𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍 5 // 𝑫𝒖𝒕𝒚 𝑨𝒏𝒅 𝑫𝒊𝒔𝒐𝒃𝒆𝒅𝒊𝒆𝒏𝒄𝒆

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𝑨ls die Blondine sich nach dem Abschied auf den Weg machte, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt und von der Sonne war am Horizont nicht mehr allzu viel übrig. Sie entfernte sich von der Kirche und rieb sich beiläufig über ihren schmerzenden Rippenbogen. So hatte sie sich ihren Tag eigentlich nicht vorgestellt.
Sie überquerte die Straße, um sich ihren Weg zurück zum Motel zu suchen, nachdem sie durch diesen Zwischenfall ein wenig die Orientierung verloren hatte, als plötzlich ein Luftzug ihren Rücken streifte, der ihre blonden Locken nach vorn um ihr Gesicht wehen ließ. Irritiert sah sie über ihre Schulter, nur um erschrocken herumzutaumeln, als auf einmal der dunkelhaarige Mann im Trenchcoat vor ihr stand. Fast hätte ihr Herz ausgesetzt und sie wäre rücklinks von den Füßen gekippt vor Schreck, doch das schien Castiel entweder nicht aufzufallen, oder nicht zu stören, denn er sah sie einfach nur an, ausdruckslos und monoton wie immer. "Hallo Leah."

Noch immer überrumpelt, starrte die Jägerin ihn an. "Was zum...?", setzte sie an, hielt dann aber inne, um den Hals zu recken und an ihm vorbei zurück zur Kirche zu sehen. Cassandra hatte die Tür jedoch schon wieder hinter sich verschlossen. Ein Glück, denn schon wieder jemanden aus dem Nichts irgendwo auftauchen zu sehen, hätte sie wahrscheinlich nicht verkraftet.
Ihre blauen Augen kehrten zurück zu seinem Gesicht. "Was tust du hier?", wollte sie wissen. "Bist du mir gefolgt?"
"Nein", antwortete Castiel.
Wirklich abkaufen, tat Leah ihm diese Antwort nicht. Er hatte ihr schließlich von ihrem Grab bis ins Motel die ganze Zeit über an den Hacken geklebt. "Woher wusstest du dann, wo ich bin?"
"Ich bin ein Engel", antwortete er. "Ich kann dich überall aufspüren. Ich muss nicht wissen, wohin du gehst, um dich zu finden."
Die Blondine biss die Zähne aufeinander, um zu vermeiden, dass ihr die Gesichtszüge entgleisten. Er konnte sie aufspüren? Einfach so? Dieser Gedanke beunruhigte sie. Und mit jeder Information, die sie über ihn erlangte, wuchs ihre Nervosität in seiner Gegenwart, ebenso sehr wie die Angst, dass er sie früher oder später in der Luft zerfetzen würde.

"Gute Arbeit, das mit den Pfarrern", riss die Stimme des Trenchcoatträgers sie aus ihren Gedanken.
Leah zog die Stirn in Falten. 'Er ist gerade erst aufgetaucht, wie kann er...?', überlegte sie, bis sie, bei der Erinnerung an ihre Unterhaltung am Morgen, plötzlich eine Ahnung beschlich. "Du wusstest davon?"
Er legte seinen Kopf minimal zur Seite und deutete ein kurzes Nicken an. "Ich war informiert, ja."
Fassungslos schüttelte sie den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wow", schnaubte sie. "Vielen Dank für deine Hilfe. Die ganze Zeit verfolgst du mich auf Schritt und Tritt und wenn es wirklich brenzlig wird, machst du dich aus dem Staub?"
In Castiels Gesicht rührte sich kein Muskel. "Wir haben alle unsere Pflichten", erwiderte er. "Ich habe meine und du hast deine. Deine war es, die Pfarrer aufzuhalten."
Allmählich machte sich ein Anflug von Wut in Leahs Innerem bemerkbar. "Ich wäre fast gestorben!", stellte sie klar. "Mal ganz abgesehen von Cassandra!"
"Aber du bist es nicht", entgegnete er ungerührt.

Ihr Griff um den Stoff ihres Hemdes verfestigte sich. "Wäre ich nur eine Minute später hier gewesen, wäre Cassandra jetzt tot!", fuhr sie ihn an. "Wenn du heute Morgen schon davon wusstest, hättest du verhindern können, dass sie angegriffen wird!"
Nun war Castiel derjenige, der einen tiefen Atemzug tat und Leah konnte erkennen, wie seine Gesichtszüge sich verhärteten. "Ich sagte es dir bereits, ich diene dem Himmel", sagte er. "Meine Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass du lebst."
Leah schnaubte. "Klar."
Sie stierte ihn böse an, während sich ihre Finger weiter in ihre Oberarme gruben. "Ich weiß nicht, wofür ihr mich braucht, aber wenn diese Geister mich zum nächsten Stephen Hawking gemacht hätten, wäre ich euch ganz sicher nicht mehr von Nutzen!"

Der Dunkelhaarige zog die Stirn in Falten. "Dieses Gleichnis verstehe ich nicht."
Verdutzt blinzelte Leah und um ein Haar wäre ihr die Kinnlade heruntergeklappt. Er wusste nicht, wer Stephen Hawking war? Offenbar nicht, denn trotz der Aufgebrachtheit in seinem Gesicht, sah er ernsthaft verwirrt aus. Diese Reaktion traf die Blondine so unerwartet, dass es sie für eine Sekunde aus dem Konzept brachte. Sie ließ die Arme sinken und suchte einen Augenblick nach Worten. "Stephen Hawking", wiederholte sie, während sie, getrieben von ihrem Ärger, mit den Händen gestikulierte. "Ein...sabbernder Sack Fleisch im Rollstuhl."
Castiel brachte seinen Kopf wieder in eine aufrechte Position und warf ihr einen tadelnden Blick zu. "Du übertreibst."
Ja, vermutlich tat sie das. Aber sie konnte einfach nicht fassen, dass er keinen Finger gerührt hatte, obwohl er gewusst hatte, dass Cassandra in Gefahr war. Es machte sie wütend. Das widerum schien ihm nicht zu gefallen.
Er straffte die Schultern. "Ich soll dafür sorgen, dass du lebst", setzte er erneut an. "Ich weiß vielleicht nicht viel über Menschen, aber ich weiß, dass es Dinge gibt, die ihr braucht. Dinge wie Schlaf und Nahrung. Und ich weiß, dass du seit zwei Tagen nichts gegessen hast."

Ruled By Fate - SupernaturalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt