Das Herz und der Wille

1.3K 41 11
                                    


Blitzschnell schoss Junies Faust nach vorne – und gute fünfzehn Zentimeter vor dem Kontakt mit ihrer eigentlichen Haut wurde der Boxsack jäh nach hinten katapultiert. Sofort setzte sie ihm nach; ein Tritt beförderte ihn nach rechts, ebenfalls deutlich vor ihrem Körper, ehe eine teuflisch schnelle Schlagfolge beider Fäuste ihn durch die enorme Wucht unsichtbarer Kräfte gegen die Wand pressten.
„Sieht interessant aus, Beckman! Ein neuer Trick für deine Schatzkiste?", erklang auf einmal Alens interessierte Stimme durch den ansonsten im Augenblick unbenutzten Trainingsraum. Keuchend hielt Junie inne und wischte sich den Schweiß von der vor angestrengter Konzentration pochenden Stirn, ehe sie sich zu ihm und – ihr Herz schlug augenblicklich schneller – Marco umdrehte. Offenbar hatte die beiden ebenfalls beschlossen, diesen ereignislosen Vormittag für ein bisschen auspowern zu nutzen. Der Phönix begrüßte sie mit einem verschmitzten Lächeln, das ihr wie immer zuverlässig die Knie weich werden und ihre Gedanken abdriften ließ.

„Nur nicht das Observationshaki vernachlässigen, yoi? Nicht, dass sich jemand unbemerkt an dich ranschleicht...", belehrte er sie mit einem Zwinkern. Schnaubend zog sie die Brauen hoch.
„Ja... ich denke langsam auch, dass ich meinen Fokus stärker auf meine Umgebung richten sollte... und vor allem permanent", erwiderte sie mit vergnügt blitzenden Augen gedehnt, was sein Lächeln durchtrieben werden ließ. Ob sie vielleicht auf die nächtliche Entführung vor drei Tagen anspielte? Oder... auf seinen kleinen Überfall vorgestern Mittag, als er sie allein in der gänzlich leeren Krankenstation gefunden hatte...? Oder auf die Sache gestern Abend in ihrer Kajüte? Ach, es machte ihm zugegebenermaßen einfach verdammt viel Spaß, sie auf diese Art zu necken... und zu verführen.
„Eindeutig! Aber dafür sieht das hier schon richtig gut aus... wie weit kommst du inzwischen?", brachte er das Gespräch in eine weniger zweideutige Richtung. Junie machte eine auffordernde Geste zu Alen, der interessiert seinen Arm in eine blockende Haltung vor sich hielt. In der nächsten Sekunde schoss auch schon ihre Faust auf ihn zu – doch sie war noch knapp zwei handbreit entfernt, als ihn bereits der Aufprall traf und ihn einen kleinen Schritt rückwärts drängte.

„Oi, nicht übel! Wieder eine Kombination aus Rüstungs- und Observationshaki?", vermutete der Brillenträger und rieb sich anerkennend über den Unterarm. Junie nickte.
„Richtig. Ich übe gerade, das Rüstungshaki ein gutes Stück weit VOR meine Haut zu verlegen... es dürfte meine Gegner ziemlich verwirren, wenn ihre Angriffe nicht dort enden, wo sie es eigentlich vermuten – oder sie schon von meinem Angriff getroffen werden, bevor ich sie tatsächlich berühre", erklärte Junie nicht ohne Stolz, ehe sie ein wenig unzufrieden das Gesicht verzog. „In echten Kämpfen ist es aber leider noch nicht wirklich einsetzbar..."
„Woran scheiterts noch?", fragte Alen interessiert und legte dabei das mitgebrachte Handtuch und seine Wasserflasche auf den Boden an der Wand, wo auch schon ihre Sachen lagen.
„Eine bewegliche Barriere kostet mehr Kraft und Konzentration als eine starre, yoi? Hier gegen den Boxsack ist es recht einfach, weil sie sich nur auf ihre Angriffe konzentrieren muss, und vermutlich würde es auch bei einfachen Soldaten und Ganoven schon klappen. Aber spätestens bei einem erfahrenen, starken Gegner muss sie ihren Fokus so schnell auf unterschiedliche Bereiche konzentrieren, dass es kaum mehr als eine Minute gut gehen würde", übernahm der Phönix die Erklärung und lächelte zuversichtlich. „Aber das ist eine Sache der Übung und des Instinkts. Wenn das erst mal sitzt, wird's leichter!" Er war wirklich zufrieden mit ihrem Fortschritt; er trainierte ja nach wie vor regelmäßig mit ihr, und das zahlte sich sichtlich aus.

Alen zwinkerte Junie verschmitzt zu.
„Das dürfte die Gerüchte um deine Teufelskräfte nochmal verstärken, sobald du damit gegen die Marine kämpfst, was? Vielleicht sollten wir dich aber auch einfach mal zufällig ins Wasser fallen lassen und dich dann heldenhaft retten, damit es noch glaubhafter rüberkommt", schlug er unschuldig vor und zog sich dabei seinen fürs Training unnötigen Pullover aus. Marco tat es ihm gleich, weshalb Junie den beiden sofort betont den Rücken zudrehte; auch wenn die Erinnerung an diesen unglaublich schönen Nachtflug bei seinem normalen Anblick glücklicherweise tatsächlich dominierten... das klappte NICHT mit nacktem Oberkörper.
Was ihm selbstverständlich vollkommen bewusst war. Sie konnte sein Grinsen in ihrem Nacken quasi fühlen.
„Oooch, jetzt auf einmal wollt ihr Helden spielen und eine Dame in Nöten retten?", spöttelte sie als Antwort auf Alens Vorschlag und ging gleich darauf in einen fließenden Spagat, um sich von dem Ende ihres zweistündigen Trainings nochmal gründlich zu dehnen. Und um Marco das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, indem sie ihm einen vorteilhaften Blick auf ihre langen Beine und ihre Kehrseite gönnte. Was ihr – nach einem kurzen Einblick in seine sich schlagartig verändernden Emotionen – eindeutig auch gelang und ihr ein triumphierendes Schmunzeln entlockte.
Tja mein Lieber, ich lerne dazu!

Alen war dieses kleine, stumme Kräftemessen natürlich keineswegs entgangen. Er verkniff sich nur mit Mühe ein Lachen und tippte seinem grade leicht entrückten Freund auf die Schulter.
„Willst du vielleicht lieber einen anderen Trainingsraum benutzen? Ich mein ja nur, falls du hier zu... abgelenkt bist", frotzelte er und wich dem erwarteten Hieb lässig aus. Marco schnaufte zwar empört, doch diese oder auch die anderen kleinen Spötteleien, die er sich vorrangig von Izou, Kirio und Vater anhören durfte, machten ihm nichts aus. Dafür genoss er es einfach viel zu sehr, dass Junie endlich ihm gehörte... und er jedes Recht der Welt dazu hatte, sie so lange und so intensiv anzusehen wie er wollte. Und verdammt, er sah sie gerne an... vor allem so. Nicht nur wegen ihrer momentanen, wirklich vorteilhaften Pose, sondern generell nach dem Training; wenn ihre Haare leicht zerzaust und feucht in ihr Gesicht hingen und ihre Wangen vor Anstrengung gerötet waren... ja, er liebte diesen Anblick – und welche anderen Bilder sie heraufbeschworen...
Mühsam wandte er den Blick von ihr ab und rief seine Gedanken streng zur Ordnung. Schließlich war er ebenfalls zum Training hier und hatte nicht vor, hier gegen seine vorlaute, rechte Hand den Kürzeren zu ziehen! Entschlossen lächelte er ihn an.

