Wütend kicke ich einen Kieselstein von mir weg. Was ist denn schlecht daran, dass der Sohn ein Abenteurer ist? Ich wäre sehr stolz auf mein Kind gewesen, wenn ich erfahren hätte, dass es plant, etwas heldenhaften zu tun. Und vielleicht ein bisschen besorgt. Aber so wie meine Eltern reagiert haben, als ich ihnen offenbart habe, zu den großen Höhlen zu gehen und gegen die Wesen zu kämpfen, so hätte ich das nie gemacht. Noch einmal spielte sich die schmerzliche Erinnerung in meinem Gehirn ab.
»Nein, Rubeja, nein! Nein, nein, nein, nein, nein!«
Die Schreie meines Vaters drangen viel zu laut an meine Ohren. Doch gegen das, was aus dem Mund meiner Mutter kam, die sich von einer Minute auf die andere in eine Furie zu verwandelt haben schien, war das noch gar nichts.
»Du wagst es also, einfach das Haus deiner Geburt zu verlassen und deinen Vater und mich hier alleine zu lassen!? Du wagst es, nach diesen Bestien zu suchen, obwohl sie gar nicht existieren!? Du bist so frech, uns das einfach zu sagen!?«
Doch sie ließ mich nicht einmal ausreden. Sie schrie einfach weiter wie ein wildgewordenes Raubtier, während ihr Kopf röter und röter wurde, und am Ende mehr denn je einer überreifen Tomate ähnelte. Tränen stiegen in meine Augen, doch auch die Angst um mein Trommelfell wurde größer.
»Raus hier! Raus, raus! Ich will dich hier nie wieder sehen!«
»Aber Mama-«
»Kein! Aber!«
Die blonden Haare, die ich von meiner Mutter geerbt habe, wirkten weiß auf ihrem roten Schädel. Die zusammengekniffenen Augen und die aufeinandergepressten Lippen der Frau, die mich wie eine Ratte in ihrem Haus ansah, ließen sie furchteinflößend aussehen. Ich rannte hinaus. Immer weiter in den Wald, der unser kleines Dorf umgab. Immer schneller. Doch niemand folgte mir. Denn anscheinend bin ich meinen Eltern ab diesem Tag egal gewesen.
Ich sitze hier, auf diesem blöden Baumstumpf, bestimmt schon einen halben Tag, davor bin ich einen Tag gewandert. Die Wut ist doch wieder wie weggeblasen. Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr, gegen diese Biester der großen Höhlen zu kämpfen. Was wollte ich eigentlich sein? Ein Held, der die Welt von den furchtbaren Bestien der großen Höhlen befreit. Und was bin ich jetzt? Ein kleines Häufchen Elend, das um sein Leben fürchten muss.
Mein Selbstbewusstsein und mein Vertrauen in den Plan, den ich so lange ausgetüftelt habe, sind wie vom Erdboden verschluckt. Gibt es diese Monster wirklich nicht? Die letzten von lebenden Menschen erzählten Geschichten sind schon von meiner Uroma. Seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Aber ich habe so viel von ihnen gelesen, dass ich der festen Überzeugung gewesen bin, dass sie existieren.
Doch meine Mutter wollte es mir nicht glauben. Aber wenn ich ihr beweise, dass es die Viecher gibt, wenn ich unsere Welt von ihnen befreie, wenn ich als Held aus diesem Kampf herausgehe, würde sie mich dann noch aus dem Haus vertreiben? Ich will mich doch vor ihr beweisen. Ich will endlich von ihr geachtet und richtig geliebt werden. Dafür werde ich kämpfen.
Von der neuen Motivation angetrieben stehe ich von meinem Baumstumpf auf und hole das Schwert aus seiner Scheide an meinem Gürtel. Die großen Höhlen waren noch etwa 5 Meilen entfernt, das Gebiet war steinig, wurde von Felsen gesäumt und von gefährlichen Wesen wie Berglöwen besiedelt.
Doch ich bin der festen Überzeugung, dass dies nicht die einzigen Angst einflößenden Biester hier sind. Es gibt noch andere. Gefährlichere. Und diese werde ich vernichten. Denn ich kann das. Ich muss mich beweisen.
Immer mehr Berge erklimme ich. Auch wenn der eigentliche Weg nur fünf Meilen sind, werden es sicher zehn durch das hinauf und hinabsteigen der Berge, und meine Abkürzungen, die sich leider als Umwege herausstellten, machen die Sache nicht besser. Die Sonne ist nun am höchsten Punkt angekommen, mein Wasser ist beinahe leer und austrinken möchte ich meine letzte Reserve nicht.
Ich muss mich beweisen.
Wie ein Mantra wiederhole ich diesen Satz, der mir Kraft und Motivation bringt. Ich gehe weiter.
