenigstens ein bisschen was trinken, sonst dehydrierst du", murmelte er leise, ehe ich leicht von dem Glas nippte, mich anschließend wieder mehr in die Decke kuschelte, die Daniel um mich gewickelt hatte. 

Stumm beobachtete ich ihn dabei, während er Fieber maß und mir Medikamente gab, die er wohl gekauft hatte, denn ich besaß so etwas nicht. 

Er legte sich zu mir ins Bett, nahm mich fest in den Arm, sodass ich meinen Kopf auf seine Brust legen und seinen Herzschlag hören konnte. Normalerweise genoss ich das total, aber jetzt fühlte ich mich innerlich einfach nur leer. 

Ich schloss die Augen, während die Tränen wieder über meine Wangen liefen, ich immer wieder leise schluchzte und auch das Zittern ließ sich einfach nicht abstellen. Vermutlich weinte ich Daniels komplettes T-Shirt nass, aber er sagte nichts dazu, strich nur immer wieder vorsichtig durch meine Haare. 

Jedes Mal wenn ich die Augen schloss wurde es nur schlimmer, wurde der Schmerz nur schlimmer. 

"Ich weiß, es tut weh, Dag, es tut richtig weh, aber ich bin bei dir, versprochen", flüsterte er leise, "Ich bin immer bei dir."

Ich versuchte ein Nicken zustande zu bringen, aber ich schaffte es nicht so richtig, weil ich immer noch heulte, mich einfach nicht beruhigen konnte. 

Und so lag ich dicht an ihn gepresst, fühlte mich scheiße und war komplett müde - aber zu schlafen traute ich mich nicht mehr. 

Mit verheulten und brennenden Augen starrte ich an die Decke, wimmerte immer mal wieder leise. 

Meine richtige Hölle begann erst jetzt. 

Die kleine Geschichte von Vincent und dem Lieferboten - SDP FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt