2371 Tage vor dem Verhängnis

19 1 0
                                    

Die Tage fühlten sich an wie eine Ewigkeit, obwohl die Wintersonne in den späten Monaten früher unterging. Weder seinen Vater, noch seinen älteren Bruder hatte er in den letzten Tagen oft gesehen. Selbst beim Frühstück waren ihre Plätze leer, so wie auch der Platz seiner Mutter, welcher jedoch für immer leer bleiben würde. So würde dieser Tag wie die Letzten werden. Er würde als letzter zu Tisch kommen, während Cole der einzige Bruder war, welcher auf ihn warten würde, bis er mit der Mahlzeit beginnen würde. Anschließend würden die beiden Jüngsten als Erstes in aller Stille den Tisch verlassen und auch bis zum Abendmahl nicht zu sehen sein, während Ilijah irgendwann beginnen würde, Asher über die neuesten Ereignisse auf Tyris auszufragen, ehe diese in leichte Sticheleien übergehen würden.

Mit gesenkten Blick betrat demnach Asher den Speisesaal. Ohne aufzublicken wusste er, dass alles so war, wie die Tage zuvor. Das Kratzen und Quietschen des Silberbesteckes waren mit die einzigen Geräusche im Saal, welche nur kurz durch das Zurechtrücken des Stuhles von Asher unterbrochen wurden. Die Tafel war voll gedeckt, von frischem Obst bis hin zu fertig bereiteten Speisen war bei Weitem mehr vorhanden, als die Brüder jemals hätten essen können. Bei all dem Reichtum, welches nicht nur das Königshaus selbst, sondern der ganze Planet besaß, war es kein Wunder, dass es eine riesige Auswahl an Spezialitäten aus der gesamten magischen Dimension gab. So waren nicht nur heimische Früchte und Gerichte auf der Tafel angerichtet, sondern auch exotische Köstlichkeiten, welche fast zu schön garniert waren, um sie zu verzehren.

„Wirst du heute wieder dem Training beiwohnen?" Mit neutraler Mimik blickte Ilijah zu Asher, welcher direkt gegenüber Platz genommen hatte. 

Doch nicht nur, weil er seinen Bruder kannte, konnte er genau sagen, dass es keine allgemeine Frage war, welche aus einfachem Interesse gestellt wurde oder um die Stille in dem Raum zu brechen. Noch weniger würde dieser die Frage aus Besorgnis stellen, da es nicht Ashers Art war, dem Training, genauer gesagt, seinem Training fernzubleiben. Wenn es etwas gab, was dem jungen Prinzen wichtig war und wo er auch seiner Verantwortung nachkam, so war es dies, wenn auch nichts anderem. Nicht nur, da der Schwertkampf auf Tyris eine lange Tradition besitzt, auch, weil er in der Geschichte des Planeten eine wichtige Rolle spielte und immer noch spielt. Ein Prinz müsse den Planeten mit seinen Händen schützen können. Schützen vor den Monstern und Kreaturen, welche auf dem Planeten lungerten.

Es war bedauerlich, dass die ausgeprägte Natur mit seinen Phänomenen und die vielfältigen Steinformationen im Norden, mit all seinen wertvollen Mineralien von dem Grauen überschattet wurde, welches in der Dunkelheit lauert. Die alten Aufzeichnungen schildern eine Zeit, in welcher Kreaturen das Land nicht besetzten und die Dörfer mit ihren Bewohnern in Frieden leben konnten. Leider lag dies bereits lange, lange in der Vergangenheit. Nun war es beinahe gang und gäbe, dass die Bewohner nachts, sobald die Dunkelheit hineinbrechen würde, in die Häuser zurückmussten und der atemberaubenden Natur fernblieben. Und doch hat es das Volk geschafft zu überstehen. Es wuchs heran und baute eine wohlhabende Zivilisation auf, umgeben von großen Stadtmauern, die eine gewisse Sicherheit gewährten. All das, ist auf eine Familie zurückzuführen, dessen Blut nun in den Adern des an wertigen Herrschers und seinen Söhnen floss, an dessen Aufgabe, den Ursprung dieses Übels zu finden, alle vorherige Generationen gescheitert sind.

„Ich kann es mir im Gegensatz zu dir erlauben", antwortete Asher auf seine Frage, ohne auch nur hochzublicken. Zu genau wusste er, dass sein Bruder ihn nur provozieren wollte.

„Zu mir, vielleicht. Zu Alaric? Wohl weniger", sprach Ilijah stolz.

Natürlich musste er noch einen nachlegen. Seit jungen Jahren versuchte Asher schon zu seinem Bruder aufzuschließen, doch gelang es ihm nie, wenn nur knapp. Asher beteuerte stets, dass dies an den fast zwei Jahren Altersunterschied liegen würde, welche ihn von seinem Bruder trennten. Doch nicht nur ihre Kampffähigkeiten unterschieden die beiden voneinander. Besonders ihre Persönlichkeiten waren wohl die unterschiedlichsten. Sicher, beide waren zielstrebig, doch hatte jeder seine eigene und ganz spezielle Art, diese zu erreichen. Während Alaric eher diplomatisch vorging, dachte, bevor er sprach oder gar handelte, so konnte man von Asher stets das Handeln als ersten Schritt vorhersehen und das Nachdenken seiner Handlungen im Anschluss meist ganz ausschließen. So bildeten seine Handlungen meistens die perfekte Grundlage für Ilijah, welcher es zu lieben schien, Asher mit seinem Fehlverhalten zu konfrontieren, während Alaric diese Fehler wieder grade bog. Hilfe bekam er vorwiegend von Cole, dem Zwillingsbruder von Illijah und definitiv der schüchternere von den Beiden.

Fragmente der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt