Das seltsame Mädchen, ihre beste Freundin und eine schüchtern Fremde

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Die Prinzessin war fast genauso nervig wie die Zwillinge, nur anders. Sie beschwerte sich über alles. Über den weiten Weg, über die Zwillinge, darüber, dass sie wie jeder andere auch Wache halten muss und soweiter.
Irgendwann war Katarina explodiert und hatte sie angebrüllt. Dann war für eine halbe Stunde beleidigte Ruhe gewesen. Dann hatte sie sich wieder beschwert.
Es war also nicht überraschend, dass alle erleichtert waren, als sie das richtige Dorf gefunden hatten.
Es sah genauso aus wie jedes ander, dass sie bisher passiert hatten. Kleine Häuser, schmutzige Straßen.
Gedugt und ausnahmsweise schweigend liefen sie die Straßen entlang.
Es war Sonntag und außer einem 15 jährigen Mädchen mit blauen Augen und strähnigen langen blonden Haaren war niemand zu sehen. Das Mädchen hielt einen Zeichblock samt Stift in der Hand.
Die kleine Hexen Gruppe wechselte ein paar Blicke. Agnes nickte und sie drehten sich wieder zu dem Mädchen um (sie musste eine der Hexen sein, die es in diesem Dorf gab, wenn sie Sonntags nicht in der Kirche war), doch das Mädchen war verschwunden.
Agnes blinzelte ein paar mal verwirrt, dann zuckte sie mit den Schultern und sie gingen weiter. Laut der Karte sollte es hier immerhin drei Hexen geben.
Sie sahen durch jedes Fenster, aber alles war leer.
Bis sie endlich zu einem Fenster kamen, indem sie eine Bewegung wahrnahmen, war die Prinzessin laut eigener Aussage bereits fünf mal vor Überanstrengung fast in Ohnmacht gekippt.
Sie blieben vor dem Fenster stehen und standen ganz still. Bevor sie das Haus betraten, wollten sie sicherstellen, dass wirklich Hexen darin waren.
Keine einzige Bewegung war zu sehen. Bis die Prinzessin (diesesmal wirklich) umkippte. Ein Stein war auf sie gefallen.
Schon kam der nächste Stein angesegelt, diese mal in Mariias Richtung. Sie wich aus und stieß Katarina bestürzt beiseite. Der nächste Stein landete genau an der Stelle wo Katarina gestanden hatte.
"Ich sehe keinen Schützen.", sagte Eleonore.
Agnes sah sich um, doch auch sie konnte niemanden entdecken.
Ein Stein flog auf Eleonore zu. Statt auszuweichen wandte sie ihre Gegenteilkräfte an. Sie schoss den Stein mit einem marinenblauen Strahl ab und er kehrte zu dem Absender zurück. Zumindest sollte er das. Er fiel aber bloß vor die Tür.
Der Stein erhob sich wieder und flog erneut auf sie zu.
"Was zum...", murmelte Eleonore und benutzte ihre Kräfte noch einmal.
Wieder flog der Stein bis zur Tür, blieb diesesmal aber liegen.
Misstrauisch beobachteten sie den Stein, doch er bewegte sich nicht mehr.
Plötzlich sahen sie nichts mehr. Sie erblindeten nicht. Es hatte sich nur eine Augenbinde aus dem Nichts um ihre Augen gelegt und ihnen die Sicht versperrt.
Panisch wirbelte Agnes herum, schlug um sich. Bis sich ein paar Hände um sie legten und sie nach vorne schubsten.
Agnes landete im Dreck, doch sie hatte kaum mehr Zeit, um sich zu orientieren.  Die Hände waren schon wieder da und hoben sie hoch. Hoch und immer höher, viel höher, als es eigentlich möglich war, dann fiel sie. Der Wind wehte ihr die Haare ins Gesicht und riss erbarmungslos an ihren Klamotten und der Augenbinde (sie bewegte sich keinen Millimeter). Agnes wollte schreien, doch etwas hinderte sie daran. Die Welt musste sich mindestens acht Mal gedreht haben, als Agnes endlich wieder etwas konstantes spürte. Die Hände waren zurückgekehrt, bremsten sie ab und gaben ihr Sicherheit. Sie waren weich und klein, viel kleiner als man vermuten würde, wenn man über die Hände einer Person spricht, die Leute in die Luft befördern und hochheben kann. Dann ließen die Hände sie fallen.
Diesesmal schrie Agnes entsetzt auf.
Sie landete in etwas weichem klebrigen. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber es hatte dafür gesorgt das sie den Sturz, wie hoch er auch gewesen sein mag, überlebt hatte und nur das zählte. Sie spürte eine Erschütterung und zähe Wellen kamen auf sie zu, doch sie spürte kaum Auswirkungen.
Erst als sie drei weitere Erschütterungen gespürt hatte veränderte sich etwas. Sie sank tiefer, ohne in das zähflüssuge Zeug einzusinken. Und irgendwann spürte sie festen Boden unter den Füßen.
Endlich.
Die Hände waren wieder da. Sie tippten sie kurz an der Schulter an, um sie nicht zu erschrecken (was aber deutlich daneben ging, da Agnes einen halben Herzinfakt erlitt) und gingen hoch bis zu der Augenbinde. Agnes genoss das Gefühl der Hände auf ihrer Haut und war fast ein bisschen enttäuscht, als die Augenbinde abfiel. Vor ihr stand ein Mädchen in ihrem Alter und zog ihre Hände zurück. Agnes wurde rot, sie war wunderschön. Sie hatte schwarzes langes Haar und dunklere ebenmäßige Haut. Ihre dunklen Augen wanderten zu Eleonore rüber und sie begann auch ihre Augenbinde zu lösen. Agnes starrte sie immer noch an, als auch die Prinzess, Katarina und Maria ihren Augenbinden los waren.
Das wunderschöne Mädchen stellte sich zu zwei anderen Mädchen in Agnes alter, die ihr erst jetzt auffielen.
Schlagartig war sie wieder in der Realität. Das Mädchen mit dem Zeichenblock war auch da.
Das dritte hatte ebenfalls blonde Haare, grünliche und eine kleine Nase. Sie trug die Haare kurz und nach hinten geflochten und sah sie mehr interessiert als feindselig an.
"Ihr seit Hexen.", sagte das Mädchen und sah sie weiter an. Sie schien keine Antwort zu erwarten, nicht einmal eine Reaktion. Das hübsche Mädchen stand schweigend neben ihr und auf der anderen Seite stand das schüchterne Mädchen. Sie sah etwas mutiger aus als vorher, trotzdem senkte sie den Blick als sie merkte, daß Agnes sie ansah.
"Ihr seit Hexen", wiederholte das Mädchen leise und sah zwischen ihnen hin und her. "Hexen."
"Wie wir.", fügte das schöne Mädchen hinzu. Ihre Stimme war unglaublich gelassen und sanft, fand Agnes.
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mädchens in der Mitte aus und sie breitete die Arme aus. "WILLKOMMEN ", sagte sie überschwänglich und viel lauter als notwendig gewesen wäre.
Ein bisschen komisch ist sie schon, dachte Agnes, während das Mädchen ihr um den Hals fiel. Nach und nach umarmte sie jedes Mädchen.
Ob Agnes von dem wunderschönen Mädchen auch eine Umarmung bekommen würde?
Doch weder das dunkel haarige noch das blonde Mädchen schien Interesse an Umarmungen zu haben. Schade.
"Wir haben so lange auf die Hexen-Revolution gewartet.", meinte das Mädchen, als sie auch die Prinzessin (die versuchte hatte, sie abzuwehren) umarmte hatte. "Dafür seit ihr doch hier, oder? Ihr führt uns in einen Krieg gegen die Inquisitoren, richtig?"
"Äh, ja?" Agnes wusste nicht, was sie sagen sollte. Unsicher sah sie die anderen an. War es Krieg, den sie führen würden, oder lediglich ein kleiner Kampf? Und war da überhaupt der Unterschied?
"Fantastisch! Los geht's."