„Nicht nötig. So abgelenkt kann ich gar nicht sein, als dass ich dich nicht auf die Matte schicke, yoi?", konterte er gelassen und stellte sich ihm gegenüber in lockerer Angriffshaltung auf, was auch Junie wieder dazu brachte, sich umzudrehen. Sie sah den beiden gern beim Kampf zu.
„So? Na, das finden wir doch gleich raus..." Alen ging ebenfalls in Stellung und lächelte herausfordernd. Im selben Moment schoss Marco auch schon nach vorn und ein heftiger Schlagabtausch entbrannte nahezu überganglos zwischen ihnen, in dem jedoch minutenlang keiner einen nennenswerten Vorteil erringen konnte. Sie kannten sich nach all der Zeit einfach schon in- und auswendig; und ohne Haki und Teufelskräfte war Alen ein gefährlicher Gegner für den Phönix. Kurz trennten sie sich, um zu Atem zu kommen, dann stürmten sie erneut aufeinander zu. Marcos Tritt krachte geräuschvoll gegen den zum Block erhobenen Unterarm seines Kontrahenten, der keine Zeit verlor und ihm augenblicklich das verbliebene Standbein wegzog. Das hatte er jedoch kommen sehen; er rollte sich geschickt ab und nutzte den Schwung knieend für einen überraschenden Schlag gegen seine Unterschenkel, der ihn umgehend zu ihm hinunter auf Augenhöhe beförderte.
„Ah, guter Sex verleiht wohl Flügel, was? Übertreibs nur nicht, sonst überforderst du unsere geliebte Prinzessin nur wieder", stichelte Alen grinsend und sprang zurück auf die Beine, wo er nach einer raffinierten Finte zu einem kurzen, aber schmerzhaften Hieb in die Nieren ausholte, den sein Freund nicht mehr blocken können würde.

Dachte er zumindest.
Noch in der Bewegung wurde seine Faust eben doch gestoppt - von einer unsichtbaren Barriere, die aber offenbar eine Millisekunde später bereits wieder verschwunden war, denn Marco packte plötzlich ungehindert sein Handgelenkt und beförderte ihn kurzerhand über die Schulter hinweg krachend auf den Boden, wo Alen ziemlich perplex liegenblieb.
Gelassen kam Junie dazu und sah gemeinsam mit Marco breit grinsend von oben auf ihn herab.
„Ach, mach dir um mich keine Sorgen, Bruderherz... wie du siehst, funktioniert unser Zusammenspiel bestens!", informierte sie ihn fröhlich, während ihm der Phönix mit triumphierend glänzenden Augen die Hand reichte. So schnell war schon lang keine ihrer Trainingsrunden mehr beendet worden... sie waren ja noch nicht einmal richtig ins Schwitzen gekommen!
„Sind wir etwa neidisch, alter Freund?"
Alen verdrehte schnaubend die Augen.
„Hab ich gar nicht nötig, falls dein glückstrunkenes Hirn sich noch erinnert...", gab er ungerührt zurück und ließ sich schmunzelnd auf die Beine helfen – Junies Trickkiste war eindeutig nicht zu unterschätzen. Marco lächelte schief und tauschte einen kurzen, verschwörerischen Blick mit ihr, ehe er sich wieder seinem Freund zuwandte.
„Ah, wo wir grade beim Thema sind...", begann er plötzlich mit seinem strengsten Kommandantenton und fixierte ihn kritisch. „...nachdem mein geliebtes Schiff deinetwegen nur noch ein trauriges Wrack ist, hab ich beschlossen, dass du es persönlich nach Pinar Island zurückfahren und die Instandsetzung dort überwachen wirst, yoi? Bis das passiert ist, betrachte dich als zwangsbeurlaubt. Wir sammeln dich dann samt Vista und den anderen auf dem Rückweg wieder ein..."

Alen öffnete reflexartig empört den Mund – ehe ihm die eigentliche Bedeutung dieser scherzhaften Anschuldigung bewusstwurde. Und sich ein sehr, SEHR breites Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Zwangsurlaub auf Pinar Island? Darüber würde sich wohl noch jemand sehr freuen...
„Ist das dein Ernst? Wem von euch hab ich das zu verdanken?", wollte er mit vorfreudig glänzenden Augen wissen und sah zwischen den beiden hin und her. Sein Freund schmunzelte.
„Es war Junies Idee, dass die Blue Bird doch unter deinem Kommando zurücksegeln könnte, und ich hab beschlossen, dass du eigentlich auch gleich mit Fossa und Gil dort bleiben kannst... sofern das in deinem Sinne ist, yoi?", antwortete er, woraufhin Alen unwillkürlich auflachte – als ob mehrere Wochen ohne großartige Pflichten in Mimabis Nähe nicht in seinem Sinne wären! Sie so unverhofft schnell wiederzusehen und vor allem auch noch so verdammt viel Zeit mit ihr verbringen zu dürfen, war in jeder Hinsicht ein fantastisches Geschenk!
„Und wie es das ist! Mal sehen, ob sie mich schon so lange um sich herum ertragen kann... oder ob sie mir nach zwei Wochen den Teufelspudel auf den Hals hetzt!", erwiderte er glucksend und rückte vergnügt seine Brille zurecht. „Danke, wirklich. Aber seid ihr euch sicher, dass ihr mich hier nicht braucht?", hakte er trotzdem ein wenig besorgt nach. Marco nickte entschieden.

„Absolut sicher, mach dir keine Gedanken um uns. Die Gegend, in die wir fahren, ist ziemlich abgelegen und wird weder von der Marine noch von Piraten groß beachtet, weil es dort rein gar nichts interessantes zu holen gibt, yoi? Zumindest war das damals so, aber ich bezweifle ernsthaft, dass sich daran was geändert hat. Es sind viele kleine Inseln, von denen nur wenige überhaupt größere Städte haben", erklärte er ernst, doch das hatte Alen eigentlich gar nicht gemeint. Ihm ging es mehr um den persönlichen Aspekt dieses Reiseziels, weshalb er seinen Freund weiterhin stumm und etwas skeptisch musterte – er machte sich keine Sorgen um mögliche Feinde, sondern vielmehr um IHN. Marco hielt seinem Blick jedoch überraschend ruhig stand, auch wenn kurz Unruhe und Nervosität darin aufflackerten. „Wir machen das schon...", fügte er leise, aber entschlossen hinzu.
Junie entging diese kurze, stumme Konversation nicht, doch sie hielt sich taktvoll zurück. Ihr war klar, dass Alen zu den wenigen Menschen gehörte, die über Marcos Vergangenheit Bescheid wussten. Und auch, wenn sie nicht zu diesen Menschen gehörte, wärmte ihr die Zuversicht in Marcos letztem Satz – und der kurze, liebevolle Blick zu ihr - das Herz.
Er war zuversichtlich wegen ihr...
Das sah Alen auch, weshalb sein Lächeln zurückkehrte. Sein Freund war eindeutig in den allerbesten Händen, da musste er sich wohl wirklich keine Sorgen machen.
„Gut, dann sorge ich dafür, dass meine Schuld endlich gesühnt und dein geliebtes Schiff wieder flott gemacht wird, während ihr mit den anderen auf Spurensuche geht", seufzte er gespielt reumütig, ehe er demonstrativ mit den Knöcheln knackte und Junie einen verschmitzten Blick zuwarf. „Aber du wolltest jetzt doch sicherlich unbedingt duschen gehen, oder Schwesterherz? Nicht, dass ich hier noch weitere hinterhältige Angriffe befürchten muss!"

Junie lachte schadenfroh; das kleine, ungeplante Teamwork mit Marco hatte Spaß gemacht.
„Reiß doch einfach keine blöden Sprüche über uns, dann hab ich auch keinen Grund für hinterhältige Angriffe! Aber ich geh schon, ich muss sowieso noch alles für heut Abend vorbereiten, sodass ihr euch in aller Ruhe die Köpfe einschlagen könnt. Bis später!", verabschiedete sie sich und wandte sich zur Tür, jedoch nicht ohne Marco im Vorbeigehen flüchtig an den Fingern zu berühren – und ihm damit ein intensives Gefühl der Zuneigung zukommen zu lassen.
Der Phönix sah ihr mit einem warmen Lächeln nach. In den letzten Tagen hatte er ihre besondere Gabe wirklich lieben gelernt... mit Gefühlen ließ sich einfach so viel mehr sagen als mit Worten! Erst recht, weil er ja sowieso noch nie ein Freund vieler Worte gewesen war, sondern lieber handelte.
„Es ist echt schön, dich so glücklich zu sehen, alter Freund", holte Alens leise, aber unbestreitbar belustigte Stimme ihn in die Wirklichkeit zurück. „Wer hätte gedacht, dass wir eiserne Junggesellen doch nochmal in feste Hände geraten?"
Marco warf ihm einen amüsierten, aber auch etwas verlegenen Blick zu und schnaubte zustimmend.
„Bis vor Kurzem hätte ich dich noch ziemlich laut ausgelacht, wenn du mir sowas prophezeit hättest, yoi?", stimmte er ihm zu, ehe er sich seufzend durch die Haare strich. „Wobei ich mir auch nie hätte vorstellen können, dass ich mich in meinem Alter nochmal fühlen würde wie ein ahnungsloser Teenager. Allein wie viel Schiss ich hatte, ihr überhaupt was von meinen Gefühlen zu zeigen... und davor, eine Abfuhr zu kassieren. Bitte sag mir, dass du dich bei Mimabi am Anfang auch so verdammt unbeholfen gefühlt hast..."

Der Brillenträger gluckste belustigt.
„Unbeholfen? Ich doch nicht... ich hatte nur tagelang nicht mal genug Arsch in der Hose, um einfach mal allein zu ihr zu gehen und mit ihr zu reden. Weshalb mir wirklich keine Ausrede zu dumm war, um dann eben wenigstens in Begleitung von Junie oder den Anderen auffällig unauffällig in ihrer Nähe sein zu können. Der Tiefpunkt war dann glaub ich bei dem Satz 'Der Hund ist doch irgendwie ganz niedlich' erreicht...", gab er selbstironisch zurück und brachte seinen Freund damit so zum Lachen, dass er selbst miteinstimmte. Glucksend schüttelte Marco den Kopf.
„Wie hat Mimabi reagiert? Hat sie's bemerkt oder hast du's ihr hinterher erzählt?", hakte der Phönix grinsend nach, ehe er nach seiner Wasserflasche griff und die kurze Gesprächspause nutzte, um einen Schluck zu trinken. Haha, der Pudel und niedlich... doch, es war wirklich eine Erleichterung zu hören, dass er sich nicht als einziger so angestellt hatte.

Alen lachte und rieb sich sichtlich verlegen über der Schläfe.
„Sie hats selbst gemerkt... ihr sind offenbar genug Geschichten über den Teufelspudel zugetragen worden, um meine Aussage als das zu erkennen, was es war: eine planlose Verzweiflungstat. Diese Peinlichkeit hatte allerdings auch sein Gutes... bis zu diesem Moment hat sie nämlich noch ein bisschen Schiss vor mir gehabt, aber diese Aktion hat ihr wohl gezeigt, dass ich bei weitem nicht so furchterregend bin wie mein Ruf... woraufhin sie mich zur Aufmunterung auf einen Kaffee eingeladen hat!" Erneut prusteten die beiden Männer erheitert los. Es tat ihnen wirklich gut, im jeweils anderen eine Art Leidensgenossen gefunden zu haben und über solche Dinge reden zu können, ohne befürchten zu müssen, damit aufgezogen zu werden. Schmunzelnd lockerte Alen seine Armmuskulatur und dachte belustigt an diesen etwas holprigen Start zurück. „Ist schon komisch, oder? Ich meine... wir hatten doch beide nie ein Problem damit, mit Frauen zu flirten und sie für uns zu gewinnen, aber... bei Mimabi hab ich mich plötzlich gefühlt – und angestellt – wie ein idiotischer Teenager. Vista gings damals doch auch ähnlich mit Marianna, oder? Ihn haben wir damals noch aufgezogen, als er sich seiner Liebsten gegenüber am Anfang genauso verhalten hat... Oh man, wir müssten ihm eigentlich als Entschuldigung unser nächstes Monatsgehalt abtreten, oder? Zumindest scheint es echt eine Art System zu haben, dass wir uns vor den Frauen, die uns wirklich was bedeuten, erst mal auf die eine oder andere Art zum Deppen machen..."
Dem konnte Marco nur vollumfänglich zustimmen, während er mehr spielerisch gegen den bis vor kurzem noch von Junie benutzten Boxsack trat.
„Scheint wirklich so, yoi? Aber nachdem sie uns ja offenbar trotzdem wollen, scheinen wir doch irgendwas auch richtig zu machen...", erwiderte er und schlug ihm gleich darauf auf die Schulter. „Danke übrigens nochmal für neulich Nacht!"

Alen schmunzelte.
„Keine Ursache. Mit dem langen Sonderurlaub hast du dich ja jetzt gleich doppelt und dreifach dafür revanchiert!" Dann jedoch wurde er nachdenklich. „Sag mal... zum Thema von vorhin: Was hast du vor Junie zu erzählen?", wollte er von ihm wissen und bemerkte sofort, wie sich Marcos Haltung sichtlich anspannte, schon bevor er überhaupt zu Ende gesprochen hatte. Das überraschte Alen nicht im Geringsten, immerhin wusste er, wie Marco auf dieses Thema reagierte. Allerdings konnte er ihn auch nicht einfach ziehen lassen, ohne mit seinem besten Freund darüber gesprochen zu haben. „Hast du vor, ihr alles von früher zu erzählen oder belässt du es bei der Geschichte, wie du zu deinen Teufelskräften gekommen bist?", präzisierte er deshalb und konnte beobachten, wie Marcos Miene automatisch abwehrend wurde, ehe er sich wieder zusammenriss und tief durchatmete, um sich zu entspannen.

DAS war eine verdammt gute Frage.
„Ich weiß es nicht", gab er ehrlich zu und gestand Alen damit mehr Offenheit in diesem Thema zu als den meisten. „In mir sträubt sich schon alles nur wegen dem Wissen, dass wir jetzt tatsächlich Kurs in diese Richtung nehmen... keine Ahnung wie es sich anfühlt, wenn ich dort bin, yoi? Vermutlich will ichs einfach nur hinter mich bringen und möglichst schnell wieder von da verschwinden. Aber..." Ein vages Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, als er in Richtung Tür sah, durch die Junie vor ein paar Minuten verschwunden war. „Bis dahin sinds noch ein paar Wochen, wer weiß, inwieweit sich die Dinge noch entwickeln. Aber so oder so: ich bin mir zumindest absolut sicher, dass Junie meine Entscheidung vorbehaltlos akzeptieren mir daraus keinen Strick drehen wird..."

Da hatte er zweifellos recht.
Alen war wirklich, WIRKLICH froh, dass sein bester Freund sich ausgerechnet in Junie verguckt hatte. Egal ob er sich in dieser Sache für Offenheit oder Schweigen entschied, sie würde bedingungslos hinter ihm stehen... und allein das musste ihm schon ein gutes Gefühl geben, das ihm sicherlich enorm half.
Zugegeben, als Marco ihm vor ein paar Tagen aus heiterem Himmel erzählt hatte, dass er und Junie etwas füreinander empfanden und sogar schon die Nacht zusammen verbracht hatten, war er erst Mal aus allen Wolken gefallen – über diese Möglichkeit hatte er nämlich allein wegen ihres ja doch sehr unterschiedlichen Alters bis zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht nachgedacht... er grinste, als er daran dachte.

„Alen! Warte, ich muss kurz mit dir reden, yoi?"
Überrascht wandte sich Alen im Flur unter Deck um und sah seinem Freund entgegen, der ungewöhnlich eilig auf ihn zukam. Noch überraschter war er, als er von eben jenem kurzerhand am Arm gepackt und ins Archiv geschoben wurde, wo augenblicklich die Tür hinter ihnen schloss.
„Irgendwie fühl ich mich grade wieder in unsere Lehrlingszeit zurückversetzt... kommt gleich Vater schnaubend wie ein wütender Stier und mit von uns blondgefärbtem Schnurrbart hier reingestürmt und will uns verhauen?", fragte er schmunzelnd, was Marco unwillkürlich auflachen ließ.
„Ah, stimmt... da haben wir uns auch hier versteckt, yoi?", erinnerte er sich grinsend, ehe er den Kopf schüttelte und sich ein wenig fahrig durch die Haare strich. „Nein, diesmal haben wir nichts ausgefressen. Also du zumindest nicht... ich wohl irgendwie schon... naja. Ich... bräuchte deine Hilfe. Kannst du mir einen Gefallen tun?"
„DU hast was ausgefressen?" Nun war Alen wirklich verblüfft und musterte ihn kritisch. So unruhig und... verlegen? hatte er seinen Freund ja noch nie erlebt. Was um alles in der Welt war denn passiert? Gestern auf der Party war doch noch alles normal gewesen, oder? „Also los, spucks aus!", forderte er ihn knapp auf, während er sich mit verschränkten Armen an die Wand lehnte und ihn abwartend ansah.

Der Phönix seufzte.
„Junie hat vorhin die Schicht mit dir getauscht, oder? Würdest du sie bitte ohne ihr was zu sagen doch antreten? Und... am besten auch eine halbe Stunde früher, damit sie dich sicher nicht sieht?", bat er ihn unerwartet, woraufhin der Brillenträger skeptisch die Brauen hob.
„Schon wieder ein Missverständnis zwischen euch? Du lieber Himmel, was ist denn in letzter Zeit los zwischen Junie und dir? Welches Fettnäpfchen war es denn diesmal und wie ist das passiert?", wollte er ungläubig den Kopf schüttelnd wissen. Es war wirklich nicht zu glauben, dass ausgerechnet die beiden immer wieder solche Kommunikationsprobleme hatten; so lang war das doch noch gar nicht her, dass Junie nicht mit ihm hatte reden wollen, weil sie den Eindruck gehabt hatte, dass er sie grade nicht in ihrer Nähe haben wollte! Und jetzt schon wieder sowas?

Es dauerte ein paar Sekunden, in denen sich sein Freund durchs Gesicht fuhr und tief durchatmete, ehe er sich sichtlich einen Ruck gab und ihn mit einem halb verlegenen, halb amüsierten, schiefen Lächeln anblickte.
„Kurzgefasst: wir haben gestern rausgefunden, dass wir beide insgeheim schon ziemlich lange was füreinander empfinden. Dann haben wir miteinander geschlafen, wobei ich nicht gemerkt hab, dass sie in dieser Sache noch gänzlich unerfahren war. Aus diesem Grund konnte SIE aber auch nicht ahnen, dass deshalb ihr Gedächtnis wieder mal ein wenig verrücktspielen würde, sobald sie mich danach auch nur ansieht... was bei mir dann leider zu einem echten Lachanfall geführt hat, als ich das gemerkt hab. Weshalb sie jetzt aber – irgendwie ja zurecht und verständlicherweise – vor mir auf der Flucht ist. Ich will das aber wieder gutmachen und mich entschuldigen, yoi? Was aber nicht geht, wenn sie Nachtschicht schiebt..."

Alen blinzelte. Mehrmals.

Bitte WAS?!

Marco und Junie hatten miteinander...? Und dann hatte er... echt jetzt?!
Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber... das traf ihn vollkommen unerwartet. Und überforderte ihn maßlos, weshalb er seinen Freund lediglich mit einem Ausdruck totaler Fassungslosigkeit anstarrte und nichts als ein wenig intelligentes „Äh..." über seine Lippen kam. Sein Anblick war wohl höchst amüsant, denn Marco konnte sich offensichtlich nur mit viel Mühe ein lautes Lachen verbeißen.
„Tut mir leid, yoi?", gluckste er hinter vorgehaltener Hand, was Alen immerhin wieder ein wenig zur Besinnung kommen ließ. Geplättet strich er sich durchs Haar und starrte ihn vorwurfsvoll an.
„Jaaaah... das sollte es auch! Ein bisschen schonender hättest du mir das nicht präsentieren können, oder?" Seine Augen wurden schmal und sein Zeigefinger tippte regelrecht manisch auf seinen sofort wieder verschränkten Arm herum. „Zum Beispiel, indem du mir früher was von diesen Gefühlen erzählt hättest...? Bei Neptuns nassen Sackhaaren – wie lang ist das denn schon so? Und warum erfahr ich nichts davon?"
Der Phönix hob beschwichtigend die Hände und hatte immerhin den Anstand, angemessen reumütig den Kopf einzuziehen.
„Ich weiß, ich hätte früher mit dir reden sollen. Es tut mir wirklich, wirklich leid... ich hols auch nach, yoi? Hilfst du mir trotzdem wegen der Nachtschicht?"
Alen seufzte und verdrehte die Augen.
„Als ob ich deinen fedrigen Arsch jemals nicht aus der Patsche gezogen hätte... und jetzt raus mit der Sprache, ich will die ganze Geschichte - von Anfang an und mit allen Details, sonst überleg ichs mir nochmal!"


Leise in sich hineinlachend schüttelte der Brillenträger bei der Erinnerung den Kopf.
Ja, das hatte ihn schon wirklich kalt erwischt. Aber als er länger darüber nachgedacht und die beiden genauer betrachtet hatte... passten sie trotz ihres großen Altersunterschiedes eigentlich sogar verblüffend gut zueinander. Vielleicht machte sogar grade der den entscheidenden Unterschied. Denn Junie konnte mit ihrem noch immer etwas wankelmütigen Selbstbewusstsein, ihrer schwierigen Kindheit und ihrer gelegentlich auftretenden Unsicherheit einen reifen, verantwortungsbewussten, erfahrenen Mann wie Marco an ihrer Seite wirklich brauchen. Und ihre jugendliche Energie und ihre warmherzige Fröhlichkeit waren im Gegenzug dafür ein perfekter Ausgleich für seinen eher ernsten und zweitweise auch etwas verkopften Freund. Von dieser Beziehung profitierten sie also beide unheimlich, das konnte er schon nach dieser kurzen Zeit erkennen.
Und genauso war es bei Mimabi und ihm.
Ein Lächeln glitt unweigerlich über sein Gesicht, als er an diese bezaubernde, kluge Frau dachte.

„Ich weiß, was du meinst... sie würde sich nicht in deine Entscheidung einmischen, sondern sie respektieren. Genauso wie Mi bei mir. Ich würd sagen, wir haben zwar echt lang gebraucht, aber... letztendlich hat es sich doch eindeutig auch gelohnt, oder?", entgegnete er mit einem breiten Lächeln, ehe er seinen Freund auffordernd mit der Schulter anstieß und sich wieder in etwas Abstand kampfbereit aufstellte. „Und jetzt hör auf, dich zu drücken, sondern lass mich dich endlich verhauen!"
Mit einem ungläubigen Schnaufen ging auch der Phönix sofort wieder in Position. Das Gespräch hatte gutgetan und ihn eindeutig auch so richtig motiviert.
„...sprach der, der mich grade schon von unten angeschaut hat, yoi?", zog er ihn auf – und ging direkt in den Angriff über. Wie ein Hagelschauer prasselten seine Fäuste auf Alen ein, der alle Mühe hatte, jeden einzelnen zu blocken. „Ist Mi... eigentlich der Kosename deiner Liebsten? Klingt ja... echt süß...", fügte er grinsend hinzu.
Deutlich schwerer atmend sprangen sie voneinander weg, doch Alen setzte augenblicklich nach und grinste ebenfalls, während er nun seinerseits den Phönix in Bedrängnis brachte.
„Neidisch auf meinen... jugendlichen Charme, alter Vogel? Sie ist... ja auch einfach süß. Fällt dir... etwa keiner... für Junie ein?", antwortete er schnaufend und wich geschickt einem Tritt aus. Marco feixte ausgelassen.
„Klar doch... Küken!", gab er unbekümmert zurück und brachte Alen damit zum Prusten.
„Oi, ich seh schon: Mi hat mit mir eindeutig das bessere Los gezogen!"


~•~•~•~•~•~•

„SEGEL IN SICHT! ES SIND DIE SPADE-PIRATEN!", ertönte am späten Nachmittag der Ruf aus dem Krähennest.
Ace, der bis gerade eben noch ziemlich antriebslos zusammen mit Junie an Deck gelegen hatte, sprang unvermittelt schnell auf die Füße, und ein vernehmlicher Bums erklang.
„AU! Mensch, Ace...", jammerte Junie und rieb sich den Hinterkopf, der eigentlich grade noch auf Ace Brust gelegen hatte und durch seine jähe Bewegung schmerzhaft auf die Planken gekracht war. Der Angesprochene warf ihr jedoch lediglich ein geradezu übermütiges Grinsen zu.
„Was? Bist du jetzt doch aus Zucker, Mini-Beckmann?" , gab er frech zurück, sprang mit einem Satz auf die Reling und von dort aus direkt auf seinen darunter angebundenen Striker, dessen Halteseile er auf dem Weg nach unten direkt verbrannte. Sofort loderten seine Teufelskräfte auf und er schoss mit halsbrecherischem Tempo auf seine lang vermisste Crew zu, was Junie mit einem nachsichtigen Schnauben quittierte.
Böse war sie ihm wegen der kleinen Beule garantiert nicht, es freute sie ja sogar, ihren kleinen Bruder endlich wieder so lebhaft zu sehen... sie hatte schon begonnen, sich wirklich Sorgen um ihn zu machen, weil er sich immer mehr zurückgezogen hatte und sich die meiste Zeit darauf beschränkte, mürrisch vor sich hin zu brüten.

„Ui, da freut sich aber einer", grinste Thatch, der sich gemütlich neben Junie an die Reling lehnte und der Feuerfaust hinterher blickte. Sie lächelte zustimmend.
„Und wie! Seine Leute haben ein perfektes Timing; er hat ein Stück Normalität wohl niemals dringender gebraucht..."
„...oder eine Pause von all seinen Tötungsversuchen und den düsteren Grübeleien", fügte der Koch belustigt hinzu. „Dieses Grinsen steht ihm im Übrigen wesentlich besser als sein finsterer komm-mir-nicht-zu-nahe-Blick, vielleicht sollte ich ihm das mal sagen. Oder du sagst es ihm, dann riskiere ich nämlich keine versengten Augenbrauen... oder gar Haare!"
Die Vorstellung brachte sie augenblicklich zum Lachen.
„Ist wohl wirklich besser so. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn dieser fantastischen, einzigartigen, wunderschönen, von mir über alles geliebten Haarpracht etwas zustoßen sollte...", seufzte sie theatralisch und stupste seine charakteristische, wie üblich absolut tadellos sitzende Tolle spielerisch mit dem Finger an. Thatch schnaufte empört und zog seiner vorlauten Lieblingsschwester kurzerhand ihr gelbes Haarband über die Augen.
„Freches Gör! Kaum zu glauben, dass ich für so ein unverschämtes Früchtchen noch früher in der Küche gestanden hab als sonst", gab er gespielt beleidigt zurück und zog einen geradezu meisterlichen Schmollmund. Kichernd schob Junie das Band wieder dorthin zurück, wo es hingehörte.

„Hey, ich stand mit dir da, schon vergessen?", erinnerte sie ihn unbekümmert, ehe sie genau das tat, was er mit seiner kunstvollen Jammermiene bezwecken wollte: sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und bedeckte es von der Stirn bis zum Kinn mit so vielen kleinen Küsschen, dass er sein Pokerface nicht mehr aufrechterhalten konnte und in lautes Gelächter ausbrach.
„Ach Prinzessin, du bist doch wirklich der zuckersüßeste Sonnenschein, der jemals meinen Tag erhellt hat!" Grinsend zog er sie in eine kurze, bärige Umarmung und gab ihr einen liebevollen Kuss auf den Schopf, ehe er sie wieder auf die Füße stellte. Sie strahlte ihn an.
„Und du bist der fabelhafteste, allerliebste Küchengott, der jemals einen Kochlöffel geschwungen hat!", gab sie fröhlich zurück. „Danke für deine Hilfe – mal wieder!"
Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu und sah zu dem sich rasch nähernden Schiff, an dem inzwischen der Striker vertäut war. Die begeisterten Begrüßungsrufe drangen bis hier her.
„Wie immer gern geschehen... gutes Essen hält Leib und Seele zusammen, sag ich immer wieder! Gilt auch für sture Feuerteufel!"

„Zeit wird's... aber ich fürchte, da brauchen wir noch ein bisschen Geduld", seufzte Junie. Auch wenn sie das Gefühl hatte, dass Ace seine Stacheln nicht mehr ganz so weit ausfuhr und er seine Abneigung gegenüber dem Treiben an Bord der Moby langsam durch vorsichtige Neugierde ersetzte: ganz so leicht würde sich sein Sturschädel nicht geschlagen geben. Dreiundneunzig Mordversuche reichten wohl noch nicht; sie vermutete stark, dass er mindestens noch die Hundert vollmachen würde.
Thatch stieß sie aufmunternd mit der Schulter an.
„Das wird schon... Vater hat doch oft genug bewiesen, dass er auch die härteste Nuss knacken kann! Nicht mal unser geliebtes Vögelchen hatte eine Chance gegen ihn...", schmunzelte er und erinnerte sich belustigt an die Erzählungen von Marcos Crewbeitritt damals und seiner ersten Zeit an Bord, in der er es ihrem Vater wohl auch nicht besonders leicht gemacht hatte.

Junie kicherte. Ah, da war endlich eine Anspielung auf Pops erfolgreiche Kupplungsaktion! Sie hatte sich schon gewundert, dass ausgerechnet Thatch gar nichts in dieser Richtung erwähnte... wobei es sie schon wunderte, dass er es auch jetzt nur auf diese Weise tat. Also so zurückhaltend und nebensächlich. Grade bei ihm hatte sie etwas mehr Überschwänglichkeit erwartet, wenn schon Izou so niedlich ausgeflippt war...? Vielleicht war er das aber auch schon Marco gegenüber, das wusste sie ja nicht. Oder aber es hing mit Marcos Vergangenheit zusammen, von der sicherlich auch Thatch etwas wusste... und er war einfach nur froh, dass er nun endlich jemanden hatte?
Aber ganz egal, woran es liegen mochte... sie würde sich ganz bestimmt nicht beschweren, dass sie weit glimpflicher davonkamen als sie beide befürchtet hatten! Lächelnd stieß sie Thatch mit der Schulter an.
„Da hast du allerdings recht, Pops kriegt das schon hin. Ace hat keine Chance!", stimmte sie ihm mit neuer Zuversicht zu, woraufhin ihr der Koch liebevoll durch die Haare flauste.

„Genau diesen Optimismus erwarte ich von unserem Goldstück! Und wenn er sich weiter weigert, hilfst du einfach noch etwas nach. Du kannst ihn auch gern nochmal mit Egeln duschen, ich würde ihn dir auch ganz freiwillig nochmal einfangen!", bot er großzügig an, doch der eindeutig zweideutige Glanz in seinen Augen ließen sie an seiner Uneigennützigkeit arg zweifeln. Soso... sie schnaubte belustigt.
„Verstehe... sollte ich ihn wirklich nochmal nackt über das Deck jagen, sag ich dir ganz sicher Bescheid", versprach sie grinsend, woraufhin er ihr breit lächelnd eine Kusshand zuwarf.
„Du bist die Beste, Zuckerschnäuzchen! Dann mach ich mich mal wieder auf den Weg in die Küche, der Rest der Familie hat auch gleich Hunger. Viel Spaß dann heut Abend!" Schwungvoll machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand bestens gelaunt zurück in die Kombüse. Junie sah ihm verhalten lachend nach. Na, das konnte ja noch heiter werden.
Ein wenig ungeduldig wandte sie sich wieder der Reling zu und wartete darauf, dass das deutlich kleinere Schiff sie endlich erreichte. Himmel, sie freute sich wirklich unheimlich darauf, Ace' Kameraden endlich wiederzusehen!!

In den nächsten Minuten füllte sich das Deck zunehmend mit dem Rest ihrer Brüder, die die Rückkehrer traditionsgemäß lautstark begrüßten – ob ihren eher unfreiwilligen Gästen das nun recht war oder nicht, juckte keinen sonderlich.
Der Anblick der Spade-Piraten war dann in der Tat ein amüsanter – Junie musste sich ein Grinsen verbeißen, als sie endlich ihre zwischen dem fröhlichen Trubel mühsam neutral gehaltenen Gesichter erblickte. Es war nicht allzu schwer zu erkennen, dass die übrigen Spades weit weniger Abneigung gegen die Whitebeards hegten als ihr Kapitän und sie nur ihm zuliebe entweder gar nicht oder nur halbherzig zu ihnen hochwinkten. Einzig Deuces Miene wirkte tatsächlich verschlossen, als er dicht an der Seite seines Kapitäns zusammen mit den anderen an Bord kam und auf Whitebeard zugingen, der ihnen von seinem üblichen Platz aus freundlich entgegensah. Junie drängelte sich nach vorn, wo sie sofort von Conny erspäht wurde. Die Miene der Orangehaarigen hellte sich augenblicklich auf, sie stieß Banra an und öffnete schon den Mund, um ihr wohl eine Begrüßung zuzurufen, da...
...wurde Junie unvermittelt von einem riesigen Fellhaufen angesprungen, der sie mit einem vernehmlichen Ächzen ziemlich unsanft auf die Planken krachen ließ und sie unter sich begrub. Ein tiefes, grollendes Schnurren erklang, und eine sehr raue Zunge leckte ihr genüsslich quer übers Gesicht.

„Uäh... Kotatsu... das... ist... eklig!", schimpfte sie, doch sie schaffte es offenbar nicht, ihrer Stimme die nötige Strenge zu verleihen, denn die riesige Raubkatze ließ sich in ihrem Tun nicht stören – auch nicht von dem aufkommenden Gelächter der Whitebeardpiraten, die sich über den Anblick ihrer mit sichtlicher Hingabe beschmusten Schwester ordentlich amüsierten.
„Naw, muss Liebe schön sein!", feixte Conny und tauchte grinsend in Junies Sichtfeld auf. „Da bist du ja endlich! Wir hatten dich schon vermisst!" Erst als sie sah, dass Junie aus naheliegenden Gründen ihren Mund wohl eher nicht öffnen würde, erbarmte sie sich und scheuchte Kotatsu kichernd von ihr runter. Junie warf ihr einen schrägen Blick zu, dann lächelte sie jedoch und zog die Piratin überschwänglich in ihre Arme.
Den Hintergedanken bemerkte die jedoch erst, als die Schwarzhaarige ihr vollgesabbertes Gesicht liebevoll gegen Connys Wange rieb. Angewidert quietschte sie auf und drückte sie hastig von sich weg.
„IIIIHHH!! Spinnst du?!"

Junie lachte gehässig auf und wischte sich den restlichen Sabber mit dem Ärmel vom Gesicht.
„Was denn? Ich teile nur die Liebe mit dir!", gab sie unschuldig zurück, was Conny empört schnauben ließ. Doch ihre Mundwinkel zuckten verräterisch hoch.
„Pah, und sowas will eine Prinzessin sein. In der Erziehung scheint wohl irgendwas schief gelaufen zu sein, was?", frotzelte sie, wurde jedoch gleich darauf von Banra beiseite gedrängelt, die Junie mit einem breiten Grinsen einfach packte und überschwänglich an ihren üppigen Leib presste.
„He, Junie! Wo zum Geier warste denn die ganze Zeit?", rief sie dröhnend und herzte sie kräftig.
„Freut mich... auch... Banra!", japste die Angesprochene ein wenig atemlos und strahlte die große Frau an, die sie ein wenig ruppig wieder auf die Füße stellte. „Ich war auf Mission, so wie ihr... wir haben uns wohl knapp verpasst..."

„Junie! Schön, dich wiederzusehen!"
„Stimmt, wir haben uns schon gefragt, wo du bist..."
Mihar und sein Fischmenschenfreund Wallace hatten es ebenfalls zu ihr geschafft, genau wie die übrigen Spades, die sie nun der Reihe nach überraschend herzlich begrüßten, was Junie wirklich erleichterte. Sie hatte schon Angst gehabt, dass sie ihr gegenüber womöglich deutlich distanzierter sein würden, nach allem, was in der Zwischenzeit passiert war. Nachdem sie auch Deuce begrüßt hatte, der zumindest ihr gegenüber kurz seine verschlossene Haltung ablegte, fing sie Ace' Blick auf. Er lag warm auf ihr; er sah ihre Erleichterung über die ungebrochene Sympathie seiner Crew und wie sehr sie sich über das Wiedersehen freute, und das gefiel ihm sichtlich. Auf jeden Fall deutlich mehr als der für seinen Geschmack viel zu freundliche Empfang SEINER Leute durch ihre Brüder...
Just in diesem Augenblick läutete jedoch die Essensglocke und löste damit zumindest dieses Problem, denn Futter hatte bei Piraten nun mal Vorrang. Zügig leerte sich das Deck. Die meisten gingen direkt zum Essen, und die, die noch hier blieben, ging wieder ihren üblichen Tätigkeiten nach oder genossen einfach noch die letzten Strahlen der Abendsonne. Deuce nutzte die Gelegenheit prompt und trat zusammen mit Ace vor den Kaiser, während die übrigen Spades in etwas Abstand bei Junie stehen bieben.
„Der Auftrag ist erledigt. Auf deiner Insel ist kein Bandit mehr übrig und die Dörfer sind wieder sicher", informierte er ihn in nüchternem, aber respektvollen Ton.

Whitebeard brummte zufrieden.
„Wunderbar, dann haben die Menschen da jetzt endlich wieder Ruhe vor diesem Pack. Gute Arbeit, ich danke euch", sagte er ernst. Deuce neigte minimal den Kopf.
„Nicht nötig, Kaiser. Wir sagten ja, dass wir uns unser Essen hier verdienen wollen...", erwiderte er sachlich, was der Riese mit einem zustimmenden Schnauben quittierte. Sein Blick war nachdenklich auf den Vizekapitän der Spade-Piraten gerichtet, ehe er kurz zu Ace wanderte, der sofort trotzig-abwehrend das Kinn hob. Fast hätte der Kaiser geschmunzelt, doch er verkniff es sich rechtzeitig.
„Das habt ihr, aber es ändert nichts an meiner Dankbarkeit", antwortete er dem Blauhaarigen gelassen. Dann wandte er sich direkt an die Feuerfaust und sah ihn aufmerksam an. „Also, wie soll's weitergehen, Junge? Willst du weiter versuchen, mich zu töten? Willst du dir deine Crew schnappen und aus meinem Einflussbereich verschwinden? Oder wollt ihr als meine Kinder bleiben?"

Ace' Blick verfinsterte sich augenblicklich und Hitze flimmerte um ihn herum, weshalb Deuce sich in weiser Voraussicht lieber ein Stück zurückzog – wenngleich er seinen Kapitän keine Sekunde aus den Augen ließ.
„Ich bin garantiert noch nicht fertig mit dir, alter Mann. Deine Tage sind gezählt!", knurrte er widerspenstig und ballte wütend die Fäuste. Whitebeard ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken; er scherte sich nicht um die anhaltende Feindseligkeit des Jungen, sondern beugte sich sogar noch unvermittelt zu ihm vor, sodass sie einander plötzlich von Angesicht zu Angesicht ansahen.
Ace wurde von dieser unerwarteten Bewegung ziemlich überrumpelt. Er zuckte unwillkürlich zusammen und nahm sofort eine instinktive Verteidigungshaltung ein, doch er wich keinen Zentimeter zurück.

Aber er griff ihn auch nicht an.

Eine kleine, aber sehr bedeutsame Tatsache, die den Kaiser zufrieden lächeln ließ und die Feuerfaust nur noch mehr in die Defensive drängte. Schon öffnete er den Mund für eine wütende Bemerkung, doch in diesem Moment durchbohrte ihn Whitebeards Blick mit einer derart überwältigenden Intensität und Stärke, dass seine Muskeln ihm für einen Moment glatt den Dienst verweigerten und er wie erstarrt an Ort und Stelle verharrte.
Noch nie hatte er so etwas Gewaltiges gespürt... eine Macht, die zweifellos furchterregend sein und ihn in die Knie zwingen konnte, doch... sie richtete sich überhaupt nicht gegen ihn. Sie durchdrang ihn, ohne Schaden anzurichten. Im Gegenteil... so absurd das auch klingen mochte, sie fühlte sich... beschützend an.
Sicher.
Was...?!

Der Riese hielt seinen Blick fest. Es war eindeutig an der Zeit, dass der Bursche die erste und vielleicht auch wichtigste Lektion des Lebens lernte. Ob er etwas draus machen wollte, würde sich zeigen... sein Lächeln wurde grimmig, aber seine Stimme war so leise, dass nur Ace sie verstehen konnte.
„Gut, einverstanden. Du hast einen verdammt starken Willen, Junge... das respektiere ich an dir. Aber lass dir eine Sache gesagt sein, bevor du sinnlos weiter an deinen Mordplänen feilst: Ein starker Wille allein bringt dir gar nichts – du brauchst auch dein Herz dazu. Wahre, echte Stärke kannst du nur erreichen, wenn beides im Einklang ist... und genau das ist der Grund, warum du in deinem Vorhaben immer wieder scheitern wirst, Junge. Du versuchst, allein mit deiner Willenskraft etwas zu erzwingen, das dein Herz aber gar nicht will. Vielleicht, weil du Angst vor dem hast, was es dir sagt, vielleicht, weil du es fälschlicherweise für Schwäche hältst... das weißt du wohl selbst am besten. Aber solange du nur stolz und stur deinem Willen nachrennst und einen Teil von dir selbst ignorierst, kannst du noch unzählige Wochen, Monate und Jahre hier verschwenden, ohne auch nur einen einzigen Schritt näher an dein Ziel zu kommen. Du wirst nichts weiter sein als ein ewig scheiternder Narr, der am Ende seines Lebens mit bitterem Bedauern feststellen wird, dass er es gar nicht wirklich gelebt hat. Oder du fängst endlich an, darauf zu hören, was dein Herz will - und nutzt all deine beeindruckende Willenskraft, um auch genau danach zu leben. Nur dann hast du eine echte Chance, glücklich zu sein... und wirst diese Welt eines Tages ohne Reue und mit einem Lächeln verlassen!", erklärte er ihm ernst und achtete darauf, dass wirklich keiner etwas davon mitbekam – genau wie seine Aura, die nur für Ace spürbar war. Sonst würde das nur automatisch wieder seinen jugendlichen, trotzigen Stolz auf den Plan rufen und jeden Lerneffekt ziemlich sicher von vorneherein zunichtemachen.

Aber das hier war zu wichtig; von dieser Entscheidung hing die Zukunft des Jungen ab und es wäre eine Schande, wenn er diese Chance nicht nutzte! Deshalb wurde sein Ausdruck nun deutlich milder, und ein stolzes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus.

„Wenn du dich für Letzteres entscheiden solltest, dann trau dich und sprich mit deiner Schwester. Bei ihr war es am Anfang nämlich genau umgekehrt: Sie hat zwar schon immer auf ihr Herz gehört, hatte aber oft nicht die Kraft, das Selbstvertrauen oder den Willen dazu, auch wirklich danach zu handeln. Aber Junie war mutig genug, um an sich zu arbeiten... und hat sich in den Letzten Jahren all das mühsam erkämpft. Sie hat es geschafft, obwohl es ein harter Weg für sie gewesen ist. Und es macht mich verdammt stolz zu sehen, was aus ihr geworden ist... was sie erreicht hat. Wenn du nicht als bedauerlicher Narr enden willst, dann frag sie danach. Rede endlich wirklich mit ihr und hör ihr vor allem auch zu!" Ein wissender Glanz trat in seine Augen, als er ihn aus seiner Aura entließ - und sich fast augenblicklich der gewohnte Trotz im Gesicht des Burschen zurückmeldete. „Oh, und ich weiß ganz genau, dass dein Stolz es dir verbieten will, auf meinen Ratschlag zu hören, weil du aus irgendeinem Grund glaubst, mich unbedingt hassen zu müssen. Aber frag dich eins, Junge: wenn du nicht mal mit deiner eigenen Schwester richtig sprechen willst, von der du eigentlich wissen solltest, dass sie dich schon seit euren Kindertagen bedingungslos geliebt hat... glaubst du dann wirklich noch selbst daran, dass du auf dem richtigen Weg bist?" Mit einem leisen Schnauben schüttelte er den Kopf und sah ihn ein letztes Mal gelassen an. „Was du mit meinem Rat anfangen willst, bleibt ganz allein dir überlassen. Von mir erfährt niemand, was ich dir eben gesagt hab. Du stehst an einem Scheideweg, Feuerfaust... aber denk dran: es ist DEIN Leben, über das du entscheiden musst. Wenn du also meinen Rat aus reinem Widerwillen in den Wind schießen willst, tu das – damit schadest du aber nur dir selbst und vielleicht auch deinen eigenen Leuten, aber ganz sicher nicht mir!"

Damit richtete er sich endgültig wieder auf und machte sich ohne weiteren Blick zurück ebenfalls in aller Seelenruhe auf den Weg in den Speisesaal.
Ace' Kiefer mahlten; noch immer waren seine Fäuste geballt, aber die Flammen waren erloschen. Da war keine Wut in ihm, nur... Chaos. Verdammt nochmal, was zum Teufel war das eben gewesen?! Das Ganze hatte vielleicht drei Minuten gedauert und war ihm doch vorgekommen wie eine Ewigkeit. Mit fassungslosem Unglauben starrte er dem alten Kaiser nach, der gerade unter Deck verschwand. Im selben Moment wurde er sich der fragenden, besorgten Blicke seiner Leute bewusst, weshalb er sich mühsam zusammenriss und sich mit einem abfälligen Schnaubend umdrehte.
„Gehen wir auf unser Schiff und essen was", grummelte er und stampfte schon Richtung Reling, als Junie ihn unerwartet am Ärmel fasste.

„Wartet, ich hab für euch...", begann sie, doch bei seinem abweisenden Gesichtsausdruck zog sie hastig ihre Hand weg und wich ein Stück zurück, ehe sie sich zu einem Lächeln zwang. „Schon gut, nicht so wichtig... geh nur!"
Dieses geknickte, resignierte Lächeln und ihr vorsichtiger, zögerlicher Umgang mit ihm versetzten Ace jedoch plötzlich einen mächtigen Stich. Denn das erinnerte ihn nicht nur überdeutlich an die Zeit, bevor sie Freunde geworden waren und sie als kleines Mädchen schüchtern (und vergeblich) seine Nähe gesucht hatte, sondern es bewahrheitete auch noch ein kleines Stück von Whitebeards Worten, nur Sekunden nachdem er sie ausgesprochen hatte:
Er hatte sich tatsächlich von ihr distanziert.

Scheiße...

Fahrig fuhr er sich durchs Gesicht. Aber leugnen war zwecklos: er hatte seit dem Abend ihres Wiedersehens nicht mehr wirklich lange mit Junie gesprochen, sich die meiste Zeit schmollend zurückgezogen, und sich abgesehen von seiner phänomenalen Keks-fress-Aktion und seiner zerknirschten Entschuldigung danach auch bewusst von ihr ferngehalten. Und obendrein so getan, als würde er die versteckte Traurigkeit in ihrem Blick nicht sehen. Als ob sie das wirklich vor ihm verbergen könnte... Sofort begehrte jedoch sein Stolz auf und mischte sich mit Trotz; immerhin gehörte sie doch zu seinem erklärten Feind, oder nicht? Das war ja wohl nicht seine Schuld. Und sie würde doch sowieso nur mit Engelszungen auf ihn einreden und versuchen, ihn mit allen Mitteln auf ihre Seite zu...

Moment.
Ace erstarrte vor Schreck, als ihm zum ersten Mal so richtig bewusstwurde, was er da eigentlich grade dachte... und im Grunde schon gedacht hatte, seit er von ihrer Zugehörigkeit erfahren hatte, oder? Sein eigentlich schon wieder abgewandter Blick schoss entsetzt zurück zu ihr.
Sie legte besorgt den Kopf schief und erwiderte seinen Blick offen und fragend. Und in ihren Augen fand er nichts als ehrliche Sorge und geschwisterliche Liebe, genau wie all die Jahre zuvor, die sie gemeinsam verbracht hatten. Nie, nicht ein einziges verdammtes Mal hatte Junie in irgendeiner Weise versucht, ihn zu etwas zu bringen, was er nicht gewollt hatte. Im Gegenteil, selbst als er angekündigt hatte, ihren eigenen Kapitän und Vater ermorden zu wollen, hatte sie sich ihm nicht in den Weg gestellt, sondern sich ihm zuliebe sogar gänzlich aus dieser Angelegenheit rausgehalten, obwohl es sie todsicher alles andere als glücklich gemacht hatte. Und er?
Er hatte einfach aufgehört, ihr zu vertrauen.
Dem ersten Menschen, der ihn so akzeptiert hatte, wie er war. Der ihm bis heute noch nicht einmal den verdammten Rücken zugedreht hatte, seit er sie mit dieser eigentlich sinnbildlichen gemeinten Formulierung vor so vielen Jahren drum gebeten hatte. Aber Junie hatte sie auch wörtlich genommen... und es niemals vergessen oder gebrochen.
Gottverfluchte Scheiße.

Nein, spätestens jetzt musste er sich selbst eingestehen, dass er tatsächlich gründlich vom Weg abgekommen war. Das konnte einfach nicht richtig sein.
Angefressen von sich selbst fuhr Ace sich durchs Gesicht, ehe er tief durchatmete - und seine überrumpelte Schwester auf einmal kurz, aber fest an sich zog.
„Tut mir leid", murmelte er resigniert und löste sich wieder von ihr. Perplex sah sie ihn an.
„Was tut dir leid? Was ist denn los?", fragte sie, doch Ace schüttelte nur den Kopf und lächelte schief – die eigentliche Erklärung war nur für ihre Ohren bestimmt, nicht hier vor den anderen.
„Dass ich dich unterbrochen hab, Schwesterherz. Also was wolltest du sagen? Du hast was für uns?", lenkte er geschickt ab und sperrte vorerst alle im Augenblick unnötigen Gedanken und Gefühle weg. Es gab wirklich viel, über das er nachdenken musste, aber dafür brauchte er Zeit und Ruhe... und einen klareren Kopf.
Junie sah zwar nicht ganz überzeugt aus, doch zu seiner Erleichterung beließ sie es dabei. Stattdessen trat ein vorsichtig vergnügtes Funkeln in ihre Augen.

„Lust auf eine kleine Privatparty?"

Die Farben des Phönix (Full Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt