Alisha White

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Kim verließ das Gebäude, welches auf den ersten Blick verlassen wirkte und in einem einsamen Fabrikgelände stand, mit Mick in dessen Auto.
Nervös spielte sie an den Ringen an ihren Fingern.
"Das machst du nicht wirklich, oder", fragte Mick, ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
Sie schreckte hoch und starrte ihn einen Moment lang an. "Ich... Ich hab wohl keine andere Wahl, oder? Ich brauche das Geld."
Würde sie jetzt den Auftrag nicht erfüllen, würde man sicher nach ihr suchen. Entweder würde ihr Chef sie suchen lassen oder ihr die Polizei auf den Hals hetzen, um sich zu rächen.
Immerhin hatte er ihr ein Startbudget von dreihundert Dollar gegeben, damit sie für die Tage, die sie damit verbrachte, das Opfer ausfindig zu machen und zu beschatten, ausreichend versorgt war.
Sie würde sich absetzen müssen und könnte erst wiederkommen, wenn es sicher für sie war.

Mick knabberte auf seiner Unterlippe herum und setzte den Blinker nach rechts. "Wenn du den umbringst und du dabei erwischt wirst oder so, bist du am Arsch. Jetzt mal ehrlich, willst du deine Freiheit riskieren für ein bisschen Kohle?"
Automatisch fiel Kims Blick auf die Plastiktüte mit dem Geld darin.
Sie stieß genervt die Luft aus und richtete den Blick aus dem Fenster, als Mick abbog. "Ich will es ja nicht machen und bin mir der Risiken bewusst, aber welchen Beruf soll ich denn sonst ausüben? Wer würde mich nehmen, nachdem ich bei der Navy rausgeflogen bin?"
Es war immer noch ein wunder Punkt, denn ihrer Meinung nach hatte ihr damaliger Chef gar nicht das Recht gehabt, sie rauszuschmeißen. In ihr stieg erneut Zorn auf. Klar, sie hätte ihn nicht schlagen müssen, aber er hatte sie unfair und respektlos behandelt.
"Beruhig dich", warnte Mick. Mittlerweile erkannte er die Zeichen, wenn sie wütend würde, auch wenn sie ihre Gefühle mittlerweile ausgezeichnet unter Kontrolle hatte. Musste sie auch, bei dem ganzen Scheiß, den sie gesehen und erlebt hatte.
"Du darfst das nicht machen, Kim. Du musst wohl abhauen."
Sie schloss die Augen und lehnte sich gegen den Sitz. "Ich weiß", murmelte sie betroffen. "Aber wo soll ich denn hin?"
Mick überlegte einen Moment. "Florida", sagte er dann mit sehr viel Überzeugung.
"Florida?", wiederholte sie ungläubig.
"Ich weiß nicht, ob ich nach Florida will."
"Ich glaube nicht, dass du eine Wahl hast", antwortete Mick. "Florida ist auf der anderen Seite des Landes, da bist du sicherer. Du tauchst unter, organisierst dir eine neue Identität."

Kim runzelte die Stirn. "Und du? Bleibst du hier?", fragte sie skeptisch. Irgendwie hatte sie Angst vor der Antwort. Was, wenn er nicht mitkommen wollte? Nicht, dass sie es ihm verübeln konnte, aber immerhin waren sie ein Paar und wenn sie untertauchte, würde es schwer werden, ihn einfach zu kontaktieren.

Mick hielt inne und schwieg für einen Augenblick, ehe er einen tiefen Seufzer ausstieß. "Ich kann dahin nicht mitkommen, Kim. Ich hab hier was zu tun."
Sie nickte und biss sich auf die Lippe. Sie wandte den Blick ab. Die Stille war unangenehm. Mick wirkte nicht mal richtig traurig darüber, dass er hierbleiben musste.
Sie nahm ihren Mut zusammen und fragte: "Wirst du mich überhaupt vermissen?" Immerhin hatte sie schon länger ein komisches Gefühl bei ihn gehabt. Sie wusste nur nicht wieso.
Er starrte sie fragend an. "Natürlich", sagte er nach einigem Zögern. Sie kniff  die Augen zusammen.

Kim seufzte und beschloss, es gut sein zu lassen. Sie wäre eh bald weg, wenn alles gut lief. Sie würde ihn wohl nie wieder sehen.

Der Zug hielt, eine Durchsage ertönte. "In wenigen Minuten erreichen wir Miami, Florida."
Kim setzte sich auf und warf einen Blick auf die Dokumente in ihrer Hand.
Ein neuer Ausweis, gefälscht, aber sehr gut gefälscht, vom Rat der Wandler. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Alisha White stand fett oben dran.

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