6. John

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Schon als Becca mir zugezischt hatte, ich solle sie küssen, hatte alles in mir zu prickeln begonnen und ich hatte  mir vorgestellt, wie Beccas Lippen sich wohl auf meinen anfühlen würden. Und ich konnte sagen: Es war so viel schöner, als in meiner Vorstellung. Jetzt verstand ich, warum mein Vater unbedingt eine Frau für mich haben wollte. Es war wunderbar.
"Rebecca!", schallte es plötzlich neben mir," Was soll das?!"
Becca und ich fuhren auseinander und starrten uns für zwei Sekunden an, dann wich sie meinem Blick aus und schaute zu ihrer Mutter. Denn sie war diejenige, die neben uns getreten war.
"Ähem...",machte sie ziemlich unklug.
"Junge Dame. Warum sitzt du mitten in der Nacht hier und knutschst mit einem Jungen rum?!", blaffte Rebeccas Mutter uns an.
"Eigentich wollten wir es ja erstmal geheim halten und dir schonend beibringen....", begann Rebecca und griff nach meiner Hand, "Deshalb haben wir uns auch heimlich getroffen.....Wir sind zusammen." Nachdem sie das gesagt hatte, blickte sie mich liebevoll an, was mir wieder ein Kribbeln im Bauch einbrachte.
Man, konnte sie gut schauspielern!
Doch dann stieß sie mit ihrem Knie gegen mein Bein.
"Achso...ähm. Ja, also ich bin John. Schön sie kennen zu lernen", sagte ich. Ich glaube das war es, was Becca von mir gewollt hatte.
Um meine Worte zu unterstreichen, streckte ich noch meine Hand aus. Beccas Mutter ergriff sie und so hatte Becca meine rechte Hand in der Hand und ihre Mutter meine linke. Das fühlte sich schon ein bisschen komisch an.
"Elena. Schön, auch dich kennenzulernen. Ich wünschte nur, dass es nicht mitten in der Nacht gewesen wäre", erwiederte sie und warf Becca einen vernichtenden Blick zu.
"Jaja. Ist gut Mama. Es tut mir leid", meinte sie genervt, "Komm John. Wir gehen in mein Zimmer und schlafen. Es ist wirklich schon spät."
Als ich gerade anstalten machte, zu gehen, hielt Elena uns zurück.
"Momentchen mal. Hast du keine eigenes zuhause, wo du schlafen kannst, John?",fragte sie. Ich bekam ein bisschen Angst. Schließlich hatten Rebecca und ich noch nicht genau darüber gesprochen, was wir ihrer Mutter erzählen wollen. Hilfesuchend blickte ich zu Becca hinüber.
"Ach Mama. Komm schon. Wir sind alt genug. Ich muss dir das morgen erklären, okay?", erwiderte sie einfach nur.
Ich fand es schon echt beeindruckend, wie Becca mit ihrer Mutter sprechen konnte, ohne, dass sie dafür eine Strafe bekam. Hätte ich so mit meiner Mutter oder gar mit meinem Vater gesprochen, hätte ich wahrscheinlich Hausarrest oder ähnliches bekommen.
Doch das einzige, was Elena tat, war tief Luft zu holen und zu sagen: "Okay Rebecca, ich vertraue dir. Aber morgen erklärt ihr mir alles...was auch immer es da zu erklären gibt. Klar?"
"Natürlich Mama", grinste Becca und gab ihr einen Kuss auf die Wange, "Gute Nacht."
"Gute Nacht Maus"
Elena drückte Becca nocheinmal kurz und verschwand dann wieder im Flur, aus dem sie gekommen war.
Nun waren wir wieder alleine.
"Scheiße, scheiße, scheiße!", fluchte Becca und tigerte im Kreis umher.
"Hey, beruhig dich. Es wird alles gut werden", versuchte ich sie zu besänftigen, wobei ich nach ihren Schultern griff.
"Fass mich nicht an!", blaffte sie mich an.
Ich hob meine Hände und meinte geknickt:" Entschuldigung. Ich wollte nur behilflich sein."
Sie seufzte tief.
"Ist okay. Tut mir leid, dass ich dich so angefahren haben. Es ist nur so, dass mich das alles hier ziemlich überfordert", sagte sie, während sie sich mit der Hand übers Gesicht fuhr.
"Das ist doch nicht schlimm. Ich verstehe dich. Ich sollte gar nicht hier sein und dich in diese Lage bringen. Es ist alles so kompliziert", beteuerte ich. Dabei ging ich wieder auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie ließ ihren Kopf an meine Brust fallen und atmete tief ein und aus. Ich legte meinen Kinn auf ihren Kopf. Dabei zog ich ihren Geruch durch die Nase ein. Diese Geste fühlte sich so vertraut und gleichzeitig aufregend an, dass mir fast die Luft zum Atmen  fehlte.
Doch dann löste sie sich von mir.
"John. Hör damit auf. Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren", erklärte sie, was mich kurz zum schlucken brachte. Wollte sie etwa nicht von mir umarmt werden? Dabei hatte es sich doch so gut angefühlt! Also zumindest für mich....vielleicht war es für sie ja schlimm gewesen?!
"Wir sollten jetzt ins Bett gehen", fügte sie noch hinzu, "Morgen früh reden wir dann über alles weitere."
"Wie du willst", erwiederte ich nur enttäuscht. Es hatte ihr nicht gefallen.
Sie sammelte ihren Stift und den Block wieder ein und ging dann voraus zu ihrem Zimmer.
Ich folgte ihr einfach mal.
Im Flur öffnete sie die zweite Tür rechts und ging hinein. Der Raum dahinter war in etwa 9 Fuß lang und 13 Fuß breit. Uns gegenüber lag ein Fenster, bei dem gerade der Fensterladen geschlossen war. Auf der Fensterbank standen 2 Topfpflanzen in Blumentöpfen.
Unter dem Fenster stand ein Doppelbett, welches mit einem grau, weiß gestreiftem Bezug versehen war. Auch die Wände waren weiß gestrichen, doch an der Wand links von uns hingen bestimmt um die 50 Bilder. Sie zeigte alles mögliche. Becca. London. Ihre Mutter und Becca. Becca und einen Mann, den ich nicht kannte. Und noch viele mehr. Es war erstaunlich, dass sie sich so viele Bilder leisten konnte. Die waren doch bestimmt total teuer gewesen!
An der rechten Wand stand ein Tisch und darüber hing ein Regal. Außerdem befand sich auf der rechten Seite noch eine kleine Kommode, auf dem mehrere Klamotten fein säuberlich zusammengefaltet lagen.

