Endstation Chefetage 👨‍💼

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"Wer ist das eigentlich?", frage ich meine Kollegin, als wir zum dritten Mal heute im dritten Stock an der grünen "Brainstorming- und Meetup-Oase" vorbeikommen und der lässsig dort sitzende Mann mich interessiert fixiert. Ich kenne ihn aber nicht. Gesehen habe ich ihn schon einige Male, wüsste aber gerade nicht, aus welcher Abteilung er ist oder warum er da herumsitzt statt zu arbeiten oder warum er mich so ansieht. Er spricht mich von sich aus nicht an und ich habe zu viel zu tun, um ein Gespräch mit ihm anzufangen.

"Weiß ich nicht genau... Ich glaub, den kennt keiner von uns. Der ist mir schon paarmal aufgefallen, aber ich glaub, in letzter Zeit läuft der öfter hier rum als sonst."

"Und den hat noch nie einer angesprochen?" Das kann ich gar nicht glauben. Gerade kommt er mir sehr dubios vor. Ich drücke der Kollegin meine Dokumente in die Hand. "Geh du schonmal vor, ich frag ihn. Der kann doch nicht den ganzen Tag hier rumlungern."

Schnurstracks mache ich kehrt und laufe zurück, die Kollegin lasse ich verdutzt stehen. Bei der Oase angekommen, öffne ich energisch die große schwere Schiebetür aus Glas. Dahinter sitzt der junge Unbekannte seelenruhig in einem der überdimensionierten Sitzsäcke und nippt an einem Pappkaffeebecher, den er dann auf dem Miniaturtisch neben sich abstellt. Das alles tut er, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich halte dem Blickkontakt stand.

"Dürfte ich Ihren Mitarbeiterausweis sehen?", frage ich ruhig, aber streng. Der Angesprochene rührt sich nicht, er mustert mich nur. Ich lasse meine Augen ebenfalls über seine Erscheinung wandern. Ordentlich angezogen ist er, aber das muss ja nichts heißen. An seiner Hose ist einer der hiesigen Chipkartenhalter befestigt, aber kein Ausweis darin. "Arbeiten Sie überhaupt hier?"

Nun steht er gemächlich auf und stellt sich direkt vor mich. "Was willst du machen, wenn nicht?", meint er provokant. Sein Blick wandert nach unten, mein Schlüsselband entlang zu meinem Ausweis, der unter meiner Brust hängt. Der baumelt immer falschrum, weil das Band sich so verdreht.

"Dann muss ich Sie bitten, das Gebäude zu verlassen", antworte ich.

Das bringt ihn zum Schmunzeln. "Du bist mir ja ein ganz Korrekter." Nonchalant greift er nach meinem Ausweis, um ihn umzudrehen und meinen Namen zu lesen. "Han Hyunuk..." Nun lächelt er geheimnisvoll. Ich finde ihn mehr als dubios.

"Wir gehen jetzt", lege ich fest und ziehe ihn am Ärmel, ganz sacht nur, aber er folgt mir bereitwillig.

Allerdings lacht er hinter mir, während ich ich ihn ins Treppenhaus des Büroturms führe. "Achja? Bring mich doch dazu."

Vor den Fahrstühlen neben dem Treppenaufgang angekommen, drücke ich den unteren Knopf. Wieder sehen der Mann und ich uns in die Augen. Objektiv betrachtet ist er auffallend hübsch. Für einen normalen Büroangestellten würde ich ihn nicht halten.

Kaum ist der Fahrstuhl da, drängelt er sich vor mir in die Kabine und drückt die 7, den obersten Knopf.

"Wir fahren nach unten", informiere ich ihn trocken und drücke den Knopf fürs Erdgeschoss.

"Tja ups", meint er schulterzuckend. "Da war ich wohl schneller. Erst geht es nach oben." Das bringt ihm nur nichts, denke ich zumindest. Obwohl ich direkt an der Tür stehe, bin ich kein Hinderniss für ihn, oder zumindest eines, das er spielend überwinden kann. So war das nicht geplant!

Obwohl ich fest vorhatte, mich nicht einschüchtern zu lassen, drängt er mich viel zu leicht in die Ecke. "Han Hyunuk", raunt er mit keckem Blick und lehnt sich immer näher. Das ist viel zu nahe. Wer soll denn so klaren Kopf behalten??

Ich gerate ins Schwitzen. Mein Anzug kommt mir plötzlich zu eng vor und ich würde gern meinen Hemdkragen lockern. Der Fahrstuhl lässt ein leises Pling ertönen und sobald die Tür aufgeht, macht der Fremde sich aus dem Staub. Er geht nicht einmal besonders schnell, aber ich bin zu baff.

Hyunho OS [Fluff] (IN2IT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt