Federpfote

36 3 3
                                    

»Guter Fang, Maisfell! Was für eine dicke Amsel!«

»Ja, hätte auch nicht gedacht, dass ich die noch bekomme, aber sie wohl auch nicht!«


Dort hatte Federpfote gestanden und zugeschaut. Oft stand sie da und schaute einfach nur zu; das tat sie gern, es gab ihr das seltsame Gefühl, Teil von etwas zu sein, von dem sie in Wahrheit wusste, nie Teil sein zu können; doch manchmal vergaß sie, was sie wusste, und dann stand sie da und sah zu. Schweigend. Aus der Ferne, aber nah genug, doch noch irgendwie dabei zu sein.

Und für einen kurzen, ganz kurzen Moment gehörte sie dazu.

Den Clan hatte sie gefunden, als sie aus dem Süden gekommen war – am Anfang des Frühlings, mit dem Tauwetter, das die Flüsse zu Teichen und die Teiche zu Sümpfen werden ließ und damit jegliche Beute vertrieb. Sie war dem Roten Bach gefolgt, der nun eher einem braunen Strom gleich, hatte die weißen Felsen hinter sich gelassen und als die mächtigen Berge ihrer Kindheit zu Hügeln geschmolzen waren; dort, wo sich Täler zu Ebenen weiteten und der Wald seine letzten Ausläufer ausstreckte; dort, wo Mond über den Horizont reichte, dort hatte sie die Clans zum ersten mal gesehen.

Und sie hatte sofort gewusst, dass es all die Mühen wert gewesen war.

Am Anfang beobachtete sie sie aus der Ferne. Dort lernte sie ihre Bräuche; seltsame Bräuche waren es, doch nicht fremd, obgleich sie ihr noch nie erschienen waren. Sie lernte ihre Namen – Rotfell und Blauherz und Graspfote und Maisfell und alle anderen –, was gar nicht so leicht war, denn am Anfang schienen alle Katzen gleich auszusehen.

Sie lernte, wie man jagt, und wie man beißt und wie man kämpft. Sie lernte, was sie aßen und was nicht, und einmal fing sie sogar eine Maus, aber das war mehr Versehen als Absicht gewesen.

Meistens sah sie ihnen einfach zu. Still, von oben aus, mit ein wenig Abstand, sodass sie sie nicht sehen konnte. Doch sie wussten, dass sie da war. Natürlich wussten sie es.

Einmal sprach sie sogar jemand an, doch da wusste Federpfote nicht, was sie erwidern sollte, und als ihr endlich eine Antwort einfiel, fiel ihr auch wieder ein, dass sie gar keine Stimme besaß. Keine, die sie verstanden hätten; also sah sie nur zu, schweigend. Sie wusste ja, dass sie längst ein Teil von ihnen war; sie wussten es auch, wem sollte sie also noch etwas vormachen.

Ja, wem sollte sie noch etwas vormachen? Also sprang sie von ihrem Ast, landete federleicht auf dem Boden und blinzelte Maisfell an.

Und die Kätzin schnappte zu.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 03, 2023 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Geschichten aus einer anderen WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt