2331 Tage vor dem Verhängnis

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Es war das erste Fest, welches auf Tyris ausreichtet wurde, nachdem die Königin verstorben war. Es fühlte sich falsch an, für alle Brüder, doch nach der Rückeroberung der nördlichen Fraktion war dies ein zu großer Erfolg, als dass man ihn nicht mit den anderen Königshäusern feiern würde, wenn auch der offizielle Grund ein anderer war. Immer zur Wintersommerwende, dem Tag, ab welchen die Tage heller wurden und den Bewohnern des Planeten dadurch zeigte, dass die Dunkelheit weichen würde, wurde auch für die übrigen Königshäuser diese Tradition geteilt. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Frieden in der Dimension bestand.

Das Oberhaupt von Tyris arbeitete hart daran, dass die Monster, welche auf unbekannte Weise dem Planeten entschlüpften, nicht auch andere Teile der magischen Dimension befallen würden. Bevor der Fürst den Thron bestieg, gab es einige Vorfälle, welche zumindest in den meisten Fällen ein gutes Ende nahm. Mit ihm wurde der Frieden bewahrt, die Ruhe unter dem Volke aufrechterhalten. Dank galt hier auch der königlichen Garde Tyris, welche die höchste Achtung unter den Bewohnern aller Planeten besaß.

So fiel in diesem Jahr die Mitsommerwende auf einen kühlen Dienstag. Traditionsgemäß begannen die Feierlichkeiten bei Sonnenuntergang. Während jede Familie auf Tyris ihre ganz eigenen Traditionen hatte, so war eine gleich. Das jährliche Kerzenanzünden. Die Kerze, welche mit dem letzten Strahl der Sonne angezündet wurde, sollte die Nacht über durchbrennen, ehe sie vom Licht der aufgehenden Sonne abgelöst wird. Sie meisten Familien stellten sie an ihrem Fenster auf, sodass auch die Straßen bei Nacht an diesem Tag wie erleuchtet schienen.

Und auch im Schloss wurde diese Tradition gepflegt und mit dem Licht der schneeweißen Kerze, welche von den beiden kleinsten Zwillingen, Everett und Elijah, in diesem Jahr angezündet werden durfte und somit die Feierlichkeiten eröffneten. Auf einem golden verzierten Kerzenständer, welcher von feinsten Gravuren bis zum Wachs immer schmaler wurde, hellte die Kerze auf, welche vom Sockel, auf welchem sie stand, in der Dunkelheit von der Empore herab strahlte. Mit ihrem Schein begann auch der restliche Innenhof zu erleuchten, ehe sanfte Klänge den Schlosshof einhüllten, wo die Gäste passend im Takt zu der Musik anfingen zu tanzen. Üblicherweise würde nun eine Rede folgen, doch so nicht unter dem Fürsten. Er pflegte zu Beginn seine Gäste erst persönlich zu begrüßen, ehe er im Anschluss eine Rede hielt. Die zwei jüngsten der Brüder liefen aufgeregt zum Getümmel, froh, dass es endlich etwas zu entdecken gab, etwas Neues und vor allem etwas Abwechslung, im Vergleich zu den letzten bedrückenden Wochen. Auch die anderen Brüder entfernten sich von der Erhöhung, aufsteigend ihrer Geburt, ehe nur noch sein ältester Sohn und der Fürst selber vor der Kerze standen.

„Nun wärst du an der Reihe, dich unter die Gäste zu gesellen", sprach der Fürst, blickte jedoch weiterhin auf die Menschenmenge.

„Ich brauche noch einen Moment. Im Vergleich zu unseren Gästen ist mir bewusst, was wir am heutigen Tage wirklich feiern. Und auch, was wir dafür hergaben." Gefasst und wohldurchdacht richtete er das Wort an seinen Vater, welcher nach kurzen Anblicken zu seinem Sohn seine Worte ruhig abnickte.

„Ohne dich hätten wir heute keinen so großen Grund zum Feiern. Bedenke, jedes Königreich und auch jede Familie hat ihre eigenen Bürden zu tragen. Tyris kann sich durch andere Werte präsentieren, auch wenn die anderen Reiche dies noch nicht würdigen. Versuch das Fest zu genießen und lass nicht zu lange auf dich warten."

Mit den Worten schritt er zur Treppe, hinunter vom dem steinernen Balkon, auf welchem er Alaric einzig und allein mit seinen Gedanken und seinem Schatten zurückließ.

Der Herrscher hatte recht, Tyris war ein befallener Planet, in der Dimension auch als ‚dunkler Planet' bekannt. Würde man sich den Planeten ansehen, würde wohl niemand in erster Linie diesen Planeten als dunkel beschreiben. Grüne Wälder bedankten den Großteil des Planeten, welche sich sogar bis an den Rand der Bergketten zogen und diese auch teilweise noch besiedelten, während schmale Flüsse das Land wie Adern durchzogen. Am Tage war es ein wirkliches Paradies, in dessen Einfachheit seine Schönheit lag. Die Nacht brachte die andere Seite des Planeten hervor, ließ die Bewohner in Angst ihre Häuser zurückkehren. Denn schützen, konnten sie nur die wenigsten. Anders als auf vielen anderen Planeten war die Magie auf Tyris zwar stark und in jedem Teil des Landes spürbar, doch bei fast keinem Bewohner schlummerte diese Gabe. Es war ein einfaches Volk, aber ein hoch entwickeltes. So lernten einige sich zu verteidigen, auch ohne Magie, formten über die Jahre einen Trupp, welcher vom Hofe zu einer Garde ausgebildet wurde, während wiederum andere das Handwerk erlernten. Die Schmiedekunst von Tyris, von prächtigen Rüstungen bis hin zu den edelsten Schwertern, war hoch angesehen vom Rest der magischen Dimension. Dies lag mitunter an den Materialien, welche in den Bergketten behaust waren. Kein anderer Planet hatte solche Vorkommen an Mineralien und Gesteinen, wodurch nahezu der gesamte Reichtum des Planeten entstanden ist.

Doch so angesehen dieses auch war, so stieß anderes bei den anderen Königshäusern auf starke Skepsis. Vieles wurde auf dem Planeten ohne Magie erreicht und dennoch konnte Tyris einen nahezu magischen Fortschritt erreichen. Wenn man bedenkt, dass es fern ab der magischen Dimension einen Planeten ganz ohne Magie gab, welcher sich vergleichsweise nur langsam entwickelte, so war Tyris das beste Beispiel, dass man sich nicht auf Magie verlassen muss, um von ihr zu profitieren. Die Bewohner lebten im Einklang mit ihr, nutzen sie so weit es ihnen möglich war und kamen zurecht, so hatten sie im Notfall eine Familie, welche über Generationen sowohl Magie als auch Fähigkeiten ohne perfektioniert hatten. Denn selbst wenn es keine Monarchie geben würde, so würde wohl jeder einzelne Bürger auf ein Neues den Fürsten als Oberhaupt wählen. Denn die Wünsche des Volkes wurden erhört, wie wohl auf keinem anderen Planeten. Unabhängig vom Geschlecht. Die Macht des Planeten musste nicht durch Heirat gefestigt oder gestärkt werden, der Planet kam zurecht. Solche Ansichten festigten sich mit der Regentschaft des Fürsten, ließen die anderen Oberhäupter misstrauisch auf sie herabsehen.

Der Fürst atmete tief durch, ehe er den letzten Schritt von der Treppe nahm und somit bereit war, sich mit den Gästen zu unterhalten. Wie selbstverständlich reichte ihm einer der Bediensteten, welcher mindestens genauso elegant gekleidet war wie einige der Gäste, ihm ein Tablett mit Getränken entgegen, von welchem er ein Glas entgegennahm. Aufrecht schritt er nach links, wo sich einige der Gäste noch nicht dem Tanz hingegeben hatten. Ganz vorne war ein für ihn noch unbekanntes Gesicht. Eine Frau, noch recht jung, mit rostroten Haaren, welche elegant seitlich geflochten waren und anschließend in wunderschöne Locken hinter ihren Rücken übergingen, blickte direkt zu ihm, ehe sie ihm einen höflichen Knicks entgegenbrachte, welches der Fürst mit einem langsamen Nicken entgegenwirkte.

„Guten Abend, meine Dame. Darf ich davon ausgehen, dass dies Ihr erster Besuch in unserem bescheidenen Heim ist? Ich merke mir Gesichter recht gut, doch habe ich Ihres nicht in Erinnerung, geschweige denn Ihren Namen."

„Sie nehmen recht an, eure Hoheit. Wenn ich mich vorstellen dürfe, mein Name ist Dahlia, Prinzessin von Domino. Ich geleite meine Eltern am heutigen Tage." Sanft sprach die junge Prinzessin zum Oberhaupt, geehrt, dass ausgerechnet sie die erste Person des Abends ist, welche vom Fürsten begrüßt wird, ehe sie auf ihre Eltern verwies, welche bereits der Musik in der Menge folgten.

Der Fürst folgte ihren Blick, das tanzende Paar war schnell in der Menge zu bemerken.

„Ein schöner Name, welchen König Brandur und Königin Cataleya gut ausgewählt haben. Ich hoffe, euch gefällt der erste Eindruck. Normalerweise kümmerte sich meine Gemahlin um die Dekoration, weshalb sie in diesem Jahr etwas zurückhaltender ausgefallen ist." Ein sehnsüchtiges Lächeln bildete sich auf seinen Lippen ab, während traurige Augen für einen kurzen Moment zum Vorschein kamen.

„Mein aufrichtiges Beileid zu dem Verlust eurer Gattin. Es ist bewundernswert, was ihr trotz dieses Schicksalsschlages für euren Planeten und die Sicherheit der magischen Dimension tut." Demütig, doch mit leicht zitternder Stimme sprach sie zu ihm, hoffend, dass ihre Worte, obgleich sie noch nicht sehr viel Übung in Gesprächen mit derart hoch angesehenen Personen, geschweige denn zu solch schwierigen Themen hatte.

„Ich bin überrascht, welch gute Wortwahl ihr zutage legt. Eure Eltern müssen sehr stolz auf euch sein. Ich hatte bisher nur das Vergnügen, euren älteren Bruder kennenzulernen. Wenn ihr mich nun entschuldigt, ich muss mich noch den anderen Gästen vorstellen."
Mit einem ebenso vornehmen Nicken wie er sie begrüßte, verabschiedete er sich, ehe er sich von ihr entfernte.

Bevor er sich seinen nächsten Gesten widmete, drehte er dich noch einmal um, blickte hinauf zu Alaric, welcher seinen Blick vom dem großen Balkon aus bemerkte. Vornehm erhob er das Glas zu seinem Sohn, ein stilles Zeichen, dass auch für ihn das Fest nun beginnen sollte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 30, 2022 ⏰

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