Erst als sie sie verließen merkt Agnes, in was für einer Ruine sie zuvor gestanden hatten.
Es herrschte eine heillose und zum größten Teil schweigsame Verwirrung. Keiner hatte damit gerechnet, dass sie so bald wieder aufbrechen würden.
Keiner außer das seltsame Mädchen, das wie ein Wasserfall quatschte. Das schüchterne Mädchen wirkte, nun ja, eingeschüchtert und das hübsche Mädchen war einigermaßen gefasst. Agnes räusperte sich. Unsicher fragte sie "Wie heißt ihr eigentlich?" Sie hatte zu dem schönen Mädchen gesprochen, doch es war das seltsame, das antwortete.
"Oh Teufel, wir haben uns noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Charlotta. Ich habe Telikinese-Kräfte. Das ist super cool und macht voll Spaß. Das ist Annicka.", sie zeigte auf das blonde, schüchterne Mädchen mit dem Zeichenblock "Durch ihre Kräfte entsteht alles, was sie zeichnet. Und das" endlich zeigte sie auf das wunderschöne Mädchen mit der Kaffeefarbenden Haut "ist Aysha. Sie ist aus Peru zu uns rüber gekommen. Sie musste flüchten. Als ob es hier besser wäre. Wie auch immer... sie kann fliegen."
Aysha also. Welch wunderschöner Name. Stop! Was ist bloß los mit dir? Konzentrier dich.

Auch die fünf stellten sich vor.
Dann machten sie sich zu acht auf den Weg zur Kirche.

Plötzlich HEXEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt