Schneeschritt

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Schritte, Schritte im Schnee.

Sie sah sich um. Zitterte. Aber was war das schon? Es tat weh. Aber was war das schon? Es würde aufhören, irgendwann. Und selbst wenn nicht, das wäre auch in Ordnung.

Was war das schon.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie riss sich los. Weiter, weiter musste sie, immer weiter, weg von hier, endlich weg von hier. Die weißen, dicken Flocken schlugen ihr entgegen, weiße, dicke Flocken fielen vom Himmel.

Sie schüttelte sie ab und lief weiter.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie blieb stehen. War das richtig? War das die richtige Entscheidung? - Gab es überhaupt so etwas wie »die richtige Entscheidung«?

Sie schüttelte sich. Nein. Nein, natürlich nicht. Aber sie hatte sich entschieden. Sie wollte weg. Weg von hier, sie musste weg, weg von hier.

Sie hatte sich entschieden.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie schloss die Augen. Schneeflocken rieselten auf sie herab, fingen sich in ihrem Fell, ganz sanft, ganz leise. Wie schön sie waren. So unendlich schön.

Sie würde niemals so schön sein können wie sie.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie sah auf. Ihr Atem schlug kleine Wölkchen in der Luft, ganz klein, sie verflogen im Wind, verschwanden hinter all diesen Flocken, all den wunderschönen, kleinen, wunderschönen Schneeflocken.

Schritte, Schritte im Schnee.

Immer hatten sie kritisiert. Gelacht. Ausgelacht. Sie ausgelacht. Sie, immer nur sie. Sie hatte sie verachtet, sie alle. Sie hatten sie gehasst, sie alle, jeden Tag, jeden Herzschlag, jeden Augenblick. Sie hatten nur über sie gelacht, jeden Tag. Nur gelacht.

Wie sehr sie dieses Lachen hasste. Oh, wie sehr sie das nur tat.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie wollte weg. Weg von hier, endlich weg von hier. Weg und nie wieder kommen.

Weg von ihnen. Weg von ihnen allen.

Endlich weg.

Schritte, Schritte im Schnee.

Es interessierte doch sowieso niemanden. Niemanden hier. Niemanden.

Niemand hatte sie gesehen, als sie geweint hatte, und genauso hatte niemand gesehen, wie sie sich aus dem Lager geschlichen hatte.

Oder hatten sie es nur nicht sehen wollen?

Schritte, Schritte im Schnee.

Tränen. Tränen rannen ihr über die Wangen, sie biss die Zähne zusammen. Zitterte. Es war kalt, so unendlich kalt, so unendlich dunkel.

Aber was war das schon.

Sie würden sie nicht vermissen, niemand, wieso auch. Immer hatte sie nur gestört. Von Anfang an, einfach immer. Sie hatte noch nie hierher gehört, und das hatten sie gewusst.

Sie war noch nie eine von ihnen gewesen.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie schloss die Augen. Schloss die Augen und rannte los, rannte einfach, rannte einfach, einfach durch den Schnee, einfach geradeaus, einfach weg, weg in die Dunkelheit, weg, in den Schnee hinaus, einfach nur weg, weg, endlich weg.

Schritte, Schritte im Schnee.

Sie blieb stehen. Keuchte.

Schritte, Schritte im Schnee.

Ein Schatten.

Schritte, Schritte im Schnee.

Ein Schatten, hinter ihr.

Schritte, Schritte im Schnee.

Stille.

»Warte auf mich.«


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Eine (sehr) alte Geschichte von mir. Ich denke nicht, dass sie gut ist, aber sie passt so sehr zur Jahreszeit und dem Cover, dass ich sie nicht auslassen wollte. ^-^

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