OneShot-Sammlung

4.

Er war ein Geheimnis. Niemand kannte ihn wirklich. Nur seinen Spitznamen und jeder wusste, dass er gerne den Badboy spielte. Ja ich sage mit Absicht 'spielen', denn ich glaube, er will damit etwas vertuschen. Und wer weiß, vielleicht werde ich es ja irgendwann herausfinden. Denn ich muss zugeben, ich finde ihn total faszinierend. Mit seiner Art. Er geht auf meine Schule, selber Jahrgang, ein Kurs zusammen. Und heute ist das Jahrgangsfootball-Turnier. Naja eher für die Jungs und diese Mädchen, die es sich antun und da mitspielen. Der Rest sitzt auf den Tribünen und schaut zu. Genauso wie ich. Ich soll meinen Kurs anfeuern. Doch wie immer habe ich nur Augen für ihn. Ich beobachte jeden seiner Spielzüge, freue mich für ihn mit, wenn er einen Punkt erzielt und halte den Atem an, wenn ihm etwas geschieht. Und dennoch ist mir klar, dass er mich nie beachten wird. Mich. Angie. Das unscheinbare Mädchen. So jemand wie er registriert mich doch gar nicht. Und doch, die Hoffnung hält mich hoch. Wie ein Wasserball den man versucht hochzuhalten, bis er dir entgleitet. Und in meinem Fall, hat er die Wahl, mich fallen zu lassen oder mich hochzuhalten und aus dem Wasser holen. Jetzt spielt er wieder. Ich stehe genau vor der Absperrung. Ich folge ihm mit meinem Blick. Er hat bis jetzt zwei Punkte erzielt und jedes mal habe ich zu denen gehört, die ihn gefeiert haben. Wie die Fans bei einem Fußballspiel. Kurze Zeit später wird auch schon zum Spielende abgepfiffen. Sie haben gewonnen. Er hat gewonnen. Und wieder schaue ich ihn an. Doch er sieht sich auf all den Tribünen um und sieht aus, als ob er jemanden sucht. Und dann trifft sein Blick meinen. Ich versuche ihm standzuhalten, doch bemerke, wie die Röte mit in mein Gesicht steigt. Ich schaue auf den Boden, greife nach meiner Tasche und bahne mir den Weg zum Ausgang. Da vorne ist er. Der Ausgang. Wo ER ist, weiß ich nicht. Dass möchte ich auch nicht. Gerade. Denn das eben war mir mehr als peinlich. Noch wenige Meter und ich bin hier raus. Doch es hält mich plötzlich eine Hand zurück. Ich drehe mich um und sehe ihm ins Gesicht. 'Stegi..', flüstere ich nur. 'Angie, nenn' mich bei meinem richtigen Namen. Jeder nennt mich so, aber besondere Leute kennen und benutzen meinen richtigen Namen..', es klingt vordernd, neugierig aber auch leicht froh. Als ob er ein Ziel erreicht hat. 'Dann sag ihn mir', meine Stimme ist noch immer nicht stärker. Im Gegenteil. Sie ist noch immer ein flüstern. 'Komm mit, und finde ihn heraus..', er nimmt meine Hand und zieht mich weg von den anderen Menschen in Richtung Footballfeld.