Eine Nacht auf der Bank

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Er saß auf der Bank, auf der sie sich eigentlich geschworen haben, gemeinsam jeden Abend dieses Sommers zu verbringen. Am Hang des Hügels, nicht weit ihres Heimatdorfes, hatte man einen hervorragenden Blick über die umliegenden Orte umringt von dicht bewaldeten grünen Streifen. Hier weilte er für sich und überblickte jenes Panorama. Es war nicht das erste Mal, dass er hier alleine saß. Und es sollte nicht das letzte Mal sein.

Die Sonne begann, sich in Ihrem roten Antlitz hinter den grünen Hügeln langsam zu verbergen. Er wusste, dass er nach ihrem letzten Strahl keine Hoffnung auf ein Wiedersehen haben musste. Dennoch saß er bis in die tiefe dunkle Nacht auf ihrer Bank und wartete auf den süßen erlösenden Besuch der Liebe, wissend, dass er die Nacht in Einsamkeit an dem Ort ihrer Zweisamkeit trachten würde.

Der Gesang der Vögel um ihn herum wurde immer leiser, bis er schließlich verstummte. So legte sich auch der Wind in den hohen Gräsern zur Ruh. Die Welt trat ihren verdienten Schlaf an, bis sie sich für den nächsten fordernden Tag wappnen musste. Als der hell leuchtende Mond am Firmament die Diener des Tages ablöste und seine Herrschaft über die Nacht antrat, begann jedes Leben unter den Sternen, in den Schlaf zu fallen. Doch nicht alle. Er saß noch immer geduldig auf der Bank und erwartete seine Liebe. Mit dem Eintritt der Nacht fror es ihm zunehmend und die Dunkelheit bot Raum für die ungewissen Ängste, die tief in ihm schlummerten. Dennoch war er entschlossen, zu warten, bis er endlich wieder in ihre sicheren Arme fallen konnte.

Die Stunden schritten voran und die Kreaturen der Nacht erwachten aus ihrem Schlaf. Sie gingen ihrem gewöhnlichen Handwerk nach, welches sich nur in der geheimnisvollen Dunkelheit, geschützt vor dem Sonnenlicht, verrichten ließ. Unter dem Schutz des kalten Lichts des wachenden Mondes, trauten sie sich endlich hervor. Sie machten kein Geheimnis aus Ihren Machenschaften. Über die Weiten der Felder konnte er ihre Schreie hören.Doch all diese Umstände kümmerten ihn nicht. Sein Ziel stand fest und er brach erst auf, wenn der nächste Tag angebrochen war.

Mit der Zeit wurden die Geräusche aus dem benachbarten Wald immer lauter. So laut, dass sie auch seine Aufmerksamkeit erregten. Er wandte seinen Kopf und schaute interessiert in das bewaldete Gebiet, von dem er dachte, die merkwürdigen Laute vernommen zu haben. Es schien, als würden diese auch lauter werden. Die Klänge erinnerten ihn an ausgelassene Festivitäten. Als die Geräusche ihren Höhepunkt erreicht hatten, blitzte ein grelles Licht in der bewaldeten Umgebung auf. Er schreckte auf.

Nach diesem grellen Licht herrschte um ihn herum eine verdächtige Stille. Als hätten die Kreaturen der Nacht ihre Freiheiten ausgereizt. Oder aber waren sie erfolgreich in ihrem Vorhaben? Andererseits sollten sie nach ihrem nicht Erfolg noch ausgelassener Feiern? Dieser Umstand ließe doch lautere Geräusche von ihnen vermuten, oder nicht? Jedoch blieb es still. Es war nicht genau zu sagen, wie lange. Aber die Stille brachte eine beunruhigende Aura mit sich, die auch ihn auf seiner Bank erreichte. Was wäre, wenn sie erfolgreich waren und sich selber vor dem Ergebnis fürchteten?

Je länger er über die mysteriösen Geschehnisse zwischen den Bäumen unweit von seinem Sitzplatz grübelte, schauderte es ihn. Gänsehaut begann sich, auf seinem gesamten Körper auszubreiten. Wie starr saß er auf der Bank und hoffte nur, dass der Tag so schnell wie möglich hereinbrechen würde.

Seine Aufgabe war in den Hintergrund gerückt. Nun fürchtete er um sein eigenes Wohl. Eine Regung zu riskieren, wagte er nicht. Er wollte Bloß kein Geräusch verlauten lassen, das aus den Wäldern auf seine einsame Bank auf dem Hügel schließen ließe. Dies würde ihn als Zeugen, dieser merkwürdigen Ereignisse entlarven, welche offensichtlich geheim bleiben sollten, da diese in tiefster Nacht in dem unbelichteten Waldstück vollstreckt wurden.

Um sich abzulenken blickte er in den Himmel, in der Hoffnung, bekannte Sternbilder zu erkennen, welche ihm eine gewohnte Umgebung schenken könnten, um sich nicht komplett in dieser fremden Nacht zu verlieren. Der dunkle Himmel war von zahlreichen Sternen übersäht. Doch er erkannte keine der, für ihn bekannten Konstellationen wieder. Es war, als wären die Sterne völlig neu angeordnet worden. Aber dies ergab keinen Sinn. Wer oder was wäre zu so etwas in der Lage? Je länger er in die Sterne blickte, umso bedrohlicher strahlte der Mond auf ihn hinab. Es war als würde sein helles weißes Licht ihn entlarven.

Mit jeder Sekunde wurde ihm unwohler an seinem Platz. Die Gräser um ihn herum begannen sich indes, laut dem Wind zu neigen. Das Rascheln war so laut, dass er nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, ob die Wesen im Wald verschwunden waren, oder sich einfach verborgen hielten. Er versuchte, sich auf die Geräusche in der Nähe des Waldes zu konzentrieren. Dies wurde mit den zunehmenden Winden um ihn herum, welche die Gewächse in seiner Nähe nahezu aufpeitschten, immer schwieriger.

Unter dieser verwirrenden Geräuschkulisse versuchte er, sich ganz alleine auf seine Augen zu verlassen, die in der tief schwarzen Dunkelheit, in dem viel dunkleren Waldstück noch weniger erkannten.

Doch dann blitze erneut ein grelles Licht auf. Es war noch heller als jenes davor. Nun hörte er die Schreie, die er zuvor aus dem Wald vernahm, rings um sich herum. Er wandte sich um, doch konnte niemanden erkennen. Die Schreie wurden willkürlicher und er bemerkte Schritte, die sich in zügigem Tempo auf ihn zu bewegten.

Hecktisch drehte er seinen Kopf um, doch konnte er, zwischen dem wehenden Wind in der finsteren Nacht nichts erkennen. Die Schritte kamen immer näher und die Schreie wurden mit jedem Schritt lauter. Voller Verzweiflung kniff er seine Augen zu und presste seine Handflächen auf seine Ohren, um diesem höllischen Alptraum irgendwie zu entgehen. Aber trotz all der Bemühungen spürte er, wie sich hinter ihm, etwas ungeduldig auf ihn zubewegte.

Plötzlich packte es ihn an der Schulter. Er riss seine Augen auf und stieß einen Schrei aus, von dem er hoffte, dass ihn jeder im Dorf hören würde und ihm irgendjemand zur Hilfe eilen würde. Es lies von ihm ab und seine Augen wurden von dem grellen Licht der Morgensonne geblendet. Das Erste was er hörte war eine vertraute Stimme: „Zum Glück bist du noch hier. Bitte verzeih meine Verspätung!"

Eine Nacht auf der BankWo Geschichten leben. Entdecke jetzt