"Hübsches Zimmer", bemerkte ich und grinste Becca von der Seite an.
"Danke? Aber das kannst du meiner Oma sagen. Sie hat das ganze hier eingerichtet", erwiderte sie und grinste zurück.
Kurz genoss ich den Moment, doch dann packte ich sie plötzlich an der Taille und hob sie ohne jede Vorwarnung hoch. Was auch nicht weiter schwierig war, da sie sehr leicht war.
Sie gab einen gedämpften Schrei von sich:"Lass mich runter, John!"
Doch das tat ich nicht. Stattdessen trug ich sie zum Bett und legte sie sanft darauf ab. Währenddessen zappelte sie in meinen Armen.
"Gerngeschehen Madam", meinte ich, zog mein Jacket aus, hing es ordentlich über den Stuhl des Schreibtisches und begann dann mein Hemd aufzuknöpfen. Denn ich hatte nicht vor, in diesen Klamotten schlafen zu gehen.
Becca machte große Augen und starrte mich ungeniert an, was mich zum lächeln brachte.
Als sie das sah, fing sie sich wieder, räusperte sich und meinte mit belegter Stimme:" Du solltest mit in meinem Bett schlafen. Es würde nämlich schon komisch rüberkommen, wenn Mama uns aufweckt und du auf dem Boden schläfst."
Jetzt war ich derjenige, der sie anstarrte. Ich sollte mit ihr zusammen in einem Bett schlafen? Obwohl wir beide halbnackt waren? Ja Himmel, gab es denn in dieser Zeit gar keine Anstandsregeln?!
Doch dann sagte ich einfach nur:"Okay"
Ich war damit fertig geworden, mein Hemd aufzuküpfen und zog es ebenfalls aus. Dann hängte ich es über den Stuhl.  Nachdem es ordentlich hing, ging ich hinüber zum Bett und kletterte über Becca auf die hintere Seite.
"Die Decke sollte groß genug für uns beide sein", meinte sie nur noch, machte dann das Licht der Nachttischlampe aus und kuschelte sich unter die Decke. Ich tat es ihr gleich.
Jetzt, wo ich zur Ruhe kam, begann ich wieder über meine Familie nachzudenken. Wie sie es wohl aufnehmen würden, dass ich einfach so verschwunden war? Meine Stiefmutter würde es vielleicht nicht interessieren, aber Lara und meinen Vater schon. Lara, weil ich immer auf sie aufpasste und wir viel gemeinsam machten und mein Vater, weil er nun niemanden mehr hatte, der sein Unternehmen übernehmen konnte. Und meiner Schwester würde er es wohl kaum übergeben.
Ich dachte weiter an Lara und daran, wie wir vor einigen Jahren gemeinsam ein Theaterstück erfunden hatten, indem wir uns über unseren Vater lustig gemacht hatten, als ich plötzlich spürte, wie ein Arm um meinen Bauch geschlungen wurde.

The time that brought us togetherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt