Kapitel 5

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Während wir im Gang vom Flugzeug standen und darauf warteten, dass wir aussteigen konnten, beschloss ich, alle meine Sorgen über die Zukunft hier an Board zu lassen und positiv an die Sache ran zu gehen. Dieser eine Schritt vom Flugzeug raus auf die Treppe sollte es werden. Dieser eine Augenblick.
Doch ich hatte es deutlich unterschätzt. Wir standen uns viel länger die Beine in den Bauch, als ich vermutet hätte. Es ging zwar Stückchen für Stückchen voran, aber immer wieder musste man sich ducken, weil irgendein Passagier noch etwas aus dem Gepäckfach holen musste. Einmal bekam ich fast eine Tasche auf den Kopf. Aber Patrick reagierte blitzschnell und fing die Tasche gerade noch rechtzeitig auf. "Ey, passen sie doch auf!", fuhr er den Mann schroff an. Doch er nuschelte eine kaum verständliche Entschuldigung und schob sich nochmal in einer der Sitzreihen, um in Ruhe in seiner Tasche kramen zu können. "Unmöglich...", brummte Patrick.
Auf einmal ging es schneller voran. Trockene Hitze empfing mich, als ich durch die Flugzeugtür trat. Das war es also. Dieser eine Moment. Ok, ab jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, wie die Zukunft aussehen würde. Einfach diese Treppe runter steigen und schauen was passiert.

Zuerst fuhren wir mit einem Shuttlebus rüber zum Terminal. Dort mussten wir uns erst an der Passkontrolle anstellen und anschließend auf die Koffer warten. Die Halle mit den Gepäckbändern war riesig. So riesig sogar, dass wir erstmal auf einem Bildschirm gucken mussten, zu welchem der zahlreichen Gepäckbänder wir mussten. Es lag fast am anderen Ende. Auf dem Weg dahin ging ich noch auf Klo und war echt erstaunt, wie sauber es doch war. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Bis wir beide Koffer hatten, mussten wir über eine Stunde warten.
Aber auch wenn Celina so lange auf uns warten musste, sie freute sich trotzdem uns zu sehen. Sie hatte draußen mit einem kleinen Pappschild in der Hand gestanden und begrüßte mich mit einer Umarmung.
"Es tut mir so leid, was mit deinen Eltern geschehen ist.", beteuerte sie, "Aber Patrick und ich werden alles dafür tun, dass du dich bei uns wohl fühlst!"
Durch die tolle Begrüßung fühlte ich mich auf jeden Fall schon mal willkommen. Und irgendewie hatte ich das Gefühl, dass meine ganzen Befürchtungen in den letzten Tagen total unnötig gewesen waren und hier wirklich alles toll werden würde.

Das Auto hatte sich durch die Sonne wieder richtig aufgeheizt, aber innerhalb weniger Minuten konnte Patrick, der fuhr, es wieder auf eine angenehme Temperatur runter kühlen. Celina hatte mir angeboten, dass ich vorne sitzen konnte, aber da ich eine leichte Müdigkeit verspürte, lehnte ich dankend ab. Sollte ich einschlafen, dann konnten sich die beiden wenigstens problemlos unterhalten.
Aber so weit konnte es gar nicht kommen. Die ersten Autominuten führten uns durch die Stadt Hurghada. Der chaotische Verkehr, die vielen Läden und Menschen forderten meine gesamte Aufmerksamkeit.
Und auch als wir aus der Stadt rausfuhren, fand ich es immer noch ziemlich interessant aus dem Fenster zu schauen. Es gab nicht viel zu sehen, aber hin und wieder gab es doch mal eine schöne Landschaftsformation, einen Straßenhund oder ein Fahrzeug, dass in Deutschland von der nächsten Polizei wegen Straßenuntauglichkeit rausgezogen wäre.

Es war ruhig im Auto, niemand sprach ein Wort. Celina und Patrick schienen erstmal alle Eindrücke auf mich wirken lassen wollen. Ich fand das gantz gut, denn so hatte ich die Chance, mir alles anzugucken und mit der Zeit auch ein wenig runter zu kommen.
"Ist es in Ordnung, wenn ich ein wenig Musik anmache?", wollte Patrick wissen, da hatten wir etwa eine Stunde Fahrt hinter uns. Die Musik, die er dann an machte, war wohl arabishe, also dass, was man hier hörte. Ich war überrascht, wie gut ich sie fand. Ich mochte den Rythmus, denn die Lieder hatten.

Nachdem wir anfangs dauerhaft links und rechts Wüste gehabt hatten, wich auf der linken Seite die Sand- und Steinformationen dem Meer. Ich war gerade dabei gewesen, etwas wegzudämmern, aber ich wurde wieder hell wach, als ich das viele Wasser sah. Ich hielt den Atem an, so schön fand ich den Anblick. "Gefällt's dir?", fragte mich Celina, die sich zu mir umgedreht hatte. Ich war sprachlos und brachte nicht mehr als nur ein begeistertes Nicken mit einem komischen, bestätigenden Laut zu stande.
Kurz darauf kam eine Stadt. Sie war nicht so groß wie Hurghada und hatte auch nicht so große Häuser, aber hier fühlte ich mich mittendrin. Das Verkehrschaos war hier noch größer. Motorrädern schlängelten sich hupend zwischen den Autos hindurch. Menschen überquerten  ohne groß auf den Verkehr zu achten. Einmal sah ich sogar ein klappriges Motorrad, wo vier Menschen ohne Helm drauf saßen. Davon sogar ein kleiner Junge.
Und all das funktionierte hier ohne einen Unfall. Klar, Patrick musste hier und da mal ein wenig bremsen und er fluchte mit Wörtern, die ich noch nie gehört hatte, aber es funktionierte.

"Ab jetzt ist es nicht mehr weit.", meinte Patrick, als wir aus dem Ort wieder rausfuhren, "Nur noch etwa 20 Minuten Fahrt." "Ah, dann ist das die Stadt El-Quseir gewesen?", fragte ich und sprach das Wort so aus, wie man es schrieb. "Das e-i spricht man wie ein i-e und nach dem Q-u auch ein i, also El-Quseir (El-Quisier).", erklärte mir Celina. Ich sprach das Wort nochmal nach und hatte es auf Anhieb richtig.

Stadt, Land, MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt