02 || Oops

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Okay, die beiden Akten, meine Mappe für Notizen, der Rucksack, meine Arbeitsjacke, Namensschild. Fehlte da noch etwas? Mein Autoschlüssel! Ich musste mir dringend aus meinem Auto noch meine Handyhalterung holen! Selbstverständlich hatten unsere Dienstfahrzeuge kein Navigationssystem. 

Wie auch immer. Meinen Job liebte ich trotz alldem!

Hastig machte ich mich auf den Weg nach draußen und ging in meinem Kopf noch einmal durch, wie ich den anstehenden Termin eröffnen würde.

'Vielen Dank, dass Sie alle so spontan Zeit hatten. Wir haben diesen Termin vereinbart, um dem Verdach..-', auf einmal war ich mit jemandem zusammengestoßen.

"Aua, fuck!", rief ich, als sich heißer Kaffee auf meinem Hemd verteilte.

"Oops", fing er an, "das tut mir wirklich leid! Oh Gott, kann ich Ihnen helfen?", entschuldigte sich der junge Mann, der nun mit der fast leeren Kaffeekanne vor mir stand.

"Fucking hell, ich muss zu einem Termin und, fuck, das ist heiß!", fuhr ich ihn an.

"Heiß?", grinste er kurz, "kommen Sie, ich helf' Ihnen schnell", beschloss er kurzer Hand, "ziehen Sie das Hemd aus!"

Der kleine Trottel nahm mir schnell die kaffeegetränkten Unterlagen ab, während ich mein triefendes, nun braun verfärbtes Hemd aufknöpfte. Das war doch neu...

Er führte mich zu seinem schuhkartongroßen Büro, um mich nicht länger so auf dem Gang stehen zu lassen.

"Ähm, ich hab ein Ersatzhemd dabei, wenn Sie das haben wollen?", bot er mir an, obwohl er selbst auch ein paar kleinere Kaffeespritzer abbekommen hatte.

Ich musterte ihn. Er war größer als ich. In seinem Hemd würde ich wie ein Idiot aussehen...

Zögerlich nickte ich: "Hmm, danke".

Während ich mich anzog, stellte er sich vor: "Ich bin übrigens Harry".

"Harry?", erwiderte ich und zog die Augenbrauen nach oben.

"Styles. Styles! Harry Styles. Ich, uhm, ich hab noch kein Namensschild", erklärte er sich.

Gott, war er nervös!

"Achso, Sie sind der Neue?", schlussfolgerte ich, "Ist das Ihre Masche? Kaffee über Kollegen verschütten und ihnen dann ein frisches Hemd anbieten? Ich weiß ja nicht, aber da hätten Sie sich auch etwas anderes einfallen lassen können, wenn Sie sich gleich am ersten Tag an einen Kollegen 'ranschmeißen wollen", neckte ich ihn.

"Ah, ungefähr so?", meinte er grinsend und knöpfte sein eigenes Hemd auf, ging zur Bürotür und verriegelte diese.

"Ich bin verheiratet", platzte aus aus mir heraus.

Hatte er dieses unverbindliche Witzeln gerade so falsch verstanden?

"Oh", machte er, "Und ich hab mir schon gleich an meinem ersten Tag heißen Sex auf meinem neuen Schreibtisch vorgestellt", schmollte er und grinste dann.

"Du bist also tatsächlich gay, hmm? Also - Sie! Sie sind also..- na, wie auch immer", stammelte ich.

"Wir können ruhig beim Du bleiben, nachdem wir uns ja nun gerade schon halb nackt gesehen haben", bot er mir an.

Ich nickte: "Louis. Nenn mich Louis."

"Okay Louis, also ja, ich bin queer. Ich geb' dem keinen Namen. Und ich bin momentan single, falls das deine nächste Frage gewesen wäre", erklärte Harry und zwinkerte mir zu.

Verstehend nickte ich: "Pass aber  gegenüber Mr. Webb auf. Er ist etwas konservativ, da solltest du so eine Nummer hier nicht bringen. Ich bin übrigens heterosexuell. Also..- Das hier..-".

Ich musterte noch einmal seinen trainierten Oberkörper.

"Also das hier..- Das war ein lustiges Kennenlernen, okay? Aber ich wollte dir keine Hoffnungen..- Okay?", versuchte ich, diese merkwürdige Situation zu rechtfertigen.

"Kein Stress, Mann. Von meiner Seite her ist alles okay zwischen uns", lockerte Harry die Stimmung auf.

"Kann ich kurz dein Telefon nutzen?", wechselte ich das Thema und ging auf seinen Schreibtisch zu.

"Klar", bestätigte er.

Ich wählte Loris Nummer: "Hi, du kennst doch den Kingsley-Fall. Kannst du den Termin spontan übernehmen?".

"Wie? Jetzt?", entgegnete Lori verwirrt, woraufhin ich kurz erklärte, was passiert war und wie doof ich in Harrys Hemd aussah.

Lori war eine tolle Kollegin; sie übernahm den Termin tatsächlich für mich.

"So, Harry, ich hab den Nachmittag nun frei. Der Tag ist ja etwas chaotisch verlaufen und so richtig wurden wir einander ja nicht vorgestellt - und ich bin stellvertretend für Winston für deine Einarbeitung zuständig. Nachdem ich nun deinen Körper kenne - erzähl doch mal was über dich", forderte ich ihn auf und setzte mich auf seinen Schreibtisch.

"Ich bin 23 Jahre alt, frisch vom Studium und hab mich während meines ersten Praktikums ins Umweltecht verliebt. Das klingt für viele doof, vielleicht sind die Karriereaussichten nicht so gut wie im Strafrecht, aber..- Ich weiß nicht. Es ist irgendwie ein so vielfältiges Thema", fing er an.

"Frischfleisch, hmm?", kommentierte ich.

"Eher Frischgemüse, ich esse keine Tiere", berichtigte er mich.

"Oh Gott, ein Vegetarier", neckte ich ihn.

"Veganer!"

Ich lachte: "Noch viel schlimmer".

"Und du?", erkundigte er sich.

"Fleischesser", murmelte ich leise.

"Oh Louis! Damit meinte ich, dass du mir etwas über dich erzählen sollst; nicht, wie du dich ernährst!"

Ich schüttelte lachend den Kopf.

"Ich bin 27 und bin hier in der Kanzlei, seit ich mit dem Studium fertig bin. Zu Beginn des Jahres wurde ich Juniorpartner", fing ich stolz an, "und privat - ich hab dir ja schon gesagt, dass ich verheiratet bin. Wir haben einen kleinen Sohn und ein Häuschen außerhalb der Stadt".

"Karriere, Kind, Frau, Haus. Mit unter 30 hast du das Leben durchgespielt", schmunzelte er.

"Naja...", meinte ich schulterzuckend, "bei uns ist nicht immer alles rosig..."








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