Kapitel 4

18 2 0
                                    

Meiner Mutter laufen die Tränen über das Gesicht. Ich übergebe mich. Mitten auf den Tisch. Es geht einfach nicht anders. Dann breche ich zusammen. Ich kann nicht mehr. Ich muss sterben. Mit 14 Jahren. Wieso ich? Wieso nicht irgendjemand, der den Großteil seines Lebens schon hinter sich hatte?


Später liege ich in einem Bett. Ich habe keine Ahnung, wie ich hierhin gekommen bin. Neben mir sitzt meine Mutter. Sie weint.

"Mama.", krächze ich. Sie schluchzt auf. Ich bin Schuld daran, dass sie weint. Ich und niemand anders. "Du sollst nicht weinen."

"Ich weiß. Wir schaffen das Cora. Wir müssen es einfach schaffen." Ich nicke. Ich muss es schaffen. Auch wenn ich weiß, dass meine Chancen so ziemlich gleich null sind.

"Ich liebe dich, Mama." "Ich dich auch."

Ich schlafe wieder ein.


Wie soll ich es erklären? Wie soll ich es Max, meinem besten Freund, beibringen? Wie meinen anderen Freundinnen? Wie meinem Bruder?

Ich muss es ihnen sagen. Früher oder später würden sie es sowieso rauskriegen. Max kenne ich seit der Grundscchule. Ich stehe nicht auf ihn oder so, er ist einfach nur mein bester Freund. Freundinnen habe ich nicht so viele. Und mein kleiner Bruder Finn liegt mir sehr am Herzen. Er ist gerade mal acht.

Ich spüre, wie mir stille Tränen über die Wangen laufen. Nicht wegen mir. Wegen meinen Liebsten. Ich will sie nicht verlieren.

Als die Tür sich öffnet, zucke ich zusammen. "Stör ich gerade?", fragt eine tiefe Stimme. Ich schüttele den Kopf. "Nein." Ein junger Typ ist hereingekommen. Eigentlich ist er viel zu jung, um im Krankenhaus zu arbeiten.

"Ich bin Jonas. Praktikant.", stellt er sich vor. "Hi. Wie alt bist du?", frage ich. "Fünfzehn.", antwortet er. "Wir sollen für die Schule ein Praktikum machen, und da habe ich mich für das Krankenhaus entschieden."

Ich lächele. "Und warum gerade für die Krebsstation?" Er lacht. "Das konnte ich mir leider nicht aussuchen. Wie heißt du und wie alt bist du?", fragt er mich.

"Cora. Ich bin vierzehn.", antworte ich. Ich bin froh, dass er mich nicht direkt fragt, was ich habe.

"Hi, Cora. Ich soll deinen Blutdruck messen."

Ich halte ihm meinen Arm hin und er bringt dieses komische Ding an. Seine Finger sind warm. Mein Arm fängt an zu kribbeln. Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. Ich war noch nie in jemanden richtig verliebt, und jetzt? Ist das so etwas wie Liebe? Ich schlucke. Muss ich ihn denn ausgerechnet auf der Krebsstation kennen lernen?

Er pumpt das Ding zum Blutdruckmessen auf. Wir warten etwas. Dann schreibt er sich etwas auf und montiert es wieder ab.

"Das war es auch schon!", sagt er und lächelt mir zu. Ich lächele zaghauft zurück. "Dann bis bald!" Er nickt mir zu und velässt das Zimmer.

Auf der Suche nach dem Sinn des